Die Justizgrundrechte in der Verfassungsbeschwerde (Teil 2)

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Die Grundrechte wurden an den Anfang des Grundgesetzes gestellt. Dies war ein symbolischer Akt, um deren vermeintliche Bedeutung zu betonen und sich zu den Rechten des Einzelnen zu bekennen. Es gibt aber auch noch Grundrechte in der deutschen Verfassung, die sich nicht unter den ersten 20 Artikeln des Grundgesetzes finden.

Die wichtigsten davon sind die sogenannten Justizgrundrechte, die die Rechte des Bürgers im gerichtlichen Verfahren – ob nun Verwaltungsrecht, Strafverfahren oder Zivilprozess – bestimmen. Diese stehen aber weit hinten im Grundgesetz, man findet sie erst nach den ersten 100 Artikeln im Abschnitt „Die Rechtsprechung“.

Im Prinzip handelt es sich auch dabei um „normale Grundrechte“, die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat verbürgen und auf die die allgemeinen Prinzipien der Grundrechtslehre anwendbar sind. Teilweise werden sie aber – weil sie eben nicht im Abschnitt „Grundrechte“ stehen – als grundrechtsgleiche Rechte bezeichnet.

Auch diese Rechte können im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Da fast jeder Verfassungsbeschwerde ein Gerichtsverfahren vor den normalen Fachgerichten vorausgeht, können die Justizgrundrechte immer eine Rolle spielen. Ein im Verfassungsrecht erfahrener Anwalt wird immer besonderes Augenmerk darauf richten.

Diese Justizgrundrechte kennt das Grundgesetz:

(Die übrigen Justizgrundrechte finden Sie im vorherigen Artikel.)

Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 3 GG)

Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Wird jemand wegen einer Tat verurteilt, so ist die Sache damit abgeschlossen. Wegen derselben Handlung darf er nicht ein zweites Mal verfolgt werden (lateinisch „ne bis in idem“).

Dabei ist aber über den Wortlaut hinaus nicht nur eine Doppelbestrafung umfasst. Auch eine bloße Verfahrenseinleitung ist dann bereits unzulässig. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren mit einem Freispruch geendet hat, also gar eine erste Bestrafung erfolgte. Auch eine Verfahrenseinstellung wirkt in bestimmten Fällen so, dass eine erneute Einleitung eines Strafverfahrens nicht möglich ist.

Von diesem Grundsatz gibt es aber allgemein anerkannte Ausnahmen. So ist eine disziplinarische Ahndung einer Verfehlung bspw. im Beamtenverhältnis oder im Schulrecht trotz schon erfolgter strafrechtlicher Verurteilung weiterhin möglich. Ebenso darf eine vorherige Verurteilung im Rahmen eines neuen Strafverfahrens wegen einer neuen Straftat straferhöhend berücksichtigt werden („Rückfall“).

Mehr Informationen: Das Verbot der Doppelbestrafung in der Verfassungsbeschwerde

Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung (Art. 104 GG)

Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.

Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.

Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen

Dieses Grundrecht ist ebenfalls extrem praxisrelevant, wurde aber durch die Strafprozessordnung weitestgehend umgesetzt, sodass sich die meisten Fragen nicht auf der Ebene des Verfassungsrechts, sondern auf der des einfachen Gesetzesrechts abspielen. Trotzdem muss sich natürlich auch die Anwendung der StPO am Grundgesetz messen lassen.

Artikel 104 GG soll sicherstellen, dass nur der Richter die Verhaftung einer Person anordnen darf. Dies schließt freilich nicht aus, dass die Polizei jemanden in Gewahrsam nimmt – das ist sogar die Regel. Für eine dauerhafte Freiheitsentziehung braucht es aber einer richterlichen Entscheidung.

Tatsächlich muss man auch sagen, dass ein Haftbefehl in der Regel nur die Unterschrift des Richters trägt. Formuliert wird der gesamte Inhalt meistens durch die Staatsanwaltschaft, die den Haftbefehl beantragt.

Die Vorschrift ist auch nicht so zu verstehen, dass die Verhaftung schon dann gerechtfertigt, wenn sie nur formal korrekt ist. Auch die Begründung muss natürlich eine so schwerwiegende Freiheitseinschränkung wie die Verhaftung rechtfertigen. Das Verfassungsrecht verlangt hier eine besondere Prüfung der Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Verdachtsmomente, des Tatvorwurfs und der zu erwartenden Strafe.

Mehr Informationen: Die Rechtsgarantien bei Freiheitsentziehung in der Verfassungsbeschwerde

Anspruch auf ein faires Verfahren

Das Recht auf ein faires Verfahren nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, da es nicht ausdrücklich im Grundgesetz steht. Aus welchen rechtlichen Bestimmung es hergeleitet wird, ist umstritten: In der Regel führt man es auf den Fair-trial-Grundsatz der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 EMRK) und auf das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit der Menschenwürde, dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder dem Gleichbehandlungsgrundsatz zurück. Unumstritten ist dagegen, dass es dieses Recht gibt und man sich hierauf auch in einer Verfassungsbeschwerde berufen kann.

Zu einem fairen Verfahren gehört, dass ein neutraler, unvoreingenommener Richter die Sache prüft und nach dem anwendbaren Recht entscheidet. Daneben fasst man unter diesen Anspruch alle Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, die nicht durch ein anderes Justizgrundrecht abgedeckt sind. Hierzu gehört bspw. auch die Waffengleichheit, wenn auf der anderen Seite der Staat steht, bspw. im Strafprozess.

Im Einzelfall kann man nur aus einer Zusammenschau des gesamten Verfahrensablaufs schließen, ob das Verfahren nun fair durchgeführt wurde oder nicht. Daher ist es bei einer Verfassungsbeschwerde regelmäßig notwendig, sehr umfangreich zur Sache vorzutragen und genau zu benennen, warum der Prozess nicht mehr fair war.

Mehr Informationen: Der Anspruch auf ein faires Verfahren in der Verfassungsbeschwerde

Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Justizgrundrechte

Wegen Verletzung dieser Grundrechte ist eine Verfassungsbeschwerde unter den allgemeinen Voraussetzungen möglich. Jedoch müssen zahlreiche Besonderheiten beachtet werden, um die Erfolgschancen zu steigern und nicht schon an formalen Hürden zu scheitern.

So reicht es nicht allein, zu behaupten, dass ein Urteil falsch ist, um eine zulässige Verfassungsbeschwerde zu erheben.

Wichtig ist auch, sich nicht nur auf die Justizgrundrechte zu konzentrieren, sondern auch zu prüfen, ob das Gericht auch die allgemeinen Grundrechte, an die es wie jedes Staatsorgan gebunden ist, ausreichend beachtet hat.

Rechtsanwalt Thomas Hummel wird Ihren Fall gerne prüfen und, wenn erfolgversprechend, Ihre Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten. Nehmen Sie einfach unverbindlich Kontakt auf, am besten per E-Mail.

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