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Feuerwerk an Silvester – Ersatz für Schaden durch Böller und Raketen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Den Jahreswechsel begrüßen viele wieder mit einem Feuerwerk. Böller und Raketen gehören wie das Anstoßen mit Sekt zum Brauch an Silvester. Des einen Freud bedeutet aber schnell des anderen Leid bedeuten, wenn Körper oder Eigentum zu Schaden kommen.

Versicherung kann Regress vom Verursacher verlangen

So brannte an Neujahr 2006 ein Bauernhof in Schwaben aufgrund einer verirrten Rakete ab. Diese war zunächst fünf Meter nach oben geflogen, machte dann einen Richtungswechsel und drang dann durch eine kleine Öffnung in die zwölf Meter entfernte Scheune, wo sie anschließend explodierte. Der dadurch entstandene Brand breitete sich schnell auf die umliegenden Gebäude aus und zerstörte neben der Scheune auch das Getreidelager, den Schweinestall sowie das Wohnhaus samt Garagen - Sachschaden über 400.000 Euro.

Wer zahlt? Hier zunächst die Versicherung des Hofinhabers. Diese machte aber später die auf sie per Gesetz übergegangenen Ansprüche des versicherten Landwirts gegen den eigentlichen Verursacher geltend. Das war der Ehemann der Nachbarin, der die Rakete in einen Schneehaufen gesteckt und angezündet hatte.

BGH lehnt Anspruch aus nachbarschaftlichem Gemeinschaftsverhältnis ab

Das zuvor mit dem Fall befasste Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte noch zu seinen Lasten entschieden. Denn nach Ansicht der Richter war ein Anspruch aus dem verschuldensunabhängigen nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis gegeben. Einen ebenfalls denkbaren deliktischen Anspruch, der ein Verschulden erfordert, hatten die Stuttgarter Richter daher nicht geprüft. Schließlich stand für sie eine ausreichende Anspruchsgrundlage bereits fest.

Der BGH, der in der daraufhin eingelegten Revision (Urteil v. 18.09.2009, Az.: V ZR 75/08) stets nur rechtliche aber keine tatsächlichen Fragen erörtert, hatte den Fall jedoch an das OLG zurückverwiesen und von ihm die Klärung der Verschuldensfrage verlangt. Denn aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis kann sich hier kein Schadensersatzanspruch ergeben. Denn aus dem Anspruch aus dem verschuldensunabhängigen nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis könne ein Nachbar nicht vorab verlangen, dass auf dem angrenzenden Grundstück kein Feuerwerk angezündet wird. Allenfalls könne er darüber die Beseitigung auf seinen Grund gelangter Feuerwerkskörper fordern. Dafür war es hier aber bereits zu spät, da es unmittelbar nach dem Eindringen der Rakete bereits zu brennen begann. Diese konnte also nicht mehr beseitigt werden.

Normalerweise tritt in solchen Fällen dann an die Stelle des Beseitigungsanspruchs ein Ausgleichsanspruch in Form von Geld. Der scheiterte hier aber an einer weiteren wesentlichen Voraussetzung. Der nachbarschaftliche Ausgleichsanspruch ist nur bei spezifischen, mit der Grundstücksnutzung verbundenen Nutzungen einschlägig. Denn vorrangig soll er Schäden aufgrund typischen, mit dem Grundstück zusammenhängenden Verhaltens regeln. Das Silvesterfeuerwerk sei dahingehend keine grundstücksbezogene Nutzung. Denn es wird häufig auch fern vom eigenen Grundstück auf öffentlichen Gehwegen, Straßen und Plätzen abgefeuert. Eine Haftung scheide über diese Anspruchsgrundlage damit aus, entschied der Bundesgerichtshof.

Bei Verschulden Haftung aufgrund Delikts möglich

Hätte der Beklagte allerdings die Scheune vorsätzlich treffen wollen oder die Rakete fahrlässig abgefeuert, dann wäre die Antwort auf die Haftungsfrage sehr wahrscheinlich mit Ja ausgefallen. Zum ebenfalls möglichen Vorwurf, dass der Nachbar schuldhaft fahrlässig gehandelt habe, hätten hier aber auch ein wegen starken Windes vorhersehbarer Richtungswechsel ebenso wie offensichtlich große Öffnungen der Scheune führen können.

In der vom Bundesgerichtshof verlangten erneuten Verhandlung untersuchte das Oberlandesgericht deshalb besonders den Schadenshergang (Urteil v. 09.02.2010, Az.: 10 U 116/09). Allein die Brandlast wie durch Stroh und Getreide in der betroffenen Scheune verbietet dem OLG zufolge noch nicht das Zünden eines Feuerwerks in der Nähe eines solchen Bauwerks. Stattdessen kommt es darauf an, wie das Gebäude nach außen hin abgeschirmt ist. Durch Befragung von Zeugen und des Beklagten sowie der Erörterung des möglichen Eindringens einer Feuerwerksrakete habe bezüglich der Scheune jedoch keine solche erhöhte Brandgefahr bestanden. Ein Eindringen der Rakete in die Scheune durch andere Öffnungen wurde ausgeschlossen. Und selbst wenn es dazu gekommen wäre, wäre ein anschließender Brand selbst dann sehr wahrscheinlich nicht entstanden. Das Eindringen durch die wenige Zentimeter große Spalte wiederum sei für den beklagten Nachbarn nicht erkennbar gewesen. Das OLG lehnte es danach ab, dass er seine Sorgfaltspflicht verletzt habe und wies die Klage der Versicherung ab.

Im Übrigen ist der Umgang fahrlässig, wenn Feuerwerkskörper auf brennbaren Unterlagen gezündet werden. Auch auf feuergefährliche Stoffe in der Nähe sollte man achten. Gerichtsentscheidungen in solchen Fällen sind jedoch stets vom Einzelfall abhängig. Zudem verweist der BGH in einem früheren Urteil darauf, dass vernünftige Menschen, die dem Silvesterfeuerwerk zuschauen, sich auf Gefährdungen einrichten müssen, sofern sie nicht aus Richtungen kommen, aus denen sie sie nicht zu erwarten brauchen (BGH, 09.07.1985 - VI ZR 71/84).

Steht die Verantwortung fest, stehen bei Verletzungen der Gesundheit neben Schadensersatz auch Ansprüche auf Schmerzensgeld im Raum. Wer vorsätzlich Böller und Raketen auf andere wirft oder schießt, dem droht zudem eine Strafe wegen gefährlicher Körperverletzung. Werden sie in einem Gebäude gezündet oder hineingeworfen ist auch ein Strafverfahren zumindest wegen fahrlässiger Brandstiftung denkbar.

(GUE)

Foto(s): ©Adobe Stock/leszekglasner

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