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Freistellung für Weiterbildung – abgelehnt aber gerichtlich durchgesetzt

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion
  • Ordnungsgemäßer Weiterbildungsantrag muss vorliegen
  • Arbeitszeitkonto muss nach Weiterbildung ausgeglichen werden
  • Begriff der politischen Weiterbildung ist weit auszulegen

Viele Arbeitnehmer bilden sich neben der Arbeit weiter – entweder in ihrem Fachgebiet oder in anderen Bereichen. Unter bestimmten Umständen werden Arbeitnehmer dafür von ihrem Arbeitgeber freigestellt und können diese Weiterbildungsangebote während der Arbeitszeit wahrnehmen. Dass dies aber oftmals gar nicht so einfach ist, zeigt dieser aktuelle Fall.

Teilnahme an Seminar beantragt

Ein Verfahrensmechaniker arbeitete seit 2006 in einem Unternehmen mit 1600 Beschäftigten und beantragte am 27.07.2016 seine Freistellung nach § 7 Bildungszeitgesetz Baden-Württemberg (BzG BW) für eine Bildungsmaßnahme „Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“. Den Antrag stellte er bei seinem Arbeitgeber mithilfe des dafür vorgesehenen Formulars für den Zeitraum 25.09.2016 bis 30.09.2016. Zusätzlich fügte er dem Antrag sowohl den Themenplan als auch einen Auszug aus dem Bildungsprogramm/Flyer bei. Durchgeführt wurde das Seminar durch das Bildungszentrum der IG Metall, einer nach § 9 BzG BW anerkannten Bildungseinrichtung. Der Preis für dieses Seminar lag bei 1475,50 Euro.

Freistellung abgelehnt

Der Arbeitgeber lehnte den Antrag des Arbeitnehmers am 03.08.2016 mit der Begründung ab, dass die ausgewählte Bildungsmaßnahme nicht den Anforderungen des § 6 Abs. 1 BzG BW genüge und nicht den Themenbereichen des § 1 BzG BW entspreche. Da der Arbeitgeber eine gerichtliche Klärung wünschte, ob das Seminar als politische Weiterbildung angesehen werden kann, wurde mit dem Arbeitnehmer vereinbart, dass dieser an dem Seminar teilnehmen darf, wenn ihm sein Vorgesetzter dafür Urlaub oder Freizeitausgleich gewährt. Sollte das Seminar als politische Weiterbildung vom Gericht anerkannt werden, bekomme der Arbeitgeber seine Urlaubstage bzw. seine Arbeitsstunden wieder gutgeschrieben.

Klage erfolgreich

Nachdem der Mann für die Teilnahme am Seminar einen Urlaubstag genommen und 28 Arbeitsstunden als Freizeitausgleich eingelöst hatte, klagte er schließlich gegen seinen Arbeitgeber, damit dieser ihm den Urlaubstag und die Arbeitsstunden wieder gutschreibt. Nachdem ihm zunächst das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart Recht gegeben hatte, ging sein Arbeitgeber beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Berufung – allerdings ohne Erfolg.

Das LAG bestätigte das Urteil des ArbG, dass der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf Gutschrift eines Urlaubstags und 28 Arbeitsstunden hat.

Explizit bestätigten die Richter Folgendes:

  • Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Ausgleich des Arbeitszeitkontos nach richterlicher Feststellung des Sachverhalts vorzunehmen, ist rechtmäßig.
  • Der Arbeitnehmer hat einen ordnungsgemäßen Antrag auf Bildungszeit von fünf Arbeitstagen i. S. d. § 3 Abs. 1 BzG BW gestellt.
  • Die Bildungsmaßnahme war für die Allgemeinheit i. S. d. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BzG BW zugänglich.
  • Die Kosten für das Seminar i. H. v. 1475,50 Euro liegen im Rahmen vergleichbarer Seminare und sind nicht unangemessen.
  • Der Begriff der politischen Weiterbildung ist im BzG BW weit auszulegen. Da das Seminar „Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ auch politische Zusammenhänge umfasst, handelt es sich dabei um eine Bildungsmaßnahme gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BzG BW und um politische Weiterbildung i. S. d. § 1 Abs. 4 BzG BW.
  • Das Seminar dient außerdem der Arbeitnehmerweiterbildung nach § 1 Abs. 2 BzG BW.

Aus diesen Gründen war die Berufung des Arbeitgebers erfolglos. Stattdessen muss er dem Arbeitgeber einen Urlaubstag und 28 Arbeitsstunden gutschreiben.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) wurde zugelassen, da das BzG BW erst seit 2015 in Kraft ist und daher noch keine vergleichbaren Fälle verhandelt wurden.

(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 09.08.2017, Az.: 2 Sa 4/17)

(WEI)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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