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Hartz IV: Harte Zeiten für Aufstocker

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Seit dem 1. Januar 2008 gilt für die Berechnung des Einkommens beim Arbeitslosengeld II eine neue Verordnung. Sie bringt harte finanzielle Einschnitte für Hartz IV-Empfänger, die eine selbständige Tätigkeit ausüben und ergänzend Arbeitslosengeld II (ALG II) beziehen. Die Redaktion von anwalt.de stellt die Neuregelungen vor und zeigt, auf welche Kürzungen sich die Betroffenen einstellen müssen.

[image] Weniger Kosten absetzbar 

Für die Berechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft gilt § 3 der „Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 17. Dezember (BGBl. I S 2942)".  Zuständig sind die ARGEn (Arbeitsgemeinschaften aus den früheren Arbeitsagenturen und Sozialämtern der Kommunen), die so genannte Jobcenter einrichten.

Ausgangspunkt sind die Betriebseinnahmen, also die Einnahmen, die dem ALG-II-Empfänger im Bewilligungszeitraum tatsächlich zufließen. Die ARGEn berücksichtigen die tatsächliche Belastung. Jetzt werden also bei der Berechnung beispielsweise monatliche Raten auch jeweils pro Monat als Betriebsausgaben abgezogen. Die vormals geltende Regel, nach der - wie sonst im Steuerrecht üblich - die Kosten auf drei Jahre verteilt veranschlagt werden, gilt nun bei der Berechnung von ALG II nicht mehr. 

Das Einkommen des Betroffenen wird von der ARGE anhand einer Durchschnittsberechnung für den Bewilligungszeitraum ermittelt. Handelt es sich um eine Tätigkeit mit stark schwankendem Einkommen, so wird auch das Einkommen berücksichtigt, das sechs Monate vor Antragstellung erzielt wurde. Die Entscheidung trifft die ARGE vorläufig. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erfolgt dann die Abrechnung, wobei geringfügige Abweichungen zu der vorläufigen Entscheidung bei der endgültigen Festlegung des Durchschnittseinkommens nicht mehr berücksichtigt werden.

Darüber hinaus werden Betriebsausgaben bei der Einkommensberechnung nur berücksichtigt, wenn sie von der ARGE auch als notwendig anerkannt werden. Welche Betriebsausgaben notwendig sind, muss jeweils im Einzelfall vom Sachbearbeiter entschieden werden. Zur Orientierung dient hier eine Durchführungsanordnung der Bundesagentur für Arbeit, die den Oberklassewagen für den Handelsvertreter und den Hochleistungs-PC, mit dem nur Geschäftsbriefe getippt werden, als Beispiele für Luxus-Artikel und überteuerte Betriebsmittel nennt. Kommt der Fallmanager zu der Einschätzung, es handelt sich um ein überteuertes Arbeitsmittel, müssen die Betroffenen mit Rückforderungen der ARGE rechnen. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, sich vor dem Kauf des Betriebsmittels von der zuständigen ARGE schriftlich bestätigen zu lassen, dass es sich hierbei um ein notwendiges Betriebsmittel handelt. 

Für geschäftliche Fahrten mit dem Privatwagen gewährt der Staat nur noch einen Abzug von lediglich 0,10 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Die allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften gelten nach der Verordnung ausdrücklich nicht mehr für Hartz IV-Empfänger. Bei einer selbständigen Tätigkeit, die mindestens 12 Stunden Abwesenheit mit sich bringt, wird eine Pauschale in Höhe von 6 Euro für Verpflegungsaufwand veranschlagt.

 
Erstes Urteil zur Neuberechnung 

Das Sozialgericht Dresden hat am 7. März den ersten Beschluss zu der neuen Anrechnungs-Verordnung getroffen. Eine Hartz IV-Empfängerin hatte Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt, weil ihre Werbungskosten nicht mehr bei der Einkommensberechnung berücksichtigt wurden. Die Sozialrichter wiesen ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab, weil nach ihrer Ansicht die Verordnung rechtmäßig und das Bundesarbeitsministerium auch dazu berechtigt ist, in der Verordnung festzulegen, dass die steuerrechtlichen Vergünstigungen nicht für Hartz IV-Empfänger gelten (Az.: S 5 AS 990/08 ER). 

In der nächsten Zeit ist mit weiteren Urteilen zur Einkommensanrechnung zu rechnen. Zudem stoßen mehrere Einzelregeln bei Fachleuten und Juristen auf verfassungsrechtliche Bedenken, beispielsweise die Anrechnung freier Krankenhausverpflegung, die 6-Euro-Pauschale für Verpflegungsaufwand pro Tag, die beschränkte Absetzungsmöglichkeit für Geschäftsfahrten mit dem Privat-Pkw und zuletzt die pauschale und nicht konkrete Ausgabenanerkennung bei Selbständigkeit durch die ARGEn. 

Gerade weil bereits geringe Beträge für Hartz IV-Empfänger von existenzieller Bedeutung sein können, sollten Betroffene möglichst frühzeitig eine fachkundige Beratung durch einen Rechtsanwalt einholen. Um zu ihrem Recht zu kommen, können Bedürftige Beratungshilfe und notfalls auch Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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