Kündigung während der Schwangerschaft erlaubt?
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Da die Geburtenrate in Deutschland immer weiter sinkt, soll potenziellen Eltern unter anderem mit dem ElterngeldPlus die Familiengründung schmackhaft gemacht werden. Dennoch entscheiden sich viele Frauen nicht bzw. erst spät dazu, ein Kind zu bekommen. Ein Grund ist die Angst, den Arbeitsplatz bzw. die hart erarbeitete Position im Unternehmen wegen der Schwangerschaft zu verlieren. Doch darf der Arbeitgeber einer Schwangeren einfach kündigen?
Kündigung wegen Schwangerschaft in der Regel unwirksam
Grundsätzlich können sich Schwangere nach § 9 Mutterschutzgesetz (MuSchG) – unter anderem auch während der Probezeit und in einem Kleinbetrieb – auf einen besonderen Kündigungsschutz berufen. Danach darf ein Chef das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft sowie innerhalb von vier Monaten nach der Kindsgeburt nämlich nicht kündigen, wenn er zurzeit der Kündigung von der Schwangerschaft wusste bzw. innerhalb von zwei Wochen nach Ausspruch der Kündigung hiervon erfährt.
Allerdings kann nach § 9 III MuSchG in besonderen Fällen auch eine Schwangere entlassen werden, wenn sie etwa erheblich gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstößt. Die Kündigung darf also nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben. Auch darf dem Chef die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb nicht mehr zumutbar sein. In einem solchen Fall benötigt er aber stets eine Erlaubnis zur Kündigung – und zwar von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde. Anderenfalls ist die Kündigung nichtig.
Erneute Kündigung in der Probezeit
Eine Rechtsanwaltsfachangestellte begann im April ihre Arbeit in einer Anwaltskanzlei. Bereits ca. zwei Monate später erhielt sie eine Kündigung – ihr Chef hatte sie wegen mehrfacher krankheitsbedingter Fehlzeiten entlassen. Die Mitarbeiterin informierte nun ihren Vorgesetzten über ihre Schwangerschaft und klagte vor Gericht erfolgreich auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Etwa einen Monat nach der Kündigungserklärung legte die Angestellte ein individuelles Beschäftigungsverbot aufgrund der Schwangerschaft vor, das bis zum 13.12. andauern sollte, da einen Tag später der Mutterschutz begann. Als sie jedoch am 14.12. nicht in der Kanzlei erschien, kündigte der Anwalt seiner Beschäftigten fristlos wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit.
Die Frau zog erneut vor Gericht – schließlich hätte der Chef ihr wegen der Schwangerschaft nicht kündigen dürfen. Neben der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verlangte sie ferner die Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Der Arbeitgeber jedoch erklärte, nicht über den Beginn des Mutterschutzes aufgeklärt worden zu sein. Er sei daher davon ausgegangen, dass die Schwangerschaft bereits beendet wurde und die Frau wieder arbeiten könne. Er habe der Beschäftigten auch nicht wegen der Schwangerschaft gekündigt – im Gegenteil, er habe Schwangere, junge Mütter und Alleinerziehende stets bevorzugt, was frühere Mitarbeiterinnen bezeugen könnten. Eine Diskriminierung liege daher nicht vor.
Junge Mutter gewinnt vor Gericht
Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin verpflichtete den Arbeitgeber nicht nur zur Weiterbeschäftigung der Rechtsanwaltsfachangestellten, sondern auch zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer Diskriminierung nach den §§ 7 I, 1 AGG.
Die Kündigung war nichtig
Der Anwalt hatte eindeutig gegen § 9 III MuSchG verstoßen – er hat einer Schwangeren gekündigt, ohne zuvor die Erlaubnis der zuständigen Schutzbehörde eingeholt zu haben. Diese Pflicht war ihm spätestens seit dem ersten Kündigungsschutzprozess bekannt. Der Anwalt musste die junge Mutter daher weiterbeschäftigen.
Diskriminierung wegen des Geschlechts
Ferner sah das Gericht in dem Verhalten des Anwalts eine geschlechtsbedingte Diskriminierung: So lag eine Diskriminierung bereits deswegen nahe, da der Arbeitgeber seiner Angestellten zweimal gekündigt hat, ohne die Schutzvorschrift des § 9 III MuSchG zu beachten. Die war ihm aufgrund des ersten Prozesses ja bereits bekannt. Dass er sie bei der zweiten Kündigung wieder ignoriert hat, sprach nach Ansicht des Gerichts für eine beabsichtigte Diskriminierung.
Das Argument des Arbeitgebers, zur Zeit der zweiten Kündigung bereits von der Beendigung der Schwangerschaft ausgegangen zu sein, ließen die Richter nicht gelten. Aufgrund seiner Kenntnisse aus dem ersten Prozess hätte er vielmehr davon ausgehen müssen, dass die Schwangerschaft über den 13.12. hinaus andauern wird. Vielmehr hat er – anstatt sich außergerichtlich über den Gesundheitszustand und Schwangerschaftsverlauf der Angestellten zu informieren – die Schwangere nur wenige Wochen vor der Entbindung erneut einem Gerichtsprozess ausgesetzt. Das behauptete Wohlwollen gegenüber Schwangeren, jungen Müttern und Alleinerziehenden war für das Gericht aus diesem Grund nicht ersichtlich. Daran änderte auch die Behauptung des Chefs nichts, andere Mitarbeiterinnen mit Kindern einfühlsamer behandelt zu haben. Er musste der jungen Mutter daher eine Geldentschädigung in Höhe von 1500 Euro zahlen.
(ArbG Berlin, Urteil v. 13.05.2015, Az.: 28 Ca 18485/14)
(VOI)
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