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Mietminderung wegen Großbaustelle: Lärmprotokoll nötig?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Mit der Ruhe im Haus ist es schnell vorbei, wenn in der Nachbarschaft gebaut wird. Je größer die Baustelle ist, umso schlimmer ist auch der Baulärm. Während die Belästigungen einer normalen Neubaustelle in der Regel noch hinzunehmen sind, ist ein gemütliches und entspanntes Wohnen neben einer Großbaustelle nicht mehr möglich. Wollen betroffene Mieter allerdings die Miete mindern, stehen sie vor dem Problem, dass sie den Lärm nachweisen müssen. Doch sind im Fall einer Großbaustelle wirklich Lärmprotokolle bzw. -messungen nötig?

Mieter verlangen Mietrückzahlung

Die Mieter einer Wohnung machten gegen ihre Vermieterin Ansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete geltend. Grund dafür war eine erhebliche Lärmbelästigung aufgrund einer Großbaustelle. Die befand sich genau gegenüber der Mietwohnung und umfasste nicht nur den Abriss alter Gebäude, sondern auch die Errichtung von unter anderem 200 Wohnungen sowie Geschäften, Büros und einem Hotel.

Die Vermieterin erklärte, nicht der Bauherr dieses Großprojekts zu sein und daher gegen den angeblichen Baulärm auch nichts unternehmen zu können. Daraufhin zogen die Mieter vor Gericht. Sie trugen vor, dass sie aufgrund der Baustelle für mehrere Jahre mit Lärmbelästigungen rechnen müssten. Die Mieter legten vor Gericht zwar keine Lärmprotokolle bzw. -messungen vor, machten aber explizite Angaben zu Zeitraum, Umfang und Intensität der Baustelle sowie der Belästigungen.

Nachweis des Baulärms nötig?

Die erste Instanz, das Amtsgericht (AG) München, gab den Mietern recht und hielt für die Dauer der Bauarbeiten eine pauschale Minderungsquote von 15 Prozent für angemessen. Eine höhere Minderungsquote komme allerdings nicht in Betracht, weil sich die Wohnung in der Innenstadt befinde – dort sei auch ohne Baustelle stets mit einem erhöhten Lärmpegel zu rechnen. Gegen die Entscheidung legte die Vermieterin Berufung ein. Schließlich hätten die Mieter den Baulärm nur behauptet, jedoch nicht ordnungsgemäß mittels Lärmprotokollen bzw. -messungen nachgewiesen. Da die Intensität des Baulärms von Tag zu Tag schwanke, sei auch ein pauschaler Minderungswert nicht akzeptabel.

Baulärm rechtfertigt Mietminderung

Das Landgericht (LG) München I bestätigte die Ansicht des AG München und bejahte einen Rückzahlungsanspruch der Mieter aus § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Denn die Miete war aufgrund des Baulärms, der einen Mangel darstellt, um 15 Prozent gemindert.

Kein Lärmprotokoll nötig

Die Mieter hatten – entgegen der Auffassung der Vermieterin – die Lärmbelästigungen ausreichend dargelegt. Ist der Betroffene diesen nämlich immer wieder bzw. andauernd ausgesetzt, muss er lediglich Angaben zur Art der Beeinträchtigungen machen und beschreiben, zu welcher Tageszeit sie wie lange bzw. wie häufig auftreten. Dagegen muss er keine Protokolle führen – das würde ihn zu stark belasten und möglicherweise davon abhalten, seine Rechte geltend zu machen. Das gilt vor allem bei einer Großbaustelle – hier ist aufgrund des Ausmaßes der Bauarbeiten sowie der Nutzung vieler und lauter Baufahrzeuge bzw. Maschinen ohnehin regelmäßig von erheblichen Geräuschemissionen auszugehen.

Vorliegend haben die Mieter ausführlich dargelegt, welches Ausmaß die Baustelle hat und welche Arbeiten durchgeführt werden. Auch die dabei entstehenden Emissionen wurden von den Betroffenen detailliert beschrieben. Diese Angaben genügten dem Gericht – auf einer derart großen Baustelle lassen sich immense Lärmbelästigungen schließlich nicht vermeiden.

Pauschale Minderungsquote ist zulässig

Zwar gibt es auf einer Baustelle auch einmal Tage, an denen mehr oder weniger bzw. gar nicht gearbeitet wird – die Beeinträchtigung durch die Baumaßnahmen schwankt also abhängig von Tag und Uhrzeit. Dennoch hielt das LG München I eine pauschale Minderungsquote für zulässig. Anderenfalls müssten die betroffenen Mieter täglich Lärmmessungen durchführen, um eine taggenaue Minderungsquote festlegen zu können. Das würde sie jedoch – wie auch das Führen von Lärmprotokollen – immens belasten.

Mietminderung war nicht ausgeschlossen

Vorliegend war jedoch problematisch, dass die Vermieterin den Mangel weder verursacht hat noch beseitigen konnte – denn sie war nicht Bauherrin des Großprojekts. In solchen Fällen hat die aktuelle Rechtsprechung entschieden: Die nach Abschluss des Mietvertrags entstandenen Geräuschemissionen stellen keinen Mangel dar, wenn sie auch der Vermieter dulden muss, ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsansprüche gegen den Verursacher geltend machen zu können.

Allerdings muss der Vermieter nachweisen, dass er keine Abwehrmöglichkeiten gegen den Verursacher hat. Diesen Beweis blieb die Vermieterin vorliegend schuldig – damit stellte die Lärmbelästigung einen Mangel dar.

Fazit: Auf Großbaustellen geht es zwangsläufig laut zu. Mieter, die aufgrund des Baustellenlärms die Miete mindern wollen, müssen daher keine Lärmprotokolle führen bzw. Lärmmessungen vornehmen.

(LG München I, Endurteil v. 14.01.2016, Az.: 31 S 20691/14)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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