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Widerspenstige Mutter will Studenten-WG nicht verlassen

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Viele Studenten leben in einer Wohngemeinschaft (WG) – weil es unter anderem günstiger ist, als eine eigene Wohnung anzumieten, sich die WG direkt am Studienort befindet oder man einfach mal von zu Hause raus will. Dennoch lassen es sich viele Mütter nicht nehmen, ihren Nachwuchs regelmäßig in der WG zu besuchen und dort z. B. für sie zu kochen. Das wird von den übrigen WG-Mitgliedern aber zumeist nicht so gerne gesehen. Doch dürfen sie die Mutter einfach aus der WG werfen? Und kann die Mutter Schadenersatz verlangen, wenn sie bei dem Versuch der Polizei, sie aus der Wohnung zu entfernen, verletzt wird?

Mutter macht es sich in einer Studenten-WG bequem

Während sich ihr Sohn und dessen Freundin im Urlaub befanden, sollte sich eine Mutter um die Haustiere des Paars kümmern. Hierzu hatte sie die Wohnungsschlüssel zur Studenten-WG erhalten, in der ihr Kind lebte. Die Mutter versorgte während der Abwesenheit ihres Sprösslings aber nicht nur die Tiere, sondern wohnte deswegen tagelang in seinem Zimmer und nutzte dementsprechend die WG-Gemeinschaftsräume, wie Bad und Wohnzimmer. Ein weiterer Student fühlte sich aufgrund der dauernden Anwesenheit der Mutter unwohl und forderte sie deshalb zum Verlassen der Wohnung auf.

Die renitente Frau weigerte sich jedoch – sie habe schließlich das Recht, sich in der Wohnung aufzuhalten, weil sie die Tiere ihres Sohnes versorge. Als der Mitbewohner die Polizei rief, leistete die Frau auch den Beamten Widerstand. Zu ihrer Unterstützung wollte sie sogar ihren Ehemann in die Wohnung holen, was die Polizei nur im Rahmen einer Rangelei verhindern konnte. Hierbei verletzte sich die Mutter. Nachdem sie unter Zwang die Räumlichkeiten verlassen hatte, verlangte sie gerichtlich Schadenersatz vom zuständigen Bundesland als Träger der Polizei. Die Ordnungshüter hätten sie nicht – unter Anwendung von Gewalt – vor die Tür setzen dürfen.

Mitbewohner einer WG üben Hausrecht aus

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm verneinte einen Anspruch der Mutter nach den §§ 839 I 1, 253 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz.

Mieter darf Zutritt zur Wohnung verweigern

Die Polizisten haben nicht pflichtwidrig gehandelt, sondern auf berechtigte Weise das Hausrecht des Mitbewohners geschützt. Das Hausrecht an einer Wohnung steht jedem zu, der sie tatsächlich bewohnt und berechtigt besitzt, z. B. aufgrund eines Mietvertrags. Das bedeutet im Fall einer WG, dass sämtliche Mieter frei entscheiden können, wer ihre Wohnung betreten darf und wer nicht – was natürlich dazu führen kann, dass ein Mitbewohner jemanden „ins Haus“ lässt, den ein anderer Mitbewohner nicht leiden kann. Der Gast darf sich dann zwar grundsätzlich in den Gemeinschaftsräumen aufhalten, dagegen nicht in die privaten Zimmer der WG-Mitglieder spazieren. Hier darf der jeweilige Mieter den Zutritt verweigern.

Studenten-WG ist nichts für Ältere

Unter Umständen darf ein Mitbewohner aber auch verlangen, dass der Gast die Wohnung verlassen muss. Schließlich hat er ein Recht auf Achtung seiner Privatsphäre.

Zwar durfte der Sohn als Mitmieter der Studenten-WG seiner Mutter die Wohnungsschlüssel geben und ihr Zutritt zu den Räumlichkeiten verschaffen, damit sie die Haustiere versorgen kann. Das berechtigte sie aber nicht dazu, dauerhaft in der Wohnung zu bleiben. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die WG vorliegend aus Studenten bestand – Angehörige älterer Generationen halten sich dort generell nicht dauerhaft auf.

Vielmehr besteht eine Studenten-WG zumeist durchweg aus jüngeren Personen, die sich z. B. noch in der Ausbildung oder im Studium befinden. Die Mitglieder einer WG suchen sich ihre neuen Mitbewohner selbst aus, was vertraglich – etwa mittels Untermietvertrag – fixiert wird. Es ist daher gar nicht möglich, einfach einen Mitbewohner einseitig auszutauschen. Auch wäre es nicht zumutbar, ihnen plötzlich eine „ältere Person“ als neuen Mitbewohner zu präsentieren.

Mutter verletzte Hausrecht des WG-Mitglieds

Vorliegend hatte die Mutter das Hausrecht des WG-Mitglieds verletzt, weil sie sich nicht nur dauerhaft in der WG aufhielt, sondern diese auch nicht verließ, als sie dazu aufgefordert wurde. Die herbeigerufenen Polizisten durften daher einen Platzverweis aussprechen und diesen unter Anwendung einfacher körperlicher Gewalt auch durchsetzen. Schließlich hatte die Frau bereits sämtliche Voraussetzungen eines Hausfriedensbruchs nach § 123 Strafgesetzbuch erfüllt. Andere Möglichkeiten, die Mutter schnell aus der Wohnung zu bekommen, standen auch nicht zur Verfügung.

Damit hat die Polizei rechtmäßig gehandelt. Im Übrigen – so das Gericht – ist die Frau nicht gezielt von einem Beamten geschlagen worden. Sie hat sich die Verletzungen vielmehr selbst eingehandelt, als es an der Wohnungstür zu der Rangelei mit den Beamten kam.

Fazit: Allein der Mieter entscheidet darüber, wer die Wohnung betreten darf. In einer WG steht dieses sog. Hausrecht jedem Mitbewohner zu. Verlässt ein Gast die Wohnung freiwillig nicht mehr, kann er unter Umständen von den Mietern mit Polizeigewalt aus der Wohnung gewiesen werden.

(OLG Hamm, Urteil v. 22.01.2016, Az.: 11 U 67/15)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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