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Darf der Chef seine Angestellten aus dem Urlaub zurückrufen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Endlich Urlaub – der Koffer ist gepackt, der Flug und das Hotel gebucht und die Vorfreude auf die bevorstehende Reise groß. Doch ein Anruf vom Arbeitgeber kann ausreichen, um diesen Traum vom Urlaub zerplatzen zu lassen. Verständlicherweise ist der Ärger groß, wenn man sich nicht auf den Weg in den wohlverdienten Urlaub machen kann, sondern zurück zum Unternehmen fahren muss, um zu arbeiten. Doch darf der Chef das einfach so? Schließlich hat er selbst den Urlaub doch einst genehmigt.

Erholungsurlaub – was ist das?

Jeder Beschäftigte hat gemäß § 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Anspruch auf sog. Erholungsurlaub. In dieser Zeit erhält er zwar weiterhin seinen Lohn – und je nach Vereinbarung auch ein sog. Urlaubsgeld –, muss aber dafür nicht arbeiten. Er kann sich also von der getanen Arbeit vielmehr erholen und seinen Tagesablauf frei gestalten.

Zu beachten ist jedoch, dass der gesetzliche Erholungsurlaub „nur“ 20 Tage beträgt, wenn der betreffende Angestellte fünf Tage in der Woche arbeitet. Wer § 3 I BUrlG liest, wird zwar auf einen Urlaubsanspruch von 24 Tagen stoßen. Der gilt aber nur, wenn der Beschäftigte sechs Tage in der Woche arbeitet, vgl. § 3 II BUrlG. Heruntergerechnet auf die Fünftagewoche ergibt sich somit der Urlaubsanspruch von 20 Tagen (24 / 6 x 5).

Oft gewähren Arbeitgeber aber freiwillig mehr als 20 Urlaubstage. Der sog. vertraglich vereinbarte Mehrurlaub wird dabei regelmäßig im jeweiligen Arbeitsvertrag oder im geltenden Tarifvertrag geregelt.

Widerruf der Urlaubsgenehmigung zulässig?

Hat der Arbeitgeber einem Angestellten den Urlaub bereits genehmigt, kann er seine Entscheidung nicht ohne Weiteres widerrufen, auch wenn der Urlaub noch gar nicht angetreten wurde. Die Parteien können sich aber einvernehmlich darauf einigen, den Urlaub zu verschieben.

Ansonsten kann der bereits genehmigte Urlaub nur im Notfall widerrufen werden. Von einem solchen Notfall ist aber noch nicht auszugehen, wenn Personalmangel herrscht. Schließlich hat es der Arbeitgeber ja selbst in der Hand, wie vielen und welchen Beschäftigten er zu welchem Zeitpunkt Urlaub genehmigt – er kann somit personelle Engpässe grundsätzlich selbst verhindern bzw. rechtzeitig für Vertretung sorgen.

Eine derartig zwingende und unvorhersehbare Notwendigkeit, die den Widerruf des genehmigten Urlaubs rechtfertigt, liegt daher nur in extremen Ausnahmefällen vor, z. B. wenn der urlaubsreife Beschäftigte die einzige Person ist, die eine bestimmte Maschine betätigen kann, die zu erledigende Arbeit unaufschiebbar ist und anderenfalls die Gefahr besteht, dass der Betrieb zusammenbricht.

Dürfen Beschäftigte aus dem Urlaub zurückgerufen werden?

Hat der Beschäftigte seinen Urlaub bereits angetreten und z. B. die heimischen Gefilde längst verlassen, ist es für seinen Arbeitgeber auch nicht sonderlich leicht, ihn vor der planmäßigen Heimkehr zurückzurufen.

Denn auch hier muss ein Notfall vorliegen, der es rechtfertigt, dass der Beschäftigte mit Sack und Pack aus dem Urlaub heimkehren muss. Schließlich trifft den Angestellten eine sog. Treuepflicht gegenüber seinem Arbeitgeber. Allerdings muss dieser im Fall des Rückrufs die Ausgaben tragen, die dem Beschäftigten aufgrund des Urlaubsabbruchs entstehen, z. B. höhere Flugkosten oder Ersatz der Hotelkosten.

Aber: Eine vor Urlaubsantritt geschlossene Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber den Urlaub nur unter Vorbehalt gewährt und seinen Angestellten jederzeit zurückrufen kann, ist unzulässig, vgl. § 13 BUrlG. Das gilt zumindest dann, wenn sich der Beschäftigte gerade im gesetzlichen Erholungsurlaub befindet. Die damit bezweckte Erholung und selbstständige Planung der eigenen Freizeit ist nämlich nicht möglich, wenn der Angestellte seine Ferien abbrechen muss, um vorzeitig zur Arbeit zurückzukehren. Eine derartige Arbeitsbereitschaft würde gegen zwingendes Urlaubsrecht verstoßen.

Dagegen kann der Rückruf aus dem vertraglich vereinbarten Mehrurlaub durchaus zulässig sein. Weil der Mehrurlaub nicht den Regelungen des BUrlG unterfällt, können die Parteien aufgrund der sog. Vertragsfreiheit einen sog. Rückruf vereinbaren – allerdings muss diese Absprache noch vor Urlaubsantritt erfolgen. In diesem Fall sollten die Vertragsparteien allerdings stets explizit klären, dass es sich bei dem nunmehr gewährten Urlaub um den vertraglich vereinbarten Mehrurlaub handelt.

Urlaubsantritt trotz Widerrufs – ist das erlaubt?

Hat der Arbeitgeber den gesetzlichen Erholungsurlaub zunächst genehmigt und später grundlos widerrufen, kann der Beschäftigte trotzdem der Arbeit fernbleiben. Hier liegt keine unzulässige Selbstbeurlaubung vor – schließlich wurde der Urlaub ordnungsgemäß gewährt und der Beschäftigte macht nur von seinem Recht nach dem BUrlG Gebrauch. Der Arbeitgeber darf in dieser Situation also weder abmahnen noch kündigen, ansonsten läge ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor.

Sie wurden zwar nicht aus dem Urlaub zurückgerufen, sollen aber z. B. auch am Strand oder am anderen Ende der Welt zwischen Städtetouren und Safari rund um die Uhr erreichbar sein? Dann könnte Sie der Rechtstipp „Erreichbarkeit durch den Arbeitgeber in der Freizeit?“ interessieren.

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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