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Festgenommener Journalist Mansour – Wonach richtet sich eine Auslieferung?

  • 6 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Der ägyptische Journalist Ahmed Mansour befindet sich in Auslieferungshaft. Mansour war am Samstag auf dem Flughafen Berlin-Tegel festgenommen worden. 2014 hatte ihn ein ägyptisches Gericht in Abwesenheit zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. Zusammen mit Muslimbrüdern soll er 2011 auf dem Kairoer Tahrirplatz einen Anwalt gefoltert und sexuell genötigt haben. Ägypten hat Deutschland daher um seine Auslieferung ersucht. Mansour selbst streitet die Tat ab und spricht von einem „absurden und fabrizierten“ Urteil.

Fragwürdige Festnahmegründe

Es wird vermutet, dass der wahre Hintergrund politischer Art ist. Der arabische Fernsehsender Al-Jazeera, für den der 52-Jährige arbeitet, berichtet immer wieder kritisch über die ägyptische Regierung unter dem Präsidenten as-Sisi. Der Militär war 2013 durch einen Militärputsch an die Macht gelangt. In der Vergangenheit wurden bereits Kollegen Mansours in Ägypten festgenommen. Angesichts der fragwürdigen Umstände soll im Folgenden das nicht alltägliche Auslieferungsverfahren dargestellt werden. Wie läuft eine Auslieferung überhaupt ab? Was kann ein Betroffener tun? Und welche rechtlichen Grenzen könnten hier greifen?

Kein Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und Ägypten

Rechtsschutz und förmliches Verfahren regelt vor allem das „Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen“ – kurz IRG. Ergänzend gelten das Gerichtsverfassungsgesetz und die Strafprozessordnung. Das IRG gilt nur für Ausländer. Grund ist, dass nach Art. 16 Abs. 2 Grundgesetz kein Deutscher ans Ausland ausgeliefert werden darf. Nur durch Gesetz ist die Auslieferung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof möglich, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.

Ansonsten gehen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Vorschriften des IRG vor. Entsprechende Auslieferungsabkommen zwischen Ägypten und Deutschland gibt es jedoch nicht.

Umstrittener Festnahmegrund

Die vorläufige Auslieferungshaft setzt kein Auslieferungsersuchen voraus. Sie hätte auch aufgrund eines internationalen Haftbefehls erfolgen können. Medienberichten zufolge hat Interpol den Erlass eines solchen jedoch im vergangenen Oktober abgelehnt. Laut Bundespolizei soll jedoch Grundlage der Festnahme ein Haftbefehl gewesen sein. Mansours Anwalt spricht jedoch nur vom Vorliegen eines Auslieferungsersuchens. Bereits diese unterschiedlichen Ansichten werfen erhebliche Fragen auf. In jedem Fall ist ein Verfolgter freizulassen, wenn bei einer Auslieferung an einen außereuropäischen Staat zwei Monate nach der Ergreifung kein Ersuchen zusammen mit Auslieferungsunterlagen beim Bundesjustizministerium eingegangen ist.

Ansonsten prüft der Bundesjustizminister das Auslieferungsersuchen unabhängig von einem bestehenden Tatverdacht. Sofern demnach keine zwischenstaatliche Verpflichtung zur Auslieferung besteht, lehnt der Bundesjustizminister das Ersuchen in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt ab. Erklärt er seine Bereitschaft kommt ein völkerrechtlicher Vertrag im jeweiligen Einzelfall zustande. Es folgt dann das förmliche Auslieferungsverfahren.

Haftprüfung spätestens am Tag nach der Festnahme

Zu allererst muss jedoch spätestens am Tag nach der Ergreifung ein erster Haftprüfungstermin stattfinden. Zuständig dafür ist das Amtsgericht am Aufenthaltsort – hier das Berliner Amtsgericht Tiergarten. Dieses muss die Identität des Festgenommenen feststellen. Außerdem hat es die Haftvoraussetzungen zu prüfen. Bei der vorläufigen Auslieferungshaft muss eine zuständige Stelle des ersuchenden Staates darum ersucht haben oder ein dringender Tatverdacht bestehen. Liegt ein Auslieferungsersuchen vor, muss die Gefahr bestehen, dass der Festgenommene sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung möglicherweise entzieht oder aufgrund bestimmter Tatsachen der dringende Verdacht begründet ist, dass der Verfolgte die Ermittlung der Wahrheit in dem ausländischen Verfahren oder im Auslieferungsverfahren erschweren werde. Andernfalls muss sich der Amtsrichter bei Zweifeln daran mit der Generalstaatsanwaltschaft verständigen oder, wenn das nicht möglich ist, den Festgenommenen freilassen. Im Fall Mansours ist es dazu nicht gekommen, weshalb nun das Kammergericht Berlin entscheiden muss.

Ansonsten kann, wenn ein Festgenommener damit einverstanden ist, auch eine vereinfachte Auslieferung stattfinden. Dann entfällt das sich anschließende förmliche Auslieferungsverfahren. Das Einverständnis dient insofern der Beschleunigung. Für von einer Auslieferung Bedrohte macht es nur Sinn, wenn sie sich guten Gewissens den Vorwürfen im Ausland stellen wollen. Denn einmal erklärt ist das Einverständnis unwiderruflich.

Oberlandesgericht muss entscheiden

Im weiteren Verlauf muss die zuständige Staatsanwaltschaft die Zulässigkeitsprüfung beim örtlichen Oberlandesgericht (LG) beantragen. In Berlin ist das als Kammergericht bezeichnete Oberlandesgericht zuständig. Es muss die Zulässigkeit der Auslieferung prüfen. Die Rechtmäßigkeit ausländischer Urteile muss indes nicht überprüft werden.

Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht 2005 aufgrund der Verfassungsbeschwerde eines ebenfalls mit Auslieferung nach Ägypten bedrohten Mannes bei Urteilen in Abwesenheit erhöhte Anstrengungen verlangt (Beschluss v. 04.07.2005, Az.: 2 BvR 283/05). Eine Auslieferung ist unzulässig, wenn ein Verfolgter über das Verfahren weder in irgendeiner Weise unterrichtet war noch ihm eine tatsächliche wirksame Verteidigungsmöglichkeit eröffnet war. Das Bundesverfassungsgericht spricht hier von Mindestrechten der Verteidigung in einem neuen Verfahren. Der um Auslieferung ersuchende Staat muss dies zusichern. Dies ist angesichts der zuletzt bekannt gewordenen im Schnellverfahren durchgeführten Massenverurteilungen in Ägypten jedoch fragwürdig.

Zulässigkeitsbedingungen einer Auslieferung

Auch ohne ansonsten zwingend vorgeschrieben Rechtsmäßigkeitsprüfung stellt das IRG Bedingungen für eine zulässige Auslieferung auf. Es muss für die Taten eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr nach deutschem Recht drohen. Sexuelle Nötigung, die Mansour angeblich begangen haben soll, ist nach § 177 StGB insofern mit einer solchen Mindeststrafe bedroht. Bei der ebenfalls vorgeworfenen Folter ist das ohne nähere Details unklar, da das deutsche Strafrecht eine direkte Straftat wegen Folterns nicht kennt.

Keine Auslieferung bei Gefahr einer politischen Verfolgung

Zu den weiteren einzuhaltenden Voraussetzungen für eine zulässige Auslieferung gehört zum einen die Einhaltung der Gegenseitigkeit nach § 5 IRG. Demnach muss aufgrund der vom ersuchenden Staat gegebenen Zusicherungen erwartet werden können, dass dieser einem vergleichbaren deutschen Ersuchen entsprechen würde. Entscheidend ist auch der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit. Nach § 3 IRG muss das vorgeworfene Verhalten nach dem Recht des um Auslieferung ersuchenden wie nach deutschem Recht eine rechtswidrige Straftat darstellen. In Bezug auf die angebliche Folter und sexuelle Nötigung wäre das der Fall. Sollte es um die Verbreitung von Unwahrheiten gehen, die die innere Sicherheit Ägyptens gefährdeten, wie es Mansours Anwalt darstellt, wäre das aufgrund der Meinungsfreiheit anders zu bewerten.

Droht vor Ort die Todesstrafe, darf eine Auslieferung zudem nur erfolgen, wenn der jeweilige Staat zusichert, dass die Todesstrafe nicht verhängt bzw. vollstreckt wird. Die Verurteilung in Abwesenheit lautete hier auf 15 Jahre. Wegen der gerichtlichen Praxis mit massenhaft erfolgten Verurteilungen zum Tode durch ägyptische Gerichte ist auch diese Anforderung kritisch zu betrachten.

Des Weiteren setzt eine zulässige Auslieferung die Zusicherung der sog. absoluten Spezialität nach § 11 IRG voraus. Die spätere strafrechtliche Verfolgung darf demnach nur wegen solcher Straftaten, wegen derer die Auslieferung bewilligt wurde bzw. der nachträglich zugestimmt wird, erfolgen. Der Auslieferungsstaat muss dies im jeweiligen Fall verbindlich zugesichert haben. Der Grundsatz ist jedenfalls verletzt bei Gefahr einer politischen Verfolgung. Denn bei ernsthafter Annahme, dass ein Verfolgter im Fall seiner Auslieferung wegen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Anschauungen verfolgt oder bestraft wird oder seine Lage aus einem dieser Gründe erschwert werden würde, verbietet sich eine Auslieferung. Dies ist der entscheidende Punkt, den das Kammergericht besonders genau zu prüfen hat.

Betroffene haben während des ganzen Verfahrens die vollen Beteiligungsrechte. Außerdem ist bei schwieriger Sach- und Rechtslage, bei nicht hinreichender Wahrnehmung eigener Rechte und wenn ein Verfolgter minderjährig ein Rechtsbeistand notwendig beizuordnen, egal wie schwer sich die vorgeworfene Tat darstellt. Des Weiteren muss unter anderem alle zwei Monate eine automatische Haftprüfung stattfinden.

Bundesjustizministerium entscheidet im nächsten Schritt

Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist unanfechtbar und lässt sich nicht mit den üblichen Rechtsmitteln angreifen. Gegen ihn können Betroffene jedoch Verfassungsbeschwerde erheben. Kommt das OLG dabei zum Schluss, dass die Auslieferung unzulässig ist, muss diese bleiben.

Hat es andernfalls eine zulässige Auslieferung bejaht, muss das Bundesjustizministerium zusammen mit dem Auswärtigen Amt und anderen betroffenen Behörden über deren Bewilligung entscheiden. Anders als im Zulässigkeitsverfahren hat der Betroffene in diesem Bewilligungsverfahren keine Beteiligungsrechte.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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