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Kleiner Fehler, großer Schaden: Produkthaftung versichern

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Bei Produkthaftung denken viele spontan an Rückrufaktionen von Autoherstellern. Auslöser ist nicht selten ein kleines, fehlerhaftes Bauteil eines Zulieferers. Ursache dafür können wiederum Fehler anderer Unternehmen in der Lieferkette sein. Das Beispiel zeigt einerseits ein erhebliches Risiko unserer zunehmend arbeitsteiligen Wirtschaft. Andererseits gilt besonders bei Massenprodukten der Zusammenhang kleiner Fehler, große Wirkung. Angesichts der astronomischen Kosten, die ein Rückruf nach sich zieht, stellen sich Fragen nach deren Versicherbarkeit.

Haftung verschuldensunabhängig

Noch schlimmere Folgen haben Produktfehler nur, wenn Dritte tatsächlich geschädigt wurden. Sie können unabhängig vom Verschulden des Fehlers Ersatz für erlittene Sach-, Personenschäden und darauf beruhende Folgeschäden verlangen. Denn laut Produkthaftungsgesetz reicht es, ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr zu bringen - das heißt, es anderen willentlich und bewusst zu überlassen. Andere sind dabei neben Endkunden auch weiterverarbeitende Betriebe und deren Mitarbeiter.

Was die Art des Produkts betrifft, macht das Produkthaftungsgesetz keine Einschränkungen. Es umfasst alle möglichen Produkte und sogar Elektrizität. Nur Arzneimittel sind ausgenommen. Die dadurch sehr weite Produkthaftung trifft zudem Hersteller wie Händler. Außen vor ist nur, wer nicht direkt in den Herstellungsprozess eingebunden ist, beispielsweise bloße Reparaturbetriebe. Wiederum miteinbezogen ist aber, wer Arbeiten wie die Montage, Verpackung bis hin zur Erstellung von Anleitungen erbringt. Entsprechende Schadensfälle abdecken sollen Produkthaftpflichtversicherungen.

Produkthaftpflicht-Modell

Deren Versicherungsbedingungen regelt dabei das sogenannte Produkthaftpflicht-Modell (PHM), das die Versicherer ihren Verträgen regelmäßig zugrunde legen. Das PHM deckt jedoch nicht alle denkbaren Produkthaftungsfälle ab. So beinhaltet das Modell keine Versicherung der eingangs erwähnten Rückruffälle. Das mag verwundern, liegt aber daran, dass nur Dritten tatsächlich entstandene und nicht bloß vermiedene Schäden aufgrund der gesetzlichen Produkthaftpflicht versichert sein sollen. In Form spezieller Rückrufpolicen ist eine Versicherung jedenfalls möglich.

Vom PHM umfasst sind in jedem Fall Sach- und Personenschäden durch vom Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte und in den Verkehr gelangte Erzeugnisse oder von ihm erbrachte und abgeschlossene Arbeiten - z. B. die bereits erwähnte Montage - und sonstige Leistungen. Mitversichert sind dabei laut PHM auch Schäden aus der Vergabe an Subunternehmer.

Abgrenzung zur Betriebshaftpflicht

Die Produkthaftpflichtversicherung bildet das Pendant zur Betriebshaftpflichtversicherung. Diese versichert das Betriebsstättenrisiko und deckt allein betriebsinterne Haftpflichtfälle ab. Die Abgrenzung, wann welche Versicherung zum Zug kommt, zeigt dabei folgendes Beispiel: Eine Firma montiert eine Maschine beim Auftraggeber. Bei ihrem Anschluss kommt es zu einem Brand, der auf andere Betriebsteile übergreift: Die Betriebshaftpflicht ist zuständig. Kam es hingegen erst nach abgeschlossenen Arbeiten bei der Inbetriebnahme zum Schaden, weil die Maschine fehlerhaft angeschlossen wurde, ist die Produkthaftpflichtversicherung einschlägig. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs vertreiben Versicherer eine Produkthaftpflichtversicherung grundsätzlich nur mit einer Betriebshaftpflichtversicherung auf die die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) im Zusammenspiel mit dem PHM Anwendung finden.

Erweiterte Produkthaftpflicht

Im Übrigen beinhaltet das PHM sogenannte Bausteine, mit der sie sich besser an das zu versichernde Unternehmen anpassen lässt. Das macht besonders Sinn für vorproduzierende bzw. zwischenverarbeitende Betriebe. So lässt sich etwa ein in einem anderen Betrieb entstandener Sachschaden umfassender versichern, indem die Versicherung auch produktionsausfallbedingte Umsatzeinbußen und damit eigentlich nicht versicherbare Vermögensschäden ersetzt. Beispiel wäre ein falsch geliefertes Vorprodukt, durch das eine Maschine ausfällt. Weiteres Beispiel ist, wenn diese statt wie zugesichert 100 Teile pro Tag nur 90 produziert.

Ein erweiterter Schutz besteht auch bei Verbindungs-, Vermischungs- und Verarbeitungsschäden, die die Kosten für die Herstellung des Gesamtprodukts in die Höhe treiben, weil es nachbearbeitet oder entsorgt werden muss bzw. nur mit Abschlägen zu verkaufen ist. Ein weiterer Baustein deckt besonders entstehende Aus- und Einbaukosten ab. Neben diesen Bausteinen existieren zahlreiche weitere. Sie werden zur Vermeidung von Deckungslücken in der Regel pauschal vereinbart. Daneben gibt es einen Baustein speziell für Hersteller von Maschinen. Extra versicherbar sind zudem Prüf- und Sortierkosten, um einen Schaden überhaupt einzugrenzen. Diese Kosten muss der Versicherungsnehmer normalerweise selbst tragen, da das Grundmodell nur die eigentlichen Produkthaftpflichtschäden abdeckt.

Auslandsschutz nur extra

Gesondert zu vereinbaren ist zudem ein Auslandsschutz. Dieser ist vor allem für Exportunternehmen sinnvoll. Zu bedenken ist, dass das Produkthaftungsrecht des jeweiligen Landes gilt. Dieses ist in den USA beispielsweise wesentlich strenger als hierzulande ausgestaltet.

Serienschadenklausel

Für Hersteller großer Stückzahlen beinhaltet das PHM eine Serienschadenklausel. Diese begrenzt die Deckung, wenn ein bestimmter Produktfehler zur massenweisen Produktion fehlerhafter Produkte führt. Solche Serienschäden gelten dann als einzelnes Schadensereignis, für die die Deckungssumme nicht in jedem einzelnen Fall, sondern in der Regel nur einmal ausgeschöpft werden kann.

Letztlich entscheidet immer der Versicherungsvertrag, der Abweichungen vom PHM möglich macht. Wichtig ist in jedem Fall die genaue Aufnahme der versicherten Abläufe im Versicherungsvertrag, um Deckungslücken auszuschließen.

Verträge mit Geschäftspartnern

Gehen Verträge des Versicherungsnehmers mit Geschäftspartner über das Gesetz hinaus - vereinbaren sie z. B. eine länger als im Gesetz vorgesehene Verjährung -, dann ist dennoch das Gesetz Maßstab für die Versicherungsleistung. Vertragsvereinbarungen, die hinter dem gesetzlich Möglichen bleiben, kommen dem Versicherer hingegen nicht zugute.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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