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Grundrechte: Welche gibt es und wie gelten sie?

  • 12 Minuten Lesezeit
Grundrechte - was Sie wissen und beachten müssen!

Unsere Grundrechte sind als eine der tragenden Säulen im demokratischen Rechtsstaatssystem der Bundesrepublik wohl jedem ein Begriff. Doch die einzelnen Grundrechte selbst, ihre Funktion und die Möglichkeiten, sie geltend zu machen, kennen viele Bürger nicht. 

Geschichtlicher Hintergrund und Entwicklungsgeschichte

Die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten lässt sich schon an ihrer Entstehungsgeschichte erkennen. Sie stehen im engen Zusammenhang mit den Menschenrechten, die nach Ansicht von Rechtsphilosophen als „naturgegebene“ und unumstößliche Rechtsgrundsätze immer stärker sind als jedes von Menschen erlassene Gesetz und über ihm stehen.

Meilensteine in der Entwicklung der Grundrechte waren bereits 1679 die Einschränkung des königlichen Verhaftungsrechtes (Habeas corpus) und 1689 die „Bill of Rights“ in England. 1776 fanden Grundrechte ihre Verankerung in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten sowie 1789 in Frankreich mit der berühmten Proklamation der Menschenrechte „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.

In Deutschland wurden Grundrechte erstmals verbindlich in der sogenannten Frankfurter Reichsverfassung 1848 festgehalten. Sie trat jedoch wegen der Weigerung des damaligen preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. nie in Kraft.

Die Reichsverfassung von 1871 enthielt dagegen keine Grundrechte mehr. Erst die Weimarer Verfassung nahm sie als nicht zwingende Zielsetzungen für den Gesetzgeber wieder auf.

Vor dem Hintergrund der vielen Mängel der Weimarer Verfassung (WRV) wurden die Grundrechte im neu ausgearbeiteten Grundgesetz (GG) von 1949 bewusst an den Anfang gestellt. Unter der Überschrift „Die Grundrechte“ sind sie in den Artikeln 1 bis 19 festgehalten. Außerhalb dieses Katalogs sind weitere Grundrechte in Artikel 101, 103 sowie 104 GG verankert.

Definition der Grundrechte

Als Grundrechte bezeichnet man die verfassungsrechtlich gesicherten und unverbrüchlich zugesicherten Elementarrechte, die der Einzelperson zustehen. Sie sind nicht nur Schutz- und Abwehrrechte gegenüber der staatlichen Gewalt, sondern können auch das Recht zur Teilhabe an staatlichen Leistungen beinhalten.

Die Grundrechtsarten

Die Grundrechte lassen sich nach ihrer Funktion oder auch den Personen, denen sie zustehen, unterscheiden.

So gibt es die Gruppe der „Freiheitsrechte“, deren primäres Ziel die Ermöglichung größtmöglicher Freiheit des Einzelnen ist. Dazu gehören etwa die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG), die Freiheit der Person, die freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG), die Versammlungsfreiheit (Art.8 GG) oder auch das Recht, sich beliebig im Gebiet der Bundesrepublik zu bewegen, aufzuhalten oder niederzulassen (Art. 11 GG, Recht der Freizügigkeit).

Unverletzlichkeitsrechte schützen daneben das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), oder auch die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

Überwiegend stehen die Grundrechte des Grundgesetzes jedermann zu, d. h. auch Ausländern oder Staatenlosen. Einige jedoch werden nur Deutschen gewährt, so etwa die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG).

Manche Grundrechte, wie etwa Gleichheitsgrundrechte (Art. 3 GG) oder die Garantie des Eigentums (Art.14 GG) gelten nicht nur für Menschen als natürliche Personen, sondern auch für inländische juristische Personen (z. B. Kapital- oder Personengesellschaften), wenn sie ihrem Wesen entsprechen.

Daneben gibt es die institutionellen Garantien, die nicht dem Einzelnen individuelle Rechte verleihen, jedoch die Einrichtung als solche garantieren. Dazu gehören das Institut der Ehe und Familie (Art. 6 GG), das Brief-, Post, und Fernmeldegeheimnis (Art 10 GG), das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) oder auch das Erbrecht (Art. 14 GG).

Manche Grundrechte entfalten ihre Schutzwirkung bereits vor der Geburt eines Menschen. So wird etwa auch ein ungeborenes Kind im Leib der Mutter sowohl durch das Recht der Menschenwürde des Art. 1 GG als auch durch das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 GG geschützt. Auf der anderen Seite können sie auch bis nach dem Tod des Rechtsinhabers fortwirken. So darf ein Mensch auch nach dem Tod nicht herabgewürdigt oder erniedrigt werden (Mephisto-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidungssammlung 30, 137/194).

Grundrechtsgleiche Rechte

Neben dem Grundrechtskatalog in Art. 1–19 GG gibt es eine Reihe weiterer Rechte, die als grundrechtsgleiche Rechte angesehen werden. Diese besitzen zwar Verfassungsrang, sind aber keine eigentlichen Grundrechte. Um sie durchzusetzen, ist aber dennoch eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht zulässig. Welche Rechte als grundrechtsgleiche Rechte gelten, ist in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG festgelegt.

Bindungswirkung der Grundrechte

Die im Grundgesetz verankerten Grundrechte sind keine bloßen Zielsetzungen wie noch in der Weimarer Reichsverfassung, sondern binden gemäß Art. 1 Abs. 3 GG alle drei öffentlichen Gewalten, nämlich den Gesetzgeber (Legislative), die vollziehende Gewalt (Exekutive) sowie die Rechtsprechung (Judikative). Werden durch staatliche Maßnahmen einer dieser Gewalten die Grundrechte verletzt, so kann diese Verletzung vom betroffenen Grundrechtsinhaber durch die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) gerügt werden.

Wird sogar die demokratische, verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik angegriffen, so steht allen Deutschen auch das Recht zum Widerstand zu, wenn keine andere Abhilfe möglich ist (Art. 20 Abs.4 GG).

Die Geltung der Grundrechte unmittelbar zwischen Privatpersonen wird abgelehnt. Sie finden ihren Niederschlag jedoch in den allgemeinen Gesetzen, die der Gesetzgeber schließlich nur unter Beachtung der Grundrechte erlassen konnte.

Einschränkung von Grundrechten und Ewigkeitsgarantie

Eine Einschränkung der Grundrechte ist nur dann möglich, wenn ihnen selbst bereits im Grundgesetz diese Möglichkeit anhaftet. So dürfen manche durch oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, jedoch niemals soweit, dass ihr Wesensgehalt angetastet würde (Verbot durch Art. 19 Abs. 2 GG).

Auch ist eine Einschränkung der Grundrechte durch Änderung des Grundgesetzes selbst denkbar. Sie ist jedoch nur unter der strengen Voraussetzung einer 2/3 Mehrheit sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat möglich.

Gänzlich ausgeschlossen bleibt gemäß Art. 79 Abs. 3 GG die in Art. 1 GG verankerte Würde des Menschen. Sie ist auch durch eine Verfassungsänderung nicht beschränkbar. Die Bindung des Gesetzgebers an dieses Verbot und somit auch an das Grundrecht der Menschenwürde in Artikel 2 GG ist aufgrund der sogenannten „Ewigkeitsklausel“ ebenfalls garantiert. Sie verbietet die Aufhebung der in Art. 20 GG festgelegten staatlichen Struktur der Bundesrepublik als Demokratie, Republik, Rechts- und Sozialstaat.

Einzelne Grundrechte näher erklärt

Der Schutz der Menschenwürde – Art. 1 Abs. 1 GG

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Dieses Grundrecht steht bewusst als oberstes und höchstes Gut am Anfang der Verfassung und vor allen weiteren Grundrechten. Das Grundrecht der Menschenwürde steht jedem Menschen schon aufgrund seines „Menschseins“ zu, unabhängig von seiner geistigen oder körperlichen Verfassung, seinen Eigenschaften oder seinen Leistungen. Die Menschenwürde ist die Wurzel aller anderen Grundrechte. Der Staat hat die Aufgabe, vor allem anderen die Menschenwürde jedes einzelnen zu schützen, indem jede Beeinträchtigung des Wertanspruchs und des Achtungsanspruchs, den jeder Mensch innehat, verhindert wird. Die Menschenwürde hat absolute Geltung, d. h. dass sie weder eingeschränkt noch aufgehoben werden kann, nicht einmal durch eine Änderung der Verfassung selbst.

Weil die Definition der Menschenwürde stets schwierig bleibt, hat sich auch das Bundesverfassungsgericht häufig mit der Frage der Verletzung der Menschenwürde beschäftigen müssen:

Im sogenannten Mephisto-Urteil vom 24.02.1971 (BVerfGE 30, 173) entschieden die Richter, dass die Würde eines Menschen auch über seinen Tod hinauswirkt. Sie sahen die Menschenwürde des bereits verstorbenen Schauspielers Gustaf Gründgens durch den Roman „Mephisto – Roman einer Karriere“ von Klaus Mann verletzt. Die Hauptfigur des Romans ist dem Schauspieler eindeutig nachgebildet und gibt in verwerflicher Weise alle ethischen und moralischen Überzeugungen unter dem NS-Regime auf.

Lebenslange Freiheitsstrafe (BVerfGE 45, 187): 

Mit Urteil vom 06.07.2005 erklärte das BVerfG, dass die lebenslange Freiheitsstrafe, wie sie das deutsche Strafrecht etwa für Mord vorsieht, nicht grundsätzlich gegen die Würde des Menschen verstößt. Voraussetzung ist allerdings, dass das Rechtssystem ihm die Wiedererlangung der Freiheit in Aussicht stellt, nicht nur durch die Hoffnung auf Begnadigung, sondern durch eine gerichtlich kontrollierbare Entlassungs- und Vollzugspraxis, die ein Aussetzen des Strafvollzugs zulässt.

Luftsicherheitsgesetz (Az.: 1 BvR 357/05): 

Das zur Terrorbekämpfung geplante Luftsicherheitsgesetz sah in Art. 14 Abs. 3 vor, dass die deutschen Streitkräfte zum Abschuss von Luftfahrzeugen, die als Tatwaffe gegen Menschen eingesetzt würden (Hintergrund: Anschläge vom 11. September 2001), ermächtigt wären. Diese Vorschrift verstieß nach Ansicht der Verfassungsrichter gegen Art. 1 Abs. 1 GG, denn soweit tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen wären, würde ihre Tötung als Mittel zur Rettung anderer genutzt, sie würden zu bloßen Objekten degradiert.

Die Freiheitsgrundrechte

Die Liste der Freiheitsgrundrechte ist lang: Neben der Menschenwürde und den nachfolgend näher dargestellten Freiheitsrechten zählen unter anderem zu ihnen:

Das Kriegsdienstverweigerungsrecht (Art. 4 Abs. 3 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG), das Brief-/Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), das Ausbürgerungs- und Auslieferungsverbot (Art. 16 GG) und das Asylrecht (Art. 16a GG).

1. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit – Art. 2 Abs. 1 GG

Dieses Grundrecht sichert jedem das Recht auf eigene Gestaltung der Lebensführung zu, mit dem Anspruch, nicht durch den Staat verfassungswidrig belastet zu werden. Es umfasst die allgemeine Handlungsfreiheit sowie speziell das Namensrecht, das Urheberrecht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Recht am eigenen Bild, Berichterstattung in der Presse, Schutz der Intimsphäre ...).

Das Elfes-Urteil vom 16.01.1956 (BVerfGE 6, 32):

Der Politiker Wilhelm Elfes hatte sich wiederholt und vehement gegen die Wehrpolitik der Bundesregierung gestellt. Als er zum Besuch eines Auslandskongresses die Verlängerung seines Reisepasses beantragte, wurde ihm diese verwehrt. Das BVerfG stellte anlässlich seiner Verfassungsbeschwerde fest, dass eine Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit nur aufgrund eines verfassungsmäßigen Gesetzes möglich ist. Der Versagung seines Antrags lag jedoch die verfassungsmäßige Vorschrift des § 7 Abs. 1 Passgesetz zugrunde, wonach die Verlängerung versagt werden kann, wenn der Antragsteller die innere oder äußere Sicherheit oder andere wichtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden könne. Die Verfassungsbeschwerde wurde also abgewiesen.

2. Das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person – Art. 2 Abs. 2 GG

Dieses Recht steht grundsätzlich allen lebenden Menschen zu. Mit Urteil vom 25.02.1975 (BVerfGE 39,1) erklärte das BVerfG, dass auch schon der Embryo als ungeborenes menschliches Leben eigene Schutzwürdigkeit besitze. Die Entscheidung über die Strafbarkeit eines Schwangerschaftsabbruchs dürfe der Gesetzgeber deshalb nicht anhand bloßer Fristen regeln, sondern nur für bestimmte Fallkonstellationen (Indikationslösung). Mit der Entscheidung vom 28.05.1993 (BVerfGE 88, 203) erklärten die Richter später jedoch eine Fristenlösung für den straffreien Schwangerschaftsabbruch für zulässig – allerdings unter der Einschränkung, dass die Abtreibung selbst rechtswidrig bleibe. Durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abbruchs wird dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des Ungeborenen Rechnung getragen, es drückt den Unwert der Abtreibung aus. Die Mutter handelt innerhalb der gesetzlichen Fristen somit zwar rechtswidrig, wird jedoch nicht bestraft.

3. Die Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit – Art. 4 Abs. 1 und 2 GG

Art. 4 Abs. 1 und 2 werden oft auch als „Religionsfreiheit“ bezeichnet und beinhalten das Recht zur eigenen Weltanschauung und religiösen Überzeugung. Geschützt sind ferner das Recht zur freien Kundgabe der Glaubens- und Gewissensentscheidungen einer Person sowie seine freie Religionsausübung. Der Staat ist zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet.

Bekannt geworden sind das Urteil zum „Schächten“ von Tieren, das es muslimischen Gläubigen aufgrund der Religionsfreiheit gestattet, Tiere durch diese besondere Methode zu schlachten, obwohl nach dem Tierschutzgesetz grundsätzlich verboten ist (BVerfGE 104, 337). 

Ebenfalls berühmt ist das sogenannte Kruzifix-Urteil (BVerfGE 93,1): Während das Anbringen von Kruzifixen in Klassenzimmern zunächst überwiegend als zulässig eingestuft wurde, erklärte das BVerfG die zwingend vorgeschriebene Anbringung des Kreuzes nach der Bayerischen Volksschulordnung für verfassungswidrig. Der Staat sei zur Neutralität verpflichtet und durch das zwingende Kruzifix waren die beschwerdeführenden Schüler in ihrer Religionsfreiheit (andersgläubig bzw. antroposophisch) verletzt.

Im Kopftuch-Urteil (BverfGE 108, 282) entschieden die Richter am 25.09.2003, dass einer muslimischen Lehrerin der Zugang zum öffentlichen Amt nicht wegen des Tragens eines Kopftuches verwehrt werden dürfe, wenn das Verbot nicht durch eine hinreichend bestimmte gesetzliche Regelung des Bundeslandes geregelt sei. Einige Bundesländer haben daraufhin entsprechende Regelungen getroffen mit unterschiedlichen Auswirkungen bundesweit. Die Rechtslage ist hier noch offen. Kritiker führen dies darauf zurück, dass das BVerfG der eigentlichen Frage, wie weit die Neutralitätspflicht des Staates reiche, ausgewichen sei.

4. Die Meinungs- und Medienfreiheit – Art. 5 Abs. 1 und 2 GG

Aus dem Recht zur freien Meinungsäußerung in Wort, Schrift und Bild leiten sich auch die speziellere Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit ab. Die Meinungsfreiheit erklärte das BvervG zu einem wesentlichen Bestandteil der freiheitlichen und demokratischen Staatsordnung.

Das sogenannte Lüth-Urteil vom 15.01.1958 regelte den Bereich der Meinungsfreiheit: Erich Lüth hatte über die Presse zum Boykott eines Films des Regisseurs Veit Harlan aufgerufen, der in der Nazi-Zeit mit dem Film „Jud Süß“ bekannt geworden war. Lüth meinte, Harlan sei am wenigsten geeignet, den durch Nationalsozialismus verwirkten Ruf des deutschen Films wiederherzustellen. Die Produktionsfirma und der Filmverleih untersagten ihm daraufhin zivilrechtlich nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Boykottaufruf. Die Verfassungsrichter stellten im Rahmen von Lüths Verfassungsbeschwerde erstmals die Ausstrahlung der Grundrechte auf alle anderen staatlichen Normen fest. Die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG müsse auch bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Sittenwidrigkeit des Boykottaufrufs berücksichtigt werden. Die Untersagung des Boykottaufrufs nach § 826 BGB war somit nicht zulässig, weil die Aussage von Lüth aufgrund seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG nicht sittenwidrig nach § 826 BGB gewesen sei.

5. Freiheit von Kunst und Wissenschaft – Art. 5 Abs. 3 GG

Den Begriff der Kunst hat das BVerfG bereits in der Mephisto-Entscheidung definiert: „Kunst ist die freie, schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.“ Die Freiheit erstreckt sich auf die schöpferische Tätigkeit sowie auch die Darbietung und Verbreitung von Kunst.

In jüngerer Zeit hat sich etwa auch Gunther von Hagens mit seiner umstrittenen Ausstellung „Körperwelten“, die plastinierte Körper zeigt, auf die Kunstfreiheit berufen.

6. Schutz von Ehe und Familie – Art. 6 GG

Ehe und Familie werden vom Grundgesetz unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt, da sie Grundlage jedes staatlichen Gemeinschaftslebens sind. Eltern steht daneben als natürliches Recht auch die Erziehung ihrer Kinder zu und Kinder dürfen von ihren Erziehungsberechtigen nur getrennt werden, wenn diese versagen oder die Kinder zu verwahrlosen drohen.

Die lange strittige Frage ob gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften als eigenes Rechtsinstitut zulässig seien, hat das BVerfG mit Urteil vom 17.07.2002 entschieden (BVerfGE105, 313): Im Normenkontrollverfahren der Bundesländer Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das geplante Lebenspartnerschaftsgesetz erklärten die Richter, dass dieses nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG verstoße. Es trat daraufhin zum 01.08.2001 in Kraft.

Die Gleichheitsgrundrechte

Nach dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Er besagt, dass die öffentliche Gewalt verpflichtet ist, gleiche Fälle gleich zu behandeln. Wesentlich Gleiches ist rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches ist seiner Eigenart entsprechend rechtlich ungleich zu behandeln. Er ist somit auch Ausdruck des staatlichen Willkürverbotes. Dieser allgemeine Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG dient als Auffangtatbestand, falls die speziellen Gleichheitsgrundrecht, die stets vorrangig einschlägig sind, nicht mehr greifen.

Zu den speziellen Gleichheitsgrundrechten gehören die Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG), das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Rassenzugehörigkeit, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen oder einer Behinderung (Art. 3 Abs. 3 GG) sowie die Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern (Art. 6 Abs. 5 GG). Daneben gewährt Art. 33 GG allen Deutschen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, sowie den gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern; er gewährt außerdem alle bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte unabhängig vom religiösen Bekenntnis des Einzelnen.

Zu beachten ist: Alle Gleichheitsrechte verbieten dabei keine grundsätzliche Ungleichbehandlung, sondern verlangen, dass sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein muss.

(MIC)

Häufig gestellte Fragen und Antworten zu den Grundrechten

Was sind Grundrechte?

Die Grundrechte werden den Mitgliedern der Gesellschaft vom Staat garantiert. Sie sind beständig, dauerhaft und einklagbar. In den meisten Fällen sind die Grundrechte in der Verfassung eines Staates enthalten. So auch in Deutschland. Die Grundrechte finden sich in den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes (GG). Darüber hinaus gibt es grundrechtsgleiche Rechte, die zwar nicht als Grundrechte gelten, aber genau wie diese eingeklagt werden können.

Weitere Grundrechte können sich in den Landesverfassungen der Bundesländer und in der Europäischen Menschenrechtskonvention finden. Auch in völkerrechtlichen Verträgen sind teilweise Grundrechte vereinbart.

Können Grundrechte eingeschränkt werden?

Unter bestimmten Voraussetzungen können einige Grundrechte eingeschränkt werden. Wird z. B. jemand aufgrund einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, wird dadurch dessen Freiheit eingeschränkt. Die Meinungsfreiheit wiederum hat ihre Grenzen dort, wo die Strafbarkeit von Beleidigungen ins Spiel kommt.

Die wichtigste Regel zur Einschränkung von Grundrechten ist jedoch der Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Das bedeutet, dass ein Grundrecht nur durch ein anderes Gesetz eingeschränkt werden darf.

Eine Ausnahme stellt die Menschenwürde dar. Sie ist der Höchstwert der Verfassung und gänzlich unantastbar. Damit ist sie das einzige Grundrecht des Grundgesetzes, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf.

Was tun, wenn die Grundrechte verletzt werden?

Die Verletzung von Grundrechten kann in verschiedenen Formen auftreten: sei es durch ein bestimmtes Handeln der Staatsgewalt (z. B. durch Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung) oder durch ein sonstiges mittelbares oder unmittelbares Handeln bzw. Unterlassen.

In solchen Fällen haben Betroffene die Möglichkeit, als außerordentlichen Rechtsbehelf eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Möglich ist das nur Personen, die sich selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten verletzt sehen. Die Verfassungsbeschwerde muss schriftlich eingereicht und ausführlich begründet werden.

Ein Rechtsanwalt ist nicht vorgeschrieben, außerdem ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Für die Verfassungsbeschwerde gelten strenge Fristen. In der Regel gibt es keine mündliche Gerichtsverhandlung, vielmehr entscheidet das Bundesverfassungsgericht durch einen Beschluss.

Seit wann gibt es die Grundrechte in Deutschland?

Zum ersten Mal wurden in Deutschland 1848 Grundrechte eingeführt. Die Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete ein Reichsgesetz, das bereits die folgenden Grundrechte enthielt: Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Meinungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und die Habeas-Corpus-Grundrechte.

Schon im Jahr 1851 wurden die Grundrechte jedoch durch einen Bundesreaktionsbeschluss für rechtswidrig erklärt. Die in der Weimarer Republik geltende Reichsverfassung enthielt ebenfalls keine richtigen Grundrechte. Es gab zwar einen Grundrechtsteil, der jedoch als Programmsätze verstanden wurde. Das heißt, die Artikel waren für den Staat nicht unmittelbar bindend.

Erst mit Einführung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949 gab es in Deutschland echte Grundrechte. Damit wurde ein für den Staat verbindliches Regelwerk in Bezug auf bestimmte Rechte der Bürger geschaffen.

Welche Formen von Grundrechten werden unterschieden?

Grundrechte und grundrechtsähnliche Rechte

Grundrechte lassen sich in verschiedene Kategorien unterteilen. Als eigentliche Grundrechte gilt der Grundrechtskatalog gemäß Art. 1–19 Grundgesetz (GG). Daneben gibt es die grundrechtsähnlichen Rechte gemäß Art. 20, 33, 38, 101, 103 und 104 GG. Diese werden jeweils wiederum aufgeteilt in Freiheitsrechte und Gleichheitsrechte.

Grundrechte = Menschenrechte + Bürgerrechte

Bei den Menschenrechten handelt es sich um Rechte, die für alle Menschen gelten. Sie sind unabhängig von Alter, Geschlecht, Sprache, Herkunft, Religion, politischer Anschauung und ethnischer Zugehörigkeit. Sie finden sich insbesondere in internationalen Abkommen. Grundrechte hingegen sind in der Regel in der Verfassung eines Staates festgelegt. Häufig gibt es in den internationalen Menschenrechten eine Entsprechung zu den jeweiligen Grundrechten – umgekehrt ist das nicht immer der Fall.

Die Grundrechte nach dem deutschen Grundgesetz lassen sich in Menschenrechte und Bürgerrechte unterteilen. Als Menschenrechte gelten dabei die Rechte, die in persönlicher Hinsicht unbeschränkt sind. Sie bestehen nicht nur für deutsche Staatsbürger, sondern für alle Menschen. Man erkennt sie meist an der Formulierung „jeder“, „jedermann“ oder „alle Menschen“. Zu ihnen zählen z. B. Art. 2 Abs. 1 und 3 oder Art. 3 Abs. 1 und 3 GG.

Die Bürgerrechte hingegen gelten nur für deutsche Staatsangehörige. Zu ihnen gehören u. a. Art. 8, 9, 11, 12 Abs. 1 oder 20 Abs. 4 GG.

Unterscheidung nach Grundrechtsträger

Der Begriff Grundrechtsträger beschreibt, wer von dem jeweiligen Grundrecht profitiert. Dies sind im Regelfall natürliche Personen von der Geburt an bis zum Tod. In bestimmten Fällen kann ein Grundrecht auch ein ungeborenes Kind oder eine verstorbene Person betreffen.

Andererseits können auch juristische Personen Grundrechtsträger sein. Juristische Personen sind z. B. Unternehmen, Vereine oder Stiftungen. Für sie gilt etwa Art. 19 Abs. 3 GG.

Foto(s): ©Pixabay/AJEL

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