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Abfindung in zwei Teilbeträgen – Steuerermäßigung rechtmäßig?

  • 4 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

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Wird ein Arbeitsverhältnis außerplanmäßig beendet, erhalten Arbeitnehmer häufig eine Abfindung. Diese Abfindung muss allerdings auch versteuert werden. Aus diesem Grund gibt es eine Steuerermäßigung, wenn in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte, wie beispielsweise eine Abfindung, enthalten sind. Wie eine Auszahlung in zwei Teilbeträgen zu versteuern ist, musste der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entscheiden.

Betriebliche und tarifliche Abfindung erhalten

Der spätere Kläger war seit 1971 ununterbrochen bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Im Jahr 2009 wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2010 durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Als Ersatz für den Verlust des Arbeitsplatzes wurde vereinbart, dass der Arbeitnehmer sowohl eine betriebliche Abfindung i. H. v. 104.800 Euro als auch eine tarifliche Abfindung i. H. v. 10.200 Euro erhält. Die niedrigere tarifliche Abfindung erhielt der Mann im Jahr 2010, die höhere betriebliche Abfindung erst im Jahr 2011.

Abfindung in Einkommensteuererklärung angegeben

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 machte der Mann die betriebliche Abfindung als Entschädigung für entgangene Einnahmen mit dem ermäßigten Steuersatz geltend. Das Finanzamt (FA) war jedoch anderer Meinung und setzte für die betriebliche Abfindung den vollen Steuersatz an. Gegen diesen Bescheid legte der Mann Einspruch ein, der jedoch erfolglos blieb. Daraufhin klagte er vor dem zuständigen Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg.

FG gibt Kläger recht

Die Richter des FG führten in ihrem Urteil aus, dass die einheitliche Abfindung des Mannes aus zwei Teilen bestand. Jedoch kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht in Betracht, wenn eine einheitliche Abfindung in Teilbeträgen ausgezahlt wird. Im vorliegenden Fall lag zwar die Zahlung eines Teilbetrags i. H. v. 10.200 Euro im Jahr 2010 und eine Zahlung eines Teilbetrags i. H. v. 104.800 Euro im Jahr 2011 vor. Durch die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes soll bei geballten Zahlungszuflüssen die Progression, darunter versteht man das Ansteigen des Steuersatzes in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen oder Vermögen, gemildert werden. Da die vorausgegangene tarifliche Zahlung im Hinblick auf die individuelle Steuerbelastung im Verhältnis zur betrieblichen Abfindung als geringfügig anzusehen ist, ist die ermäßigte Besteuerung des größeren Betrags rechtmäßig.

Abfindung gehört zu außergewöhnlichen Einkünften

Zunächst hielten die Richter in ihrem Urteil fest, dass es sich bei der Zahlung einer Abfindung um außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) handelt, die gem. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene Einnahmen gezahlt werden. Die sind nach § 34 Abs. 1 EStG nur mit einem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.

Weitere Voraussetzung des § 34 EStG ist, dass die gezahlte Entschädigung zu einer einmaligen und außergewöhnlichen Progressionssteigerung führen muss. Davon ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft auszugehen. Durch Anwendung der Billigkeitsregelung in den §§ 34 Abs. 1, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG soll die Progression abgemildert werden.

Problem: Zahlung in zwei Teilbeträgen

Problematisch in diesem Fall ist, dass die Abfindung in zwei Teilbeträgen und in zwei Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wurde. Dies steht der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich entgegen, denn Teilzahlungen mildern bereits die Progression. Ausnahmsweise kann eine Teilzahlung aber trotzdem zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führen, nämlich dann, wenn die Teilzahlungen in ihrem Verhältnis zueinander eindeutig als Haupt- und Nebenleistung zu erkennen sind und wenn die Nebenleistung geringfügig ist.

Individuelle Betrachtung notwendig

Wann die Zahlung einer Abfindung in zwei Teilen als geringfügige Teilleistung anzusehen ist, bestimmt sich immer nach der individuellen Steuerbelastung des einzelnen Steuerpflichtigen und kann nicht pauschal angegeben werden. Aus diesem Grund existiert im Gesetz weder eine starre Prozentregelung, noch kann auf die gesetzlich geforderte Prüfung der Außerordentlichkeit in jedem Einzelfall verzichtet werden.

Ermäßigter Steuersatz gilt

Die Richter des BFH stellten im Hinblick auf den konkreten Fall fest, dass die Teilauszahlung i. H. v. 10.200 Euro 8,87 % der Gesamtabfindung und 9,73 % der Hauptleistung ausmacht.

In einer früheren Entscheidung des BFH wurde festgelegt, dass eine geringfügige Nebenleistung dann vorliegt, wenn diese weniger als 10 % der Hauptleistung beträgt und die Nebenleistung auch noch niedriger ist als die Steuerentlastung der Hauptleistung. Dieser Maßstab wurde bisher nur auf eine sozial motivierte nachträgliche Zusatzleistung des Arbeitgebers angewendet, ist aber nach Meinung des BFH auch auf die Konkretisierung der bloßen Geringfügigkeit einer Teilleistung, wie in diesem Fall, zu übertragen.

Würde dieser Maßstab auf einen Fall wie diesen nicht angewendet, stünde der abgefundene Arbeitnehmer steuerlich besser da, wenn er die Teilleistung nicht erhalten hätte bzw. der steuerliche Nachteil bezüglich der Hauptleistung höher wäre als die Teilleistung selbst. Um die Progressionssteigerung abzufangen, ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes trotz der Teilleistungen in diesem Fall geboten, denn die zu zahlende Steuer auf die Hauptleistung beträgt 10.806 Euro, die Teilleistung nur 10.200 Euro – sie ist somit niedriger.

Aus diesem Grund hat das FG richtig entschieden, als es für die höhere Abfindung den ermäßigten Steuersatz zugrunde gelegt hat.

Fazit: Abfindungszahlungen sollten am besten in einem Betrag erfolgen. Kommt es jedoch zur Zahlung von zwei Teilbeträgen, ist im Einzelfall immer auf das Verhältnis der Zahlungen zueinander abzustimmen.

(BFH, Urteil v. 13.10.2015, Az.: IX R 46/14)

(WEI)

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