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Arbeitszeugnis: Erstellung nach Wunsch des Angestellten?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Über die Sinnhaftigkeit von Arbeitszeugnissen wird immer wieder gestritten. Zwar dürfen keine Lügen in einem Arbeitszeugnis stehen, dennoch glauben die meisten Arbeitgeber längst nicht alles, was darin steht. Denn Arbeitszeugnisse sind stets wohlwollend zu verfassen – was der Arbeitgeber tatsächlich von seinem ehemaligen Arbeitnehmer denkt, wird daher aus dem Zeugnis oft nicht ersichtlich. Denn sog. Geheimcodes sind ebenfalls verboten. Außerdem wollen Beschäftigte beim Inhalt des Schriftstücks immer häufiger mitbestimmen. Doch sind Arbeitgeber verpflichtet, ein Zeugnis nach den Wünschen des ausgeschiedenen Beschäftigten zu erstellen?

Streit um Zeugnisinhalt endet vor Gericht

Ein Gebietsverkaufsleiter zog gegen eine arbeitgeberseitige Kündigung vor Gericht. Dort schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach unter anderem das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin enden sollte. Auch verpflichtete sich der Arbeitgeber, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erstellen. Dem Beschäftigten sollte diesbezüglich das Recht zustehen, bestimmte Formulierungen vorzuschlagen, von denen der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen durfte.

Daraufhin verlangte der Beschäftigte unter anderem die Aufnahme eines Satzes, wonach der Arbeitgeber es als besondere Leistung ansehe, dass der Angestellte in seinem Verkaufsgebiet einen Umsatzzuwachs von bis zu 33 % erreicht und unzufriedene Kunden wieder an das Unternehmen gebunden habe. Diese Aussagen hielt der Arbeitgeber jedoch für falsch – er weigerte sich daher, sie ins Zeugnis aufzunehmen. Es handle sich hier nur um pauschale Behauptungen des früheren Mitarbeiters – die Umsatzzahlen für die betreffenden Jahre zeigten für die Dauer seiner Beschäftigung insgesamt eher einen Umsatzrückgang. Daraufhin klagte der Gebietsverkaufsleiter auf Übernahme der Formulierung ins Arbeitszeugnis.

Kein Anspruch auf bestimmte Zeugnisformulierung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschied, dass der Gebietsverkaufsleiter keinen Anspruch auf ein Zeugnis nach seinen Wünschen hat.

Allgemeines zur Zeugniserstellung

Beschäftigte haben gemäß § 109 I Gewerbeordnung (GewO) auf jeden Fall Anspruch auf ein einfaches Zeugnis, das Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit enthält. Allerdings können sie auch ein sog. qualifiziertes Zeugnis verlangen, in dem zusätzlich die Leistung und das Verhalten des Beschäftigten während des Arbeitsverhältnisses dargelegt werden.

Arbeitgeber müssen bei der Erstellung eines Zeugnisses darauf achten, dass der Inhalt der Wahrheit entspricht und wohlwollend ist sowie über keine Geheimcodes verfügt. Schließlich soll mit einem Zeugnis das berufliche Fortkommen des ausgeschiedenen Mitarbeiters begünstigt und nicht erschwert werden. Im Übrigen könnte eine Lüge auch zu einer Schadenersatzpflicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber des früheren Angestellten führen.

Allerdings haben Beschäftigte keinen Anspruch auf einen bestimmten Wortlaut. Sie können den Arbeitgeber also nicht zwingen, ein Zeugnis nach ihren eigenen Vorstellungen zu verfassen. Hier hat der Arbeitgeber vielmehr das Recht, selbst zu entscheiden, was im Zeugnis stehen soll, sofern er die oben genannten Vorgaben einhält. Anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber sich ausdrücklich dazu verpflichtet, einen bestimmten Zeugniswortlaut zu verwenden, z. B. in einem gerichtlichen Vergleich.

Behält sich der Arbeitgeber jedoch das Recht vor, Vorschläge des früheren Angestellten nicht „blind“ zu übernehmen, sondern auf deren Richtigkeit zu überprüfen, kann er auch hier eine Übernahme der „Wunschformulierung“ ablehnen. Ein solches Prüfungsrecht behält sich der Arbeitgeber bereits dann vor, wenn er sich in einem Prozessvergleich dazu bereit erklärt, „ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis zu erstellen“.

Unwahre Angaben gehören nicht ins Zeugnis

Vorliegend hatte der Gebietsverkaufsleiter behauptet, nach Übernahme eines Verkaufsgebiets einen Umsatzzuwachs von bis zu 33 % generiert zu haben. Das entsprach jedoch nicht der Wahrheit. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses schwankten seine Umsatzzahlen nämlich erheblich – in einigen Monaten hatte er durchaus eine Umsatzsteigerung von bis zu 25 %, in anderen Monaten jedoch einen deutlichen Umsatzrückgang. Aus Gründen der Klarheit dürfen aber einzelne – gute oder schlechte – Ereignisse im Zeugnis grundsätzlich nicht erwähnt werden. Zu bewerten ist vielmehr die Leistung während der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. In dieser Zeit hatte der Gebietsverkaufsleiter keinen Umsatzzuwachs von 33 % erreicht, der Umsatz war vielmehr zurückgegangen.

Auch die Behauptung des Gebietsverkaufsleiters, unzufriedene Kunden erneut an den früheren Arbeitgeber gebunden zu haben, hielten die Richter für nicht nachgewiesen und zu pauschal. Diese Formulierung musste daher ebenfalls nicht ins Zeugnis aufgenommen werden. Ein anderes Ergebnis wäre jedoch möglich gewesen, wenn der frühere Beschäftigte z. B. mittels Vorlage von Arbeitsberichten genau hätte aufzeigen können, welche Kunden er mit welchen Maßnahmen wann zurückgewonnen hat.

Fazit: Arbeitgeber können Formulierungsvorschläge ihrer ehemaligen Mitarbeiter übernehmen, müssen es aber nicht. Anderes gilt nur, wenn sie sich – z. B. in einem Prozessvergleich – vorbehaltlos dazu bereit erklärt haben, den Vorschlag ungeprüft ins Zeugnis zu schreiben.

(LAG Hamm, Urteil v. 18.02.2016, Az.: 18 Sa 1577/15)

(VOI)

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