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BAG-Urteil: Welche Rolle spielt der Mindestlohn bei Nachtzuschlägen, Feiertagsvergütung und Urlaub?

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anwalt.de-Redaktion

Theoretisch soll der Mindestlohn für eine flächendeckende faire Bezahlung sorgen, praktisch sorgt er immer wieder für viel Zündstoff: Wie ist der Mindestlohn zu berechnen, was dürfen Arbeitgeber anrechnen, was nicht, mit welchen Tricks kommen Arbeitgeber durch und welche Kniffe sind unzulässig? 

Bei den vielen Fragen verwundert es nicht, dass die Detailfragen rund um den Mindestlohn immer wieder von den Arbeitsgerichten geklärt werden müssen und nicht selten bis hoch zum Bundesarbeitsgericht (BAG) getragen werden. Heute mussten sich die obersten Arbeitsrichter mal wieder mit der Anrechnung des Urlaubsgelds auf den Mindestlohn beschäftigen und zudem klären, auf welcher Grundlage Nachtzuschläge und Feiertagsvergütung zu berechnen sind.

Urlaubsgeld – es kommt drauf an

Auf die Frage, ob das Urlaubsgeld auf den Mindestlohn anrechenbar ist oder nicht, gibt es kein eindeutiges Ja oder Nein. In diesem Fall durfte die Arbeitgeberin das Urlaubsgeld nicht anrechnen, weil es sich nach dem zugrunde liegenden Tarifvertrag nicht um Entgelt für geleistete Arbeit, sondern vielmehr um einen eigenständigen Anspruch handelt, der erst bei Urlaubsantritt fällig wird.

Nach der Rechtsprechung des BAG ist damit der Charakter des Urlaubsgelds entscheidend. Sobald die Sondervergütung den Charakter eines Entgelts für die geleistete Arbeit hat, darf sie auf den Mindestlohn angerechnet werden. Handelt es sich dagegen um eine zusätzliche Zahlung des Arbeitgebers, um z. B. diverse Zusatzkosten, die einem während des Urlaubs entstehen, auszugleichen, handelt es sich nicht um Arbeitslohn und das Urlaubsgeld ist damit auch nicht auf den Mindestlohn anrechenbar.

Nachtzuschläge sind Zuschläge zum normalen Stundenlohn

Darüber hinaus stritten die Parteien in diesem Fall über die Höhe der Nachtzuschläge. Nach dem anwendbaren Tarifvertrag stand der Arbeitnehmerin für geleistete Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent vom Stundenverdienst zu. Der Tarifvertrag regelt dabei explizit, dass es bei der Berechnung der Zuschläge auf den tatsächlichen Stundenverdienst ankommt, der sich aus der Summe des Grundlohns und potenzieller Zulagen ergibt.

Grundlohn oder Mindestlohn – auf welcher Basis wird der Mindestlohn berechnet?

Die verklagte Arbeitgeberin verwendete für die Berechnung des Nachtlohns im Januar 2015 den tariflich vereinbarten Grundlohn von 7,00 Euro die Stunde und kam damit auf einen Gesamtstundenlohn von 8,75 Euro. Die Arbeitnehmerin vertrat hingegen die Ansicht, dass die Arbeitgeberin den Nachtzuschlag nicht auf Basis des Grundlohns berechnen dürfe, sondern vielmehr den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von damals 8,50 Euro heranziehen müsse. Nach dieser Berechnungsmethode stünde ihr dann ein Gesamtlohn von 10,62 Euro für geleistete Nachtarbeitsstunden zu.

Tatsächlicher Stundenverdienst entspricht mindestens dem gesetzlichen Mindestlohn

Die Richter des BAG gaben – ebenso wie die beiden Vorinstanzen – der Arbeitnehmerin recht: Der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn ist Teil des tatsächlichen Stundenverdienstes. Deshalb scheidet ein Rückgriff des Arbeitgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung aus.

Das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG) hat dies als Vorinstanz bildlich gesprochen auf den Punkt gebracht, indem es feststellte, der Lohn würde bei Lohnerhöhungen stets aufgestockt statt aufgesogen. Der gesetzlich angeordnete Mindestlohn stelle nichts anderes dar als eine Lohnerhöhung, die auch arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich hätte vereinbart werden können. In diesem Fall wäre der Zuschlag auch auf Basis des neuen, höheren Lohns zu berechnen gewesen. Nichts anderes gilt für den Mindestlohn.

Seit dem 01.01.2015 besteht Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro – heute 8,84 Euro. Dementsprechend ist auch dieser Lohn als tatsächlicher Stundenlohn der Berechnung für den Nachtzuschlag zugrunde zu legen.

Feiertagsvergütung – zu zahlen ist, was der Arbeitnehmer ohne den Feiertag verdient hätte 

Hinsichtlich der Feiertagsvergütung hat das BAG die gesetzliche Regelung des § 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) prägnant erläutert. Danach ist eindeutig geregelt, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern an Feiertagen denjenigen Lohn zahlen müssen, den sie ohne den feiertagsbedingten Arbeitsausfall bekommen hätten. Daran hat das Mindestlohngesetz (MiLoG) nichts geändert. Ein Rückgriff des Arbeitgebers auf einen vereinbarten niedrigeren Grundlohn scheidet deshalb auch bei der Feiertagsvergütung aus, denn ohne den Arbeitsausfall am Feiertag hätten die Arbeitnehmer an diesem Tag mindestens 8,50 Euro bzw. 8,84 Euro verdient.

Das Gleiche gilt für die Urlaubsvergütung, also den Lohn, den Arbeitnehmer während ihres Erholungsurlaubs erhalten.

Was bedeutet das Urteil für die Praxis? 

Die korrekte Berechnung des Mindestlohns bereitet vielen Arbeitgebern bis heute große Schwierigkeiten. Mit seiner heutigen Entscheidung hat das BAG nicht nur für viele Arbeitgeber, sondern gerade auch für Arbeitnehmer Klarheit geschaffen, welcher Lohn ihnen an Feiertagen, bei Nachtarbeit und im Urlaub zusteht:

  • Nachtarbeit: Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung ganz oder teilweise nachts erbringen müssen, haben einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Zuschlag. Mindestbetrag für dessen Berechnung ist stets der gesetzliche Mindestlohn.
  • Feiertagsvergütung & Urlaubsentgelt: Zu zahlen ist der Lohn, den der Arbeitnehmer ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte, und damit ebenfalls auf jeden Fall der gesetzliche Mindestlohn.
  • Urlaubsgeld: Eine zusätzliche Vergütung, die zum Zeitpunkt des Urlaubsantritts gezahlt wird, darf nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden.

(BAG, Urteil v. 20.09.2017, Az.: 10 AZR 171/16)

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