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„Der Alte“: befristete Beschäftigung für Serienschauspieler rechtmäßig

  • 4 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

Viele wissen es nicht, doch Schauspieler sein ist ein hartes Brot. Auch alte Hasen auf der Bühne und vor der Kamera trifft es oft hart, wenn der Vertrag ausläuft und der Produzent die vermeintlich sichere Rolle an einen jüngeren Kollegen gibt. Gestern mussten die Richter des Bundesarbeitsgerichts über einen solchen Fall entscheiden.

Produktionsfirma entließ Serien-Stars nach über 20 Jahren

Die Schauspieler Pierre Sanoussi-Bliss und Markus Böttcher, die in der ZDF-Kultserie „Der Alte“ jahrelang die zentralen Figuren Axel Richter und Werner Riedmann spielten, staunten vor drei Jahren nicht schlecht, als die Produktionsfirma des TV-Formats sie unverhofft an die Luft setzte. Zudem teilte man mit, dass man vorhabe, die Serie mit jüngeren Schauspielern neu zu besetzen. Die Differenzen zwischen den beiden Akteuren und ihrer Produktionsfirma endeten schließlich vor Gericht. Allerdings ging es hierbei nicht etwa um künstlerische Meinungsverschiedenheiten, sondern ums Geld.

Streit um Sozialversicherungsbeiträge für ehemalige Publikumslieblinge

Im Rahmen des Rechtsstreits standen allerdings keine Millionengagen im Raum. Vielmehr war ein ganz profaner Streit über die Sozialversicherungsbeiträge entbrannt, die den beiden Akteuren für die geleistete Arbeit angeblich zustanden. Konkret ging es um die Frage, ob eine Dauerbeschäftigung vorlag. Denn schließlich seien die beiden Schauspieler insgesamt 18 Jahre (Sanoussi-Bliss) und 28 Jahre (Böttcher) als Akteure in der Serie tätig gewesen. In einem solchen Fall wären die befristeten Verträge, die sie mit der Produktionsfirma von „Der Alte“ eingegangen waren, unzulässig. Dass auch Star-Schauspieler durch und durch profane Sorgen haben können, dürfte somit feststehen.

Als Arbeitnehmer haben Film- und Serienschauspieler oft nichts zu lachen

Rechtlich gesehen ist die übliche Position von Film- und Serienschauspielern in Deutschland nämlich keinesfalls glamourös. Einerseits werden sie in der gängigen Praxis wie Selbstständige behandelt. Werden sie jedoch am Set tätig, wechseln sie andererseits ihren Status zu Angestellten und arbeiten auf Lohnsteuerkarte, wobei ihre Tätigkeit gemäß § 199 SGB V bei der zuständigen Krankenkasse zu melden ist und die üblichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge anfallen. In den Zeiträumen ohne Engagements müssen sie nicht nur ohne Gage auskommen, sondern zahlen auch keine Sozialversicherungsbeiträge ein. Juristisch wird das übliche Berufsbild von Film- und Serienschauspielern daher „unständige Beschäftigung“ genannt.

Wer unregelmäßig Engagements erhält, wird schnell zum brotlosen Künstler

Dieser Umstand kann dazu führen, dass Film- und Serienschauspielern mit weniger Engagements oft nicht einmal das Recht auf Arbeitslosengeld I zusteht und sich auch Branchen-Schwergewichte mit einem mageren Rentenanspruch konfrontiert sehen. Ferner sorgt der besagte Status als „unständiger Beschäftigter“ dafür, dass vielen Film- und Serienschauspielern der Weg in die Künstlersozialkasse, die den Bedürfnissen von geringverdienenden Künstlern entgegenkommt und einen regelmäßigen Beitrag in die Rentenversicherung gewährleistet, verschlossen bleibt. Denn wer hier Mitglied werden will, muss einen festen Beitrag pro Jahr als selbstständiger Künstler erwirtschaften. Wer innerhalb eines Jahres „nur“ Film- und Serienengagements absolviert hat, schaut somit in die Röhre.

Sind 12 Drehs pro Jahr ein Dauerarbeitsverhältnis?

Die beiden ehemaligen „Der Alte“-Darsteller argumentierten zudem, dass mit ihnen als Mitwirkende üblicherweise 8 bis 12 Folgen der Kult-Serie pro Jahr gedreht wurden. Dies wäre im Rahmen zahlreicher Einzelverträge für jeden Dreh geschehen und zudem in zeitlich so dichter Abfolge, dass ihnen zudem kaum Gelegenheit blieb, andere Engagements anzunehmen. Hätte eine Dauerbeschäftigung vorgelegen, wäre ihr Arbeitgeber nun verpflichtet, die entstandenen Sozialversicherungbeitragslücken zu schließen. Zudem argumentierten die ehemaligen Serien-Stars, dass angesichts der dichten Abfolge einzelner Verträge eine unzulässige Kettenbefristung vorgelegen habe.

Das Bundesarbeitsgericht ließ die Klagen beider Schauspieler abblitzen

Etliche hatten das gestrige Urteil des Bundesarbeitsgerichts daher mit Spannung erwartet und sich eine Signalwirkung im Hinblick auf die Herstellung fairerer Arbeitsbedingungen für Film- und Serienschauspieler erhofft. Allerdings ließen sich die Erfurter Richter nicht von den Argumenten der beiden Akteure überzeugen. Man wies auf § 14 Abs. 1 Satz 2, Nummer 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hin, demgemäß die Befristung vor Arbeitsverträgen zulässig ist, wenn die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt. Und dies sei auch bei einem Serienschauspieler gegeben, der jahrelang in derselben Rolle tätig ist.

Zudem zogen Richter die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) heran, welche die Entscheidung der Produktionsfirma legitimiere, das Serienformat weiterzuentwickeln. Zwar seien die Interessen beider Seiten durchaus gegeneinander abzuwägen. Im vorliegenden Fall sei der künstlerischen Freiheit der Produktionsfirma, die zu der Neubesetzung der Serie geführt hatte, jedoch ein höherer Stellenwert zugekommen (BAG, Urteile vom 30.07.2017, Az: 7 AZR 864/15, 7 AZR 440/16).

Befristete Verträge für beide Schauspieler sind rechtmäßig – Produktionsfirma muss keine Sozialbeträge nachzahlen

Eine echte Abfuhr für die ehemaligen „Der Alte“-Stars also, die sicherlich in der schauspielenden Zunft nicht ohne Echo bleiben wird. So zynisch es auch klingen mag – wer vor der Filmkamera tätig ist oder tätig sein möchte, tut somit weiterhin am besten daran, seine Altersvorsorge und seine Absicherung für den Ernstfall selbst in die Hand zu nehmen. Beide Schauspieler reagierten laut Medienberichten enttäuscht, haben sich jedoch bis jetzt noch nicht offiziell geäußert.

(JSC)

Foto(s): ©Fotolia.com

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