Digitaler Nachlass: Wer erbt, wenn der User stirbt?
- 4 Minuten Lesezeit
Die wichtigsten Fakten
- Erben treten grundsätzlich in die Verträge Verstorbener als Rechtsnachfolger ein
- Sie können deshalb Rechte gegen den Vertragspartner geltend machen
- Erben können daher den Zugriff auf Nutzerkonten von Internetseiten verlangen
Nahezu jeder Nutzer des Webs hat heute zahlreiche Accounts. Erst ein Konto ermöglicht in der Regel die Nutzung von Social-Media-Plattformen, Onlinestores und Marktplätzen, Bezahl-, Verzeichnis- und E-Mail-Diensten, Videoportalen, Foren, Cloudangeboten und etlichem mehr. Die Datenflut des World Wide Web kennt dabei kein Ende. Das Leben dagegen endet mit dem Tod. Die Sorge um das digitale Erbe obliegt den Hinterbliebenen. Auch Gratisdienste können plötzlich Geld kosten. Der Verweis auf den Tod hilft dann nicht. Er befreit den Erben generell nicht von laufenden Verträgen, in die der Verstorbene aufgrund seiner Nutzung eingewilligt hatte. Der Erbe tritt vielmehr in deren Rechte und Pflichten anstelle des Erblassers ein – man erbt so Schulden und Vermögen. Letzteres kann der Erbe heute etwa auch bei PayPal haben. Nicht zuletzt ist es auch ein Signal an die Außenwelt, dass jemand nicht mehr da ist, wenn die Daten entfernt werden.
Was der Verstorbene genutzt hat, sollte zu Lebzeiten in Erfahrung gebracht werden. Nur so kann der digitale Nachlass geregelt werden. Passwörter zu überlassen ist selbstverständlich Vertrauenssache, erleichtert aber ungemein das spätere Vorgehen. Ansonsten sind die weiteren Erfordernisse sehr unterschiedlich. Fast jedes Unternehmen hat Anleitungen für das Vorgehen im Todesfall auf der Website. Meist reicht eine Sterbeurkunde, um Änderungen vorzunehmen. Unternehmen mit Sitz im Ausland verlangen auch Übersetzungen – etwa Google. Bei Vermögen – Beispiel PayPal – oder vertraulichen Daten – Beispiel E-Mails – werden oft mehrere verschiedene Nachweise verlangt.
BGH-Urteil: Erben dürfen auf Facebook-Konto toter Nutzer zugreifen
Facebook muss den Eltern Einblick in das Nutzerkonto ihrer verstorbenen Tochter gewähren. Sie erhoffen sich davon, mehr über die Todesumstände zu erfahren. Die 15-Jährige war im Jahr 2012 von einer U-Bahn überfahren worden. Ob sie von selbst auf die Gleise gelangt war oder gestoßen wurde, ist unklar.
Erben treten in Nutzungsvertrag ein
Das Erbrecht ist noch nicht wirklich im Internetzeitalter angekommen. Die gesetzlichen Regeln stammen noch aus Zeiten, in denen das Internet keine Rolle spielte. Deshalb ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Meilenstein für den Umgang mit dem sogenannten digitalen Erbe. Facebook hatte das Konto der Tochter in den sogenannten Gedenkzustand versetzt. Den von ihren Eltern gewünschten Zugriff hat das Social-Media-Unternehmen abgelehnt. Dagegen sprächen die Vertragsbedingungen und der Schutz von Persönlichkeitsrechten verstorbener Nutzer. Den Charakter eines Rechtsverhältnisses höchstpersönlicher Natur, das nicht vererbbar ist, sprach der BGH dem Facebook-Nutzungsvertrag jedoch ab. Facebook übermittle Nachrichten an das Konto eines Nutzers und nicht direkt an ihn persönlich.
Nutzer müssen bereits zu Lebzeiten damit rechnen, dass andere Zugriff auf ihr Konto erhalten – unabhängig davon, ob er von ihnen gewollt oder missbräuchlich erfolgt. Nach ihrem Tod müssen sie damit rechnen, dass Erben Zugriff auf das Konto erhalten und Kenntnis von den Inhalten erlangen.
Der BGH vergleicht die Situation digitaler Inhalte mit denen in Tagebüchern und Briefen. Diese gehören unstrittig zum Erbe. Es spricht daher nichts gegen einen Zugriff der Erben auf das insofern vergleichbare Facebook-Konto. Erben erhalten deshalb auch Zugriff auf die Inhalte bei Facebook, wenn ein Nutzer stirbt.
Weder das Fernmeldegeheimnis, da Erben insofern nicht als andere Personen gelten, noch das postmortale Persönlichkeitsrecht, das gerade die Erben gelten machen können, stehen dem entgegen. Das gilt auch für das Datenschutzrecht. Die seit Mai 2018 anwendbare Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schütze nur personenbezogene Daten lebender Personen. Unabhängig davon erfolge die Verarbeitung der Daten auch gegenüber den Erben auf zulässiger Rechtsgrundlage.
Kein Zugriff auf 250 Millionen Dollar
Neben dem Erhalt von Informationen geht es beim digitalen Erbe auch um materielle Werte. Im April berichtete Forbes, dass Erben des US-amerikanischen Bankiers Matthew Mellon nicht auf dessen geschätzte 250 Millionen Dollar zugreifen können, die dieser vermutlich in der Kryptowährung XRP besaß. Erschwerend für die Erben ist in diesem Fall, dass sie nicht einmal wissen, wo sie auf das Vermögen zugreifen können. Der Verstorbene hat die Zugangsdaten aufgrund seiner großen Sorgen vor einem Diebstahl unter falschem Namen in zahlreichen Schließfächern auf der ganzen Welt versteckt. Es muss jedoch keine digitale Währung wie z. B. Bitcoin sein. Eine größere Zahl von Nutzern verfügt inzwischen ganz selbstverständlich über Guthaben in gängigen Währungen bei Anbietern wie zum Beispiel PayPal. Internetnutzer sollten daher am besten dafür sorgen, dass ihre Erben im Todesfall einfach auf die Zugangsdaten zugreifen können. Bei einem inzwischen in den Gedenkzustand versetzten Facebook-Account ist keine Anmeldung mehr möglich. Hier hilft nur der Kontakt mit Facebook weiter. (BGH, Urteil v. 12.07.2018, Az.: III ZR j183/17)
(GUE)
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Digitaler Nachlass?
Rechtstipps zu "Digitaler Nachlass" | Seite 2
-
14.02.2022 Rechtsanwältin Dr. Christine Lanwehr„… - und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit dient. V. Faktische erbschaftsteuerliche Probleme bei Kryptowährungen im Digitalen Nachlass 1. Starke Kursschwankungen Aufgrund …“ Weiterlesen
-
Bundesverfassungsgericht zu Corona-Impfung - Einrichtungsbezogene Impfpflicht bleibt vorerst!11.02.2022 Rechtsanwalt Martin Loibl„… eine vollständige Impfung und/oder Genesung muss durch Vorlage eines Impfausweises, des digitalen Impf-Codes des mit den entsprechenden Daten versehenen Genesenen-Nachweises erbracht werden. Das entschied …“ Weiterlesen
-
01.02.2022 Rechtsanwalt Manfred Zipper„… – „Wie schütze ich mich vor Betrügern? Was passiert im Falle meines Ablebens mit meinen Kryptowährungen?“ Kryptowährungen sind Bestandteil des sog. digitalen Nachlasses. Dieser umfasst diejenigen …“ Weiterlesen
-
11.01.2022 Rechtsanwältin Dr. Christine Lanwehr„Wissen Sie eigentlich, was es für Folgen hat, wenn der Erblasser Daten auf lokalen Datenträgern gespeichert hat und keine testamentarischen Vorkehrungen getroffen hat? Der digitale Nachlass umfasst …“ Weiterlesen
-
07.01.2022 Rechtsanwältin Dr. Christine Lanwehr„… zu verschaffen. Geholfen hätte in diesem Fall eine ausdrückliche Regelung des Erblassers im Hinblick auf den digitalen Nachlass und die Ergänzung dieser Regelung durch möglichst genaue Dokumentation …“ Weiterlesen
-
06.01.2022 Rechtsanwältin Dr. Christine Lanwehr„… Durchsetzung etwaiger Auskunfts- bzw. Herausgabeansprüchen. Fazit: Eine deutliche Erleichterung der Abwicklung des digitalen Nachlasses kann der Erblasser durch Erstellen und dauerhaftes Pflegen einer Liste …“ Weiterlesen
-
24.11.2021 Rechtsanwalt Florian Mund„Verträge und Nachlass digital regeln Die voranschreitende Digitalisierung erfasst immer stärker auch den Bereich des Vertragsrechts, die Kommunikation mit Behörden, sowie die Kommunikation …“ Weiterlesen
-
10.08.2021 Rechtsanwalt Lutz Arnold„… . Erbengemeinschaft werden. Diese müssen immer einstimmig entscheiden. Dabei ist es unerheblich, ob ein Erbe an dem Nachlass die Mehrheit geerbt hat oder nur z.B. „1%“. Jede Stimme zählt gleich viel und alle müssen …“ Weiterlesen
-
13.03.2021 Rechtsanwalt Florian Mund„… Passwörter. Gespeicherte Passwörter bzw. Zugangsdaten ermöglichen dem Erben unter Umständen erst, das Vermögen des Nachlasses zu nutzen, etwa für den Fall, dass der Erblasser Kryptowährung besaß. Digitale …“ Weiterlesen
-
19.06.2023 Rechtsanwalt Frank Röthemeyer„… gegeben und beim zentralen Testamentsregister registriert werden sollte. Der digitale Nachlass Etwas problematisch kann der digitale Nachlass werden. Erstens werden viele Generalvollmachten …“ Weiterlesen
-
07.12.2020 Rechtsanwalt Arno Wolf„Seit dem „Facebook-Urteil“ des BGH ist endgültig entschieden, dass der digitale Nachlass vererblich ist. Dennoch ist es sinnvoll, dass Nutzer digitaler Dienste privat vorsorgen, weil Anbieter …“ Weiterlesen
-
11.11.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… . Das Messfoto ist das einzige Beweismittel für die behauptete Geschwindigkeitsübertretung. Für dessen Auswertung ist die digitale Auswerteschablone entscheidend, welche nachträglich auf das Beweisfoto …“ Weiterlesen
-
18.11.2020 Rechtsanwalt Marek van Hattem„… zum jeweiligen Account und des Profils hat Instagram oder Facebook verstoßen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zum „digitalen Nachlass“ vom 12.07.2018 (Az.: III ZR 183/17) entschieden …“ Weiterlesen
-
03.11.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… . Diese Nachlässigkeit ist nicht selten. PoliscanSpeed soll möglichst nahe am Fahrbahnrand aufgebaut werden. Im Stativbetrieb ist es wichtig, das System auf ausreichend festem Untergrund aufzustellen, damit sich während …“ Weiterlesen
-
29.10.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… Auswertung muss die vom Hersteller mitgelieferte digitale Auswerteschablone fachgerecht angewandt werden. Hierfür ist eine Schulung notwendig. Kann diese nicht nachgewiesen werden, ist die Genauigkeit …“ Weiterlesen
-
19.10.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… ist eine Schulung der Messbeamten nötig. Fehlt diese oder sind die Messbeamten nachlässig, ist die Messung zu ungenau. Für die Auswertung des Messfotos, welches das einzige Beweismittel darstellt …“ Weiterlesen
-
18.10.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… ermittelt wird, Hierfür ist die besondere Sorgfalt der Messbeamten notwendig. Nachlässigkeit oder Unkenntnis haben hier schon sehr oft für gravierende Messfehler gesorgt. Für die richtige Auswertung …“ Weiterlesen
-
17.10.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… Sorgfalt der Messbeamten nötig ist, passieren hier die meisten Fehler. Das Foto ist das einzige Beweismittel. Für dessen Auswertung ist die digitale Auswerteschablone des Herstellers nötig …“ Weiterlesen
-
27.09.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… die Sorgfalt des Bedieners entscheidend ist, kommen hier häufig Fehler und die Messung ist aus diesem Grund ungenau. Für die Auswertung des Messfotos ist eine digitale Auswerteschablone entscheidend …“ Weiterlesen
-
09.09.2020 Rechtsanwalt Sören Cem Arslan„Das Erbrecht und Facebook: Digitaler Nachlass und dessen Umfang Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch trat auf den Tag genau am 01. Januar 1900 in Kraft. Es ist schlichtweg beeindruckend …“ Weiterlesen
-
21.08.2020 Rechtsanwalt Patrick M. Zagni„… darauf zugreifen. Diese Auflistung sollte regelmäßig aktualisiert werden. Daten, die niemanden in die Hände fallen sollen, löschen Sie am besten von Zeit zu Zeit. Erben sollten auch den digitalen Nachlass …“ Weiterlesen
-
21.09.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… der Nachlässigkeit der Beamten oder aus anderen Gründen sind diese Geräte nicht selten nicht in der erforderlichen Art und Weise geeicht und die Auswertung der Fotos erfolgt vor allem nicht in der vorgeschriebenen …“ Weiterlesen
-
28.10.2020 Rechtsanwalt Andreas Junge„… der Messfotos. Dafür ist die digitale Auswerteschablone entscheidend, die nachträglich auf das Messfoto gelegt wird. Hierfür sind bestimmte vorgegebene Parameter einzuhalten, was jedoch wegen …“ Weiterlesen
-
06.07.2020 Rechtsanwalt Lars Frederick Rohn„Jahrelang wurde die Wirecard AG als das Vorzeigeunternehmen im digitalen Bankgeschäft gefeiert und konnte zwischenzeitlich mit einem jährlichen Durchschnittswachstum von 36 Prozent beeindrucken …“ Weiterlesen