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Schlauer sein als der bissige Störenfried – das ABC zur Zeckensaison

  • 6 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion
  • Aufgrund der milden Temperaturen sind Zecken dieses Jahr früher als üblich aktiv.
  • Bereits bei 6 bis 8 Grad erwachen Zecken aus ihrer Winterstarre.
  • Zecken übertragen die gefährlichen Krankheiten FSME und Borreliose.
  • Zahlreiche Unfallversicherungen haften bei Zeckenstichen nicht.

Die winzige Zecke ist gleichermaßen gefährlich wie sie lästig ist. Sie hat nicht nur eine Vorliebe für frisches Menschenblut, sondern kann unter anderem auch als Überträger der Lyme-Borreliose oder Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) fungieren. 

Mit Borreliose und FSME ist nicht zu spaßen

Die ersten Symptome der Lyme-Borreliose sind in der Regel Hautrötungen, Fieber, Bindehautentzündung sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Im Endstadium können chronische Gelenkschmerzen und -lähmungen sowie eine Gehirn- und Rückenmarkentzündung die Folge sein. 

Eine FSME-Erkrankung ist häufig im Anfangsstadium kaum von einer konventionellen Grippe zu unterscheiden und kann im schwersten Fall zu bleibenden Schäden im Zentralen Nervensystem und sogar zum Tod führen. Beide Krankheiten werden durch die mit den jeweiligen bakteriellen Erregern bzw. Viren infizierte Zecke übertragen.

FSME gilt in Deutschland als meldepflichtig. Aktuell wird vermutet, dass jede fünfte Zecke mit Borrelioseerregern (Borrelien) befallen ist, während das FSME-Virus betont seltener auftritt. Mittlerweile ist es möglich, den Körper durch eine spezielle Impfung gegen FSME zu immunisieren. Die Borreliose kann dagegen aktuell nur – am besten so früh wie möglich im Verlauf der Erkrankung – mit Antibiotika bekämpft werden. Ein Impfstoff existiert zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Viele „Fakten“ über die Zecke sind in Wirklichkeit Fiktion

Zuletzt wurde laut dem Robert-Koch-Institut eine jährliche Anzahl von rund 214.000 Borreliose-Infektionen in Deutschland geschätzt. Dass hieran auch die Vielfalt an Ammenmärchen und Gerüchten über die blutsaugenden Überträger nicht ganz unschuldig sein kann, liegt auf der Hand. So gehört etwa die häufig verbreitete „Tatsache“, dass sich die achtbeinigen Spinnentiere ausschließlich in Nadelbäumen aufhalten, um sich von dort auf ihre Opfer herabzustürzen, ganz und gar ins Reich der Mythen. 

Vielmehr halten sich die Spinnentiere mit dem robusten Chitinpanzer auch mit großer Vorliebe in Gräsern, Büschen und abgefallenem Laub auf. Ein Spaziergang im Grünen ohne das geeignete Schuhwerk kann so zum Verhängnis werden. Wer also nach einem Ausflug ins Grüne ausschließlich überprüft, dass die Kopfhaut unversehrt und „schädlingsfrei“ ist, kann eine böse Überraschung erleben.

Die vereinzelten Berichte über „zeckenverseuchte“ Weihnachtsbäume sind zwar umstritten, sollten aufgrund der Vorliebe des kleinen Blutsaugers für dichtes Gebüsch dennoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Und übrigens: Da die Zecke zum Blutsaugen einen Stechrüssel einsetzt, ist es streng genommen nicht zutreffend, von einem Zeckenbiss zu sprechen. Zudem sind Zecken genau genommen keine Insekten. Vielmehr gehören sie zu den Spinnentieren und sind zudem mit den Milben verwandt. 

Die Zecke hat doch zugeschlagen? Die Devise: Ruhe bewahren

Wenn alle Vorsicht einmal nicht gefruchtet haben sollte, ist eine goldene Regel unbedingt zu beherzigen: Wer den lästigen Blutsauger zerdrückt, anstatt ihn vorsichtig mit etwa einer spitzen Pinzette oder einer speziellen Zeckenzange zu entfernen, geht ein erhöhtes Risiko ein. 

Denn so ist es besonders wahrscheinlich, dass tatsächlich der Speichel des Spinnentiers – der als der direkte Überträger der Krankheitserreger fungiert – in die Wunde gelangt. Auch wenn das Tierchen nach kurzer Zeit erfolgreich entfernt wurde – sobald sich die Einstichstelle rötet, schmerzt oder juckt, sollte am besten sofort ein Arzt aufgesucht werden.

Durch Zecken übertragene Borreliose als Berufskrankheit?

Besonders ärgerlich ist es, wenn das Unglück mit schwerwiegenden Folgen daraus resultiert, dass der Betroffene seinem Tagesgeschäft nachgegangen ist. Juristisch gesehen ist die Anerkennung von Lyme-Borreliose und FSME als Berufskrankheit allerdings möglich. 

Beide Krankheiten sind in der Ziffer 3102 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgeführt. Ein wichtiger Aspekt für die Beurteilung jedes Einzelfalls ist jedoch das direkte Vorkommen des jeweiligen Erregers am Arbeitsplatz – wodurch sich die Bandbreite der möglichen Berufe stark eingrenzt.

Durch Zecken übertragene Borreliose als Dienstunfall

Abseits des Falls der Berufskrankheit kann die Rechtsprechung jedoch flexibler sein. Unter anderem ist der Fall einer Lehrerin bekannt, deren Borreliose-Erkrankung durch den Stich einer infizierten Zecke während eines Schulprojekts im Wald als Dienstunfall anerkannt wurde (BVerwG, Beschluss v. 03.12.2008, Az.: 2 B 72.08). Auch einem Forstbeamten, der regelmäßig Außendienst verrichtete und nach einem Zeckenstich positiv auf Borreliose getestet wurde, wurde ein Dienstunfall zuerkannt (VG Braunschweig, Urteil v. 26.03.2007, Az.: 7 A 356/06).

Ein im Dienst am Straßenrand von einer Zecke gestochener Polizist bekam nach einer Klage gegen seinen Dienstherrn und einer abgewiesenen Berufung ebenso recht (OVG Saarland, Urteil v. 22.04.2009, Az.: 1 A 155/08). Ein staatlich beschäftigter Vermessungsingenieur, der einen Außentermin im Wald wahrnahm, hatte dagegen weniger Erfolg – hier bewies das medizinische Gutachten nicht ausreichend, dass seine Gelenkerkrankung mit einer durch einen Zeckenstich übertragenen Lyme-Borreliose in Verbindung stand (VG München, Urteil v. 18. 06.2013, Az.: M 12 K 13.705). 

Ein Urteil aus dem letzten Jahr zum Thema verdeutlicht erneut die schwierige Beweislage, mit der sich viele Betroffene vor Gericht konfrontiert sehen. Ein Polizist, der angab, während einer Nachtschicht von einer Zecke gestochen worden zu sein, hatte bislang auch nach einem vierjährigen Rechtsstreit noch keinen Erfolg. Zuletzt entschied das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen über den Fall. 

Nach Meinung der Richter blieb der Beamte jedoch weiterhin angemessene Beweise schuldig, dass er tatsächlich während seiner Dienstzeit gestochen worden war. Insbesondere wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass es dem Polizisten weder gelungen war, die genaue Zeit noch den genauen Ort zu bestimmen, an dem er sich den Parasiten eingefangen hatte (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.07.2017, Az: 3 A 2748/15).

Durch Zecken übertragene Borreliose als Arbeitsunfall

Ähnlich erfolglos war ein bei der AOK angestellter Justiziar gewesen, bei dem nach einer Dienstreise eine Lyme-Borrelioseinfektion aufgetreten war. Er hatte sich während einer Dienstreise einen Insektenstich an seiner linken Kniekehle zugezogen und machte postwendend einen Arbeitsunfall geltend. 

Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass gemäß § 8 Abs. 1 Satz SGB VII ausschließlich Unfälle, die sich infolge einer versicherten Tätigkeit ereignen, als Arbeitsunfall anzuerkennen sind. Dass eine ebensolche Tätigkeit vorgelegen hatte, habe der Kläger jedoch nicht ausreichend beweisen können.

Zudem hatte sich sein Bericht des Vorgangs teils als widersprüchlich erwiesen. Zuerst hatte er angegeben, dass er die Stichstelle auf dem Weg ins Hotel vorgefunden hatte. Bei einer späteren Gelegenheit hatte er die Behauptung aufgestellt, dass ihm der Stich erst nach der Übernachtung in seinem Hotel aufgefallen war. 

Ferner hatte er letztendlich auch keinen Beweis dafür liefern können, dass tatsächlich ein Zeckenstich vorgelegen habe. Der Kläger erlitt bereits Anfang 2012 vor Gericht Schiffbruch und auch seine Berufung im vergangenen Jahr wurde kürzlich abgewiesen (LSG NRW, Urteil v. 08.02.2017, Az.: L 17 U 619/16).

Keine Frage: Juristisch gesehen bleibt ein Zeckenstich während der Dienst- oder Arbeitszeit ein durchaus komplexes Unterfangen.

Unzureichender Versicherungsschutz als weitere Stolperfalle

Und auch was den Versicherungsschutz angeht, ist Vorsicht geboten. Zahlreiche Unfallversicherungen enthalten die sogenannte Infektionsklausel, die die Haftung bei durch Insekten übertragenen Krankheiten konsequent ausschließt. Gerade wer viel Zeit im Freien verbringt, sollte hier unbedingt mit dem Versicherer Rücksprache halten, damit es im Ernstfall kein böses Erwachen gibt.

Am allerbesten ausreichend vorsorgen

Das ebenso altehrwürdige wie stichhaltige Sprichwort „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ könnte also wieder einmal zutreffender nicht sein. Das A und O ist, einen Ausflug ins Grüne adäquat ausstaffiert anzutreten und nach der Rückkehr Haut und Kleidung auf die lästigen Blutsauger zu überprüfen. Und falls trotz allem der Ernstfall eintritt, sollte frühzeitig, aber besonnen agiert werden. 

Zugestanden mag sich so mancher Freizeit-Pantheist barfuß und mit Touri-Outfit naturverbundener fühlen, doch gemessen an den folgenschweren Risiken, denen er sich somit stellt, dürfte ein solcher Wermutstropfen schnell vergessen sein. Wir wünschen also „blutsaugerfreien“ Spaß im Grünen in den Frühlingsmonaten!

(JSC)

Foto(s): ©Fotolia.com

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