Wann kann Schmerzensgeld als Schmerzensgeldrente gefordert werden?

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Grundsätzlich wird Schmerzensgeld in Form einer Einmalzahlung abgegolten, unabhängig davon, ob der Geschädigte einen Dauerschaden erlitten hat. Unter eng umgrenzten Voraussetzungen kann das Schmerzensgeld jedoch ergänzend oder anstelle einer Einmalzahlung als lebenslange Rente gewährt werden. Dies ist der Fall, wenn eine schwere Beeinträchtigung (z. B. eine Querschnittslähmung, der Verlust wichtiger Gliedmaßen oder eine schwerwiegende Hirnschädigung) mit besonders gravierenden Folgen vorliegt und sich der Geschädigte der schweren Beschränkungen seines Lebens auch bewusst werden kann und er diese daher permanent schmerzlich aufs Neue erlebt. 

Zudem muss es sich um eine lebenslange Beeinträchtigung handeln, d. h., es muss sicher sein, dass eine Besserung nicht mehr zu erwarten ist (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.1994 – Az.: VI ZR 44/93, Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24.6.2013 – Az.: 1 U 136/12; Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 23.6.2011 – Az.: 12 U 263/08). Der Umstand, dass ein Geschädigter in finanziellen Dingen unerfahren ist und daher eine Verwirtschaftung eines einmaligen Kapitalbetrag droht oder die Besorgnis einer Entwertung des Kapitals infolge allgemeiner Wirtschafts- und Währungsverhältnisse, sind hingegen für die Entscheidung der Zubilligung einer Schmerzensgeldrente nicht berücksichtigungsfähig.

Die Entscheidung, ob das Schmerzensgeld als einmaliger Kapitalbetrag und/oder als Rente zu zahlen ist, liegt im Ermessen des Tatrichters. Umstritten ist dabei, ob es einen entsprechenden Antrag des Geschädigten bedarf. Jedenfalls gilt: Die Zahlung einer Rente kann nicht gegen den Willen des Geschädigten festgesetzt werden.

Zweck der Schmerzensgeldrente

Zwecks des Schmerzensgeldes ist es, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittenen Beeinträchtigungen zu verschaffen. Bei Dauerschädigungen, die den Betroffenen fortwährend bis zum Ende seines Lebens begleiten, entspricht die Schmerzensgeldrente, die ebenfalls einen fortwährenden Ausgleich verschafft, diesem Ziel in einem höheren Maße als eine einmalige Kapitalabfindung. Die Schmerzensgeldrente gibt dem Betroffenen die Möglichkeit, sein beeinträchtigtes Lebensgefühl stets von Neuem durch zusätzliche Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu heben. Hiermit soll dem Betroffenen ein stetig spürbarer Ausgleich für die entgangene Lebensfreude gewährt werden. 

Vor diesem Hintergrund muss auch die einzelne Rentenzahlung als angemessener Ausgleich für Schmerzen und verminderte Lebensfreude empfunden werden und nicht lediglich als geringfügige Einnahme, die für den laufenden Lebensunterhalt verbraucht wird (Landgericht Kleve, Urteil vom 09.02.2005 – Az.: 2 O 370/01). Monatliche Rentenbeträge unter 50 Euro werden daher in der Rechtsprechung regelmäßig abgelehnt, da sie dem vorgegebenen Zweck nicht gerecht werden.

Umfang der Schmerzensgeldrente

Die Zubilligung einer Schmerzensgeldrente neben einer Einmalzahlung darf nicht dazu führen, dass das angemessene Schmerzensgeld höher ausfällt, als es bei Gewährung einer Einmalzahlung der Fall gewesen wäre. Vielmehr müssen die Schmerzensgeldrente sowie ein daneben stehendes Schmerzensgeld als einmaliger Kapitalbetrag im Rahmen einer Gesamtbetrachtung gemeinsam ein angemessenes Schmerzensgeld ergeben (OLG Brandenburg, Urteil vom 23.06.2011 – Az.: 12 U 263/08). Stets ist deshalb bei der Schmerzensgeldbemessung in einem ersten Schritt ein angemessenes Schmerzensgeld in Sinne eines einmaligen Kapitalbetrags zu bestimmen. 

Anschließend ist zu prüfen, welcher Anteil hiervon verrentet werden soll. Für die Berechnung des hieraus resultierenden Rentenbetrages ist die statistische und individuelle Lebenserwartung des Betroffenen zu berücksichtigen. So kann bei einer individuell verkürzten Lebenserwartung der monatliche Rentenbetrag höher ausfallen als bei der statistischen Durchschnittslebenserwartung. Anderenfalls würde der Geschädigte unbillig benachteiligt.

Nachjustierung des Schmerzensgeldanspruchs

Kommt es im Laufe der Zeit zu unvorhersehbaren wesentlichen Änderungen, kann die Schmerzensgeldrente für die Zukunft nach Maßgabe des § 323 ZPO angepasst werden. Dies ist bei Vorliegen besonderer Umstände auch bei einer wesentlichen Veränderung der Lebenserhaltungskosten möglich. Zwar sind die Gesundheit und das seelische Wohlbefinden, zu dessen Beeinträchtigungsausgleich die Schmerzensgeldrente dient, nicht vergleichbar, jedoch erkennt der Bundesgerichtshof zu Recht, dass die Ausgleichsmöglichkeit für den Geschädigten gemindert oder wertlos werden kann, wenn es zu einer erheblichen Geldentwertung bzw. zu einem erheblichen Anstieg der Lebenserhaltungskosten kommt (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2007 – Az.: VI ZR 150/06). 

Entscheidend ist letztlich, ob die Schmerzensgeldrente ihre Schadensausgleichsfunktion noch erfüllt. Hierfür bedarf es einer Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung der Rentenhöhe, des zugrunde liegenden Kapitalbetrages und der bereits gezahlten und voraussichtlich noch zu zahlenden Beträge (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2007 – Az.: VI ZR 150/06).

Bei einer einmaligen Kapitalentschädigung wird abschließend eine Prognose für die zukünftige Entwicklung angenommen. Bei einer außergerichtlichen Einigung wird dabei in der Regel eine abschließende Regulierung getroffen, die sowohl vorhersehbare als auch unvorhersehbare Beeinträchtigungen erfasst. Eine Nachjustierung ist in diesem Falle nicht möglich. 

Im Rahmen einer gerichtlichen Festsetzung hingegen sind mit dem Kapitalbetrag als Schmerzensgeld regelmäßig alle bereits eingetretenen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zukünftigen Schmerzen und Beeinträchtigungen abgegolten. Bei Eintritt nachträglicher, nicht vorhersehbarer Beeinträchtigungen verbleibt dem Geschädigten damit die Möglichkeit einer Nachklage.


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