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Aktuelles zu Hartz IV für Familien mit Kindern

  • 4 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Für Familien mit Kindern, die Arbeitslosengeld II beziehen, ist es heutzutage nicht einfach, über die Runden zu kommen. Diesem Umstand tragen inzwischen auch die Sozialgerichte Rechnung. Die Redaktion von anwalt.de stellt einige wichtige Urteile vor, gibt einen Überblick über die Maßnahmen des Gesetzgebers zur Verbesserung der Lage von Kindern und berichtet von einem Urteil des Landessozialgerichts Hessen, das Familien mit Kindern zugute kommt, die Leistungen nach dem Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) erhalten.

[image]Neues von den Sozialgerichten

Das Bundessozialgericht hat letzte Woche mehrere wichtige Entscheidungen für Familien mit Kindern getroffen. Der 14. Senat hat beschlossen, dass die ARGE die gesamten Kosten für Klassenfahrten übernehmen muss, auch wenn es sich um mehrtägige Klassenfahrten ins Ausland handelt, die teurer als die regulären Klassenfahrten sind (Az.: B 14 AS 36/07 R). Weniger erfreulich ist dagegen die Entscheidung der Kasseler Sozialrichter für Kinder, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem neuen Partner eines Elternteils als Patchworkfamilie zusammenleben: Reicht das Einkommen des neuen Partners zur Bedarfsdeckung aus, hat das Kind keinen Anspruch auf Hartz IV-Leistungen (Az.: B 14 AS 2/08).

Erst seit dem 17. Dezember 2007 ist die Anrechung von Verpflegungskosten als Einkommen gesetzlich geregelt. In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht einem Hartz IV-Empfänger Recht gegeben, der im Haushalt seiner Eltern lebte und von ihnen im Jahr 2005 verpflegt worden war. Die Arbeitsagentur berücksichtigte diese Verpflegungskosten als bedarfsminderndes Einkommen. Diese Kürzung ist rechtswidrig, entschied das Bundessozialgericht. Solche Verpflegungskosten dürfen bei der Einkommensberechnung jedenfalls nicht berücksichtigt werden, wenn sie bis zum 17. Dezember 2007 angefallen sind. Denn bis zu diesem Stichtag fehlt eine gesetzliche Grundlage für die Kürzung des Arbeitslosengeldes II wegen Vollverpflegung. Ob die Neuregelung bezüglich der Verpflegungskosten rechtens ist, musste vom Gericht im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden (Az.: B 14 AS 46/07 R).

Aktuelle Gesetzesreformen

Voraussichtlich zum 1. Januar 2009 tritt das Familienleistungsgesetz in Kraft, das eine gestaffelte Kindergelderhöhung vorsieht: für jedes erste und zweite Kind erhöht sich das Kindergeld um 10 Euro auf 164 Euro, für das dritte Kind um 16 Euro auf 170 Euro und für das vierte und jedes weitere Kind um 16 Euro auf je 195 Euro. Kinder, deren Familien Arbeitslosengeld II beziehen, haben von dieser Kindergelderhöhung jedoch keine finanziellen Vorteile. Denn das Kindergeld wird weiterhin bedarfsmindernd bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigt.

Ergänzender Hinweis: Damit Bedürftige zu ihrem Recht kommen, gewährt der Rechtsstaat Prozesskostenhilfe und für die außergerichtliche Beratung Beratungshilfe. Den im Beratungshilfegesetz vorgesehenen Ausschluss von steuerrechtlichen Streitigkeiten hat das Bundesverfassungsgericht kürzlich bei Rechtsfragen rund um das Thema Kindergeld für verfassungswidrig erklärt. Somit können Bedürftige bei Problemen mit dem Finanzamt wegen dem Kindergeld Beratungshilfe in Anspruch nehmen (Az.: 1 BVR 2310/06). Im Bereich der Prozesskostenhilfe bestätigte das Oberlandesgericht Naumburg darüber hinaus, dass bei der Prüfung eines Prozesskostenhilfeantrags eines Elternteils das Kindergeld nicht als Einkommen berücksichtigt werden darf, wenn es an das Kind ausgezahlt wird (Az.: 3 WF 61/08).

Immerhin erhalten Kinder und Jugendliche, die Sozialleistungen nach SGB XII oder Hartz IV (SGB II) beziehen, ab dem kommenden Jahr für Schul- und Unterrichtskosten zusätzlich pauschal 100 Euro jährlich. So soll sichergestellt werden, dass sie sich Stifte, Bücher, Schulranzen und andere Unterrichtsmaterialien kaufen können.

Tipp für Eltern: Bitte Quittungen und Bons aufheben, wenn Schulsachen gekauft werden. Damit kann man notfalls belegen, dass das Geld für Schulbedarf ausgegeben wurde, falls die Behörden vor Ort einen entsprechenden Nachweis fordern.

Regelleistungen für Familien

Bislang hat das Bundessozialgericht dem Gesetzgeber in Hinblick auf die Höhe der Regelleistungen nach SGB II und SGB XII viel Freiraum zugestanden. Aber das könnte sich bald ändern. Ein kleiner Lichtblick dürfte für bedürftige Familien mit Kindern eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts sein. Die Sozialrichter verwiesen eine Klage, bei der es um die Bemessung der Regelleistung ging, zur weiteren Prüfung an das Bundesverfassungsgericht.

Eine Familie bekam von der ARGE als Bedarfsgemeinschaft lediglich pro Elternteil 311 Euro und für das 1994 geborene Kind 207 Euro bewilligt. Dagegen zog die Familie vor Gericht, um zusätzlich jeweils 133 Euro pro Erwachsenen und 89 Euro für das minderjährige Kind zu erhalten. Nachdem ihr Widerspruch und die erstinstanzliche Klage abgewiesen worden waren, ordnete das Landessozialgericht schließlich die Erstellung von vier Gutachten zur Überprüfung der Angemessenheit der Regelsätze an.

Nach den vier Gutachten und mündlicher Verhandlung kamen die Darmstädter Richter jetzt zu einem anderen Ergebnis als Behörde und Vorinstanz: Die Regelsätze werden dem Bedarf von Familien mit Kindern nicht gerecht und sind daher nicht verfassungskonform. Denn mit diesem Betrag kann nicht das soziokulturelle Existenzminimum von Familien gewährleistet werden. Außerdem fehlt bislang eine Begründung, warum sich der Satz für Kinder auf 60 Prozent der Regelleistung für Erwachsene beschränkt. Es ist auch nicht ersichtlich, warum ein 14-jähriges Kind denselben Regelsatz wie ein Säugling erhält, obwohl bei ihm tatsächlich ein höherer Bedarf besteht, so der 6. Senat weiter.

Das Landessozialgericht bezieht sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998, das in einem ähnlichen Fall jedenfalls in Hinblick auf den Steuerfreibetrag den damaligen Regelsatz für verfassungswidrig erklärt hatte, weil dabei der außerschulische Bildungsbedarf von Kindern vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden war (Az.: 2 BvL 42/93). Diese höchstrichterliche Entscheidung zur steuerrechtlichen Verschonungsgrenze wurde nach Ansicht des Hessischen Landessozialgerichts bei der Festlegung des Hartz IV-Regelsatzes nicht berücksichtigt. Daher halten die Richter des Landessozialgerichts die Regelsätze für verfassungswidrig. Ihrer Meinung nach sind sie weder mit der Menschenwürde, dem Gleichheitsgebot noch mit dem sozialen Rechtsstaat vereinbar.

Nun wird das Bundesverfassungsgericht die Frage zu klären haben, ob der Regelsatz den Anforderungen des Grundgesetzes genügt. Ein erster Schritt zur Klärung dieser für Familien mit Kindern überaus wichtigen Rechtsfrage wurde vom Landessozialgericht Hessen jedenfalls getan (Az.: L 6 AS 336/07).

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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