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Bundesarbeitsgericht: Kündigung wegen Wiederheirat unwirksam

  • 2 Minuten Lesezeit
Paula Böttger anwalt.de-Redaktion
  • Kirchliche Träger dürfen je nach Konfession keine unterschiedlichen Loyalitätsanforderungen an Arbeitnehmer stellen. 
  • Der EuGH schränkt damit das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ein.
  • Die Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat ist deswegen unwirksam.

Der Fall

Der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf erhielt die Kündigung, nachdem sein Arbeitgeber von seiner Wiederheirat erfuhr. Der römisch-katholische Arbeitnehmer hatte sich im Jahr 2008 nach langer Trennungszeit von seiner Frau scheiden lassen und im August desselben Jahres standesamtlich seine zweite Ehefrau geheiratet.

Die Kirche sah darin eine Verletzung der Vertragspflichten aus dem Arbeitsvertrag, da der katholische Arbeitnehmer das Sakrament der Ehe nicht eingehalten und somit seine Loyalitätspflicht gegenüber den kirchlichen Gesetzen gebrochen hatte. Der kirchliche Arbeitgeber sprach die Kündigung aus. Der Chefarzt fühlte sich diskriminiert, da konfessionslose Arbeitnehmer des gleichen Krankenhauses bei Wiederheirat nicht gekündigt wurden. Er legte die Kündigungsschutzklage vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Az.: 5 Sa 996/09) ein.

Die bisherigen Entscheidungen

Das Arbeitsgericht gab dem Kläger recht und urteilte (Az.: 2 AZR 543/10), dass eine Wiederheirat keine Vertragspflichtverletzung vonseiten des Arztes darstellte. Daraufhin erhob das Krankenhaus Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (Az.: 2 BvR 661/12) mit der Begründung, dass Art. 140 Grundgesetz (GG) Kirchen und ihre Trägern dazu berechtigt, innere Verwaltungsangelegenheiten selbstständig zu regeln. Das Urteil des Arbeitsgerichtes richte sich gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Daraufhin landete der Fall beim EuGH, der zu klären hatte, ob die Kündigung wegen Wiederheirat gegen die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG verstößt. Der EuGH urteilte (Az.: C-68/17), dass unterschiedliche Anforderungen an Arbeitnehmer je nach Konfession nur dann keine Diskriminierung darstellen, wenn die Anforderungen bezüglich der beruflichen Tätigkeit sinnvoll sind – so z. B. beim Beruf eines katholischen Pfarrers. Um das zu überprüfen, gab der EuGH den Fall zur abschließenden Überprüfung an das Bundesarbeitsgericht (BAG) zurück.

Endgültige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Am 20. Februar 2019 entschied das BAG endgültig über die Frage, ob kirchliche Träger unterschiedliche Anforderungen an das Privatleben der Arbeitnehmer stellen dürfen, je nachdem, woran der Arbeitnehmer glaubt. Das BAG sieht in der Wiederverheiratung kein sozial verwerfliches Verhalten und auch keine Loyalitätsverletzung, die zur Pflichtverletzung eines Dienstvertrages führen würde. Außerdem ist es bei der Ausübung der Tätigkeit eines Chefarztes nicht wichtig, welcher Konfession dieser angehört. Dementsprechend bleibt die Kündigung des Chefarztes unwirksam. 

Folgen 

Historisch gesehen haben Kirchen und kirchliche Träger dank des in der Verfassung verankerten Selbstbestimmungsrechts (Art. 140 GG) eine Sonderrolle im Arbeitsrecht inne. Besonders im Kündigungsrecht konnte sich die Kirche bis jetzt stark auf ihre Sonderrechte berufen: Verstieß in der Vergangenheit ein katholischer Arbeitnehmer gegen das Kirchenrecht, zum Beispiel durch Scheidung, konnte das regelmäßig als vertragliche Pflichtverletzung gewertet und dementsprechend die Kündigung ausgesprochen werden. Das hat sich jetzt zumindest teilweise geändert: Auch die Kirche muss sich an Europarecht halten.

(PBO)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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