Ehe ohne (Rechts-)Folgen?
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Der vor kurzem beschlossene Wegfall der Standesamt-Pflicht für die Eheschließung zum 1. Januar 2009 wurde in den Medien meist als Fortschritt gefeiert. Die neue Rechtslage sieht vor, dass kirchliche oder andere religiöse Eheschließungen zukünftig auch dann durchgeführt werden dürfen, wenn das Paar nicht standesamtlich verheiratet ist. Doch wer auf den Gang zum Standesamt verzichtet, für den hat die nur kirchlich-religiöse Ehe keinerlei Rechtsfolgen. Das Redaktionsteam von anwalt.de beleuchtet die Hintergründe und zeigt, auf welche ehelichen Rechte man jedoch ohne standesamtliche Trauung verzichtet.
[image] Personenstandsreformgesetz
Der Wegfall der Pflicht zur standesamtlichen Eheschließung (sogenannte „Zivilehe“) wurde bereits 2007 mit dem Personenstandsreformgesetz vom Gesetzgeber beschlossen. Bisher waren kirchliche oder andere religiöse Trauungen nur nach einer vorherigen standesamtlichen Eheschließung erlaubt. Bei einem Verstoß hiergegen lag seitens des Geistlichen eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 67, 67a Personenstandsgesetz vor. Mit dem Reformgesetz werden diese beiden Paragraphen zum 1. Januar 2009 aufgehoben. Damit wird die religiöse Trauung eines zivilrechtlich nicht verheirateten Paares nicht mehr als Ordnungswidrigkeit sanktioniert.
Achtung: Es bleibt jedoch dabei, dass nur eine vor dem Standesamt geschlossene Ehe, eine gesetzlich anerkannte Ehe im Sinne des § 1350 Bürgerliches Gesetzbuch ist. Nur aus dieser zivilrechtlich geschlossenen Ehe ergeben sich für die Ehepartner auch juristisch die Rechte und Pflichten als Eheleute. Eine religiöse Trauung kann diese nicht bewirken.
Keine rechtliche Bindung
Somit entfalten nur standesamtliche Eheschließungen rechtliche Wirkungen, rein kirchliche oder andere religiöse Trauungen haben keinerlei juristische Bedeutung. Damit sind solche Eheschließungen äußerst riskant. Denn ohne Standesamt verzichten die Betroffenen nicht nur auf eheliche Pflichten, sondern vor allem auf alle Rechte, die mit der gesetzlich anerkannten Eheschließung einhergehen. Vor dem Gesetz gelten sie als unverheiratet.
Es entfallen dann insbesondere folgende Vorteile und gesetzliche Ansprüche:
Keine Fürsorgepflichten der Partner
Einer der grundlegenden Entscheidungsgründe für eine Ehe ist der Wille und die Bereitschaft der lebenslangen ehelichen Lebensgemeinschaft und des Füreinander-Einstehens. Die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft und zur gegenseitigen Verantwortung füreinander ist vom Gesetzgeber für die Zivilehe in § 1353 BGB verankert. Nur wer zivilrechtlich verheiratet ist, kann von seinem Partner erwarten und verlangen, dass er mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt und einen gemeinsamen Alltag gestaltet. Die Zivilehe sieht vor, dass die Eheleute sich gegenseitig in allen Angelegenheiten Beistand leisten und Rücksicht nehmen, beispielsweise bei der Gesundheitssorge, der Berufsplanung, der Bildung von gemeinsamen Vermögenswerten und der Familienplanung.
Gemeinsame Kinder: Kein Sorgerecht
Erhebliche Nachteile bringt die rein kirchliche Eheschließung auch im Hinblick auf das Sorgerecht. Die Vaterstellung wird in dieser Konstellation von der Rechtsordnung nur soweit anerkannt, dass dem nichtehelichen Vater ein Umgangsrecht zusteht. Das Sorgerecht erhält er jedoch nur mit Zustimmung der Mutter. Auch weitere Vorteile, die Familienangehörige genießen, wie beispielsweise das Zeugnisverweigerungsrecht oder die Informationsrechte bei Krankheit (z.B. nach einem Unfall), Pflege und Bestattung eines Angehörigen entfallen. Auch das ansonsten bestehende Eintrittsrecht des Ehegatten bei Tod des Mieters in den Mietvertrag (§ 563 Absatz 1 BGB) entfällt, wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht standesamtlich geschlossen wurde.
Keine Unterhaltsansprüche
Grundsätzlich hat eine solche Ehe keine unterhaltsrechtlichen Folgen. Einen Unterhaltsanspruch im Fall der Trennung und der Scheidung gibt es nicht. Damit bedeutet der Verzicht auf eine standesamtliche Trauung auch den Verzicht auf den ansonsten bei der gesetzlich anerkannten Ehe bestehenden Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt. Gleiches gilt für den nachträglichen Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich.
Keine Steuervorteile
Auch in Hinblick auf das Steuerrecht entfaltet eine rein kirchliche Trauung keinerlei Rechtswirkung. Damit entfallen hier die ansonsten für Ehegatten vorgesehenen steuerrechtlichen Vergünstigungen, wie beispielsweise das Ehegattensplitting. Das ist der Steuertarif für Ehegatten, bei dem im Rahmen der Einkommensteuererklärung das Einkommen wechselseitig angerechnet und halbiert wird und eine Besteuerung nicht nach der Leistungsfähigkeit des einzelnen, sondern gleichmäßig auf beide Ehegatten verteilt mit einem niedrigeren Steuersatz veranlagt wird (§§ 26 ff. Einkommensteuergesetz, EStG). In der Regel ist diese Besteuerungsform günstiger für die Eheleute als die getrennte Veranlagung.
Kein gesetzliches Erbrecht
Ein wichtiges Argument für die standesamtliche Eheschließung liefert das Erbrecht. Denn nur, wenn die Ehe gesetzlich anerkannt ist, erhält der Ehegatte im Todesfall des Partners die Stellung als gesetzlicher Erbe, d.h. die Hälfte des Nachlasses. Ohne standesamtliche Trauung ist höchstens Erbeinsetzung durch ein Testament möglich. Ohne eine testamentarische Regelung führt eine nicht-standesamtliche Ehe dazu, dass eventuell entfernte Verwandte den Nachlass erben, während der Ehegatte nicht als Erbe berücksichtigt wird. Ihm stehen keinerlei gesetzliche Ansprüche zu. Sogar bei der testamentarischen Erbeinsetzung bleibt der nicht verheiratete Partner benachteiligt, weil er die Freibeträge der Erbschaftsteuer für Ehegatten (derzeit 307.000 EUR €) nicht in Anspruch nehmen kann.
Keine Hinterbliebenenrente
Letztlich scheiden auch Ansprüche in Hinblick auf die gesetzliche Rentenversicherung bei einer nicht-standesamtlich geschlossenen Ehe aus. Hier besteht dann kein Anspruch auf Witwenrente. Hinweis: Seit dem Jahr 2005 wird auch eine gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt. Allerdings gilt auch hier: Nur wenn die Lebenspartnerschaft vor dem Standesamt geschlossen wurde, entfaltet sie Rechtswirkungen.
Fazit: Standesamt bleibt meist ein Muss
Der Gang zum Standesamt lohnt sich also auf jeden Fall. Auch wenn man sich auf den ersten Blick vielleicht den bürokratischen Aufwand sparen möchte. Die anwalt.de-Redaktion rät Heiratswilligen, unbedingt das Standesamt bei der Eheschließung einzuschalten. Denn ansonsten bleibt die Ehe ein rein religiöses Partnerschaftsbekenntnis ohne jegliche Rechtsfolgen.
Einzig bei Paaren im Rentenalter bietet die rein kirchlich-religiöse Trauung eine Alternative: Wenn bereits verwitwete Partner wieder heiraten, verlieren sie jeweils ihre Ansprüche aus einer Witwenrente, so dass oftmals aus finanziellen Gründen die zivile Eheschließung nachteilig wäre. Oft möchten sie auch keine Änderung ihrer erbrechtlichen Nachfolge riskieren. Das Bedürfnis nach einem Eheversprechen ohne rechtliche Folgen kann hier das neuerdings zulässige, rein religiöse Partnerbekenntnis erfüllen.
Darüber hinaus sollte man sich in jedem Fall fachkundig vor einer Eheschließung beraten lassen. In vielen Fällen bietet ein Ehevertrag eine gute Möglichkeit, individuelle Vereinbarungen zu treffen, beispielsweise zum Unterhaltsrecht oder wenn Vermögen vorhanden ist.
Beispiel: Großer Alters- und Vermögensunterschied
Auf die individuelle Lebenssituation kann zum Beispiel mit einer Herabsetzung der Zugewinnquote, eine Ersetzung des Versorgungsausgleichs durch eine Lebensversicherung oder Unterhalt nicht an die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern an der beruflichen Stellung des Partners reagiert werden(WEL)
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