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Die fiktive Abnahme und ihre Bedeutung im Rechtsstreit

  • 5 Minuten Lesezeit
Die fiktive Abnahme und ihre Bedeutung im Rechtsstreit

Unter der Abnahme versteht man die Entgegennahme und die Akzeptanz der Werkleistung durch den Auftraggeber als vertragsgemäß. Wenn nun ebendiese Akzeptanz mit der Werkleistung nicht vorliegt und aufgrund dessen keine Abnahme durch den Auftraggeber erfolgt, kann es jedoch unter Umständen zu einer Abnahmefiktion kommen.  

Die fiktive Abnahme hat dann dieselben weitreichenden Wirkungen wie jede andere Abnahme. Dieser Ratgeber soll einen Überblick verschaffen über die fiktive Abnahme, ihre Folgen, und wie sie vermieden werden können. 

Was ist eine fiktive Abnahme?

Die fiktive Abnahme ist in § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelt. Demnach gilt das Werk auch dann als abgenommen, wenn der Auftragnehmer dem Auftraggeber nach Fertigstellung des Werkes eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist und unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. 

Gemäß § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB gilt jedoch eine Ausnahme, wenn der Auftraggeber ein Verbraucher ist. In diesem Fall muss der Auftragnehmer den Auftraggeber in Textform über die Möglichkeit des Eintritts einer fiktiven Abnahme hinweisen.  

Kann man eine Abnahmefiktion vermeiden?

Ja, die Abnahmefiktion kann vermieden werden, wenn der Auftraggeber die Abnahme innerhalb der gesetzten Frist unter Angabe mindestens eines Mangels ausdrücklich verweigert, § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der Verweigerung der Abnahme kann der Auftragnehmer gemäß § 650g BGB eine Zustandsfeststellung verlangen. Sollte der Auftraggeber dieser fernbleiben, so kann der Auftragnehmer sie allein vornehmen. Folge der Zustandsfeststellung ist, dass für alle darin nicht aufgeführten Mängel vermutet wird, dass sie nachträglich entstanden und vom Auftraggeber zu vertreten sind (§ 650g Abs. 3 BGB). 

Wichtig: Die Verweigerung der Abnahme gemäß § 640 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Vermeidung des Eintritts der Abnahmefiktion darf nicht mit der Verweigerung der Abnahme in Bezug auf den Abnahmeanspruch des Auftragnehmers gemäß § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB verwechselt werden. In diesen Fällen ist eine Verweigerung der Abnahme nur unter Angabe von wesentlichen Mängeln möglich.  

Welche anderen Formen der Abnahme gibt es?

Neben der fiktiven Abnahme als Ausnahmefall bestehen noch weitere Formen der Abnahme.  

Die förmliche Abnahme

Von einer förmlichen Abnahme spricht man, wenn der Auftraggeber und der Auftragnehmer bei einem gemeinsamen Termin das Werk besichtigen und überprüfen. Das Ergebnis wird dann in einem Abnahmeprotokoll festgehalten.  

Wenn zwischen den Parteien die förmliche Abnahme vereinbart wurde, kann sich der Auftragnehmer grundsätzlich nicht auf eine konkludente Abnahme berufen. Anders ist das nur, wenn die Parteien später einvernehmlich auf die förmliche Abnahme verzichtet haben.  

Die ausdrücklich erklärte Abnahme

Die ausdrücklich erklärte Abnahme kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Der Auftraggeber muss dabei auch nicht das Wort „Abnahme“ verwenden. Es reicht aus, wenn aus der Erklärung hervorgeht, dass eine Akzeptanz mit der Bauleistung besteht. Das ist auch durch die Worte „in Ordnung“ oder „mit den Leistungen zufrieden“ der Fall.  

Da die Abnahme eine einseitige Erklärung des Auftraggebers ist, muss sie auch nicht unter Anwesenheit des Auftragnehmers abgegeben werden. Es ist ausreichend, wenn der Auftraggeber sie dem Auftragnehmer zusendet.  

Die konkludente Abnahme

Eine Abnahme kann auch aufgrund von schlüssigem Verhalten des Auftraggebers vorliegen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Rechnung vorbehaltlos bezahlt oder das Werk in Gebrauch genommen wird. Durch sein Handeln gibt der Auftraggeber in diesem Fall zu erkennen, dass er die Leistung als vertragsgemäß akzeptiert. Es muss ihm jedoch eine Prüffrist eingeräumt werden, innerhalb der er Mängel geltend machen kann.  

An die Annahme einer konkludenten Abnahme sind hohe Anforderungen zu stellen. Ihr Vorliegen muss daher stets unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.  

Die VOB-Abnahme

Bei der VOB (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) handelt es sich nicht um ein Gesetz, sondern um allgemeine Vertragsbedingungen für Bauaufträge. Sie kann von den Parteien in den Bauvertrag miteinbezogen werden. Zwingend vorgeschrieben ist die Einhaltung der VOB-Vorschriften nur bei Bauaufträgen der öffentlichen Hand.  

Die Abnahme steht in § 12 VOB/B. In dessen Absatz 5 sind zwei Fiktionen geregelt:  

Nr. 1: Wenn keine Abnahme verlangt wird, gilt das Werk mit Ablauf von zwölf Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung als abgenommen.  

Nr. 2: Wenn keine Abnahme verlangt und zumindest ein Teil des Werks in Benutzung genommen wird, gilt die Abnahme nach Ablauf von sechs Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt, wenn nichts anderes vereinbart wurde.  

Die Teilabnahme

Gemäß § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 12 Abs. 2 VOB/B sind auch Teilabnahmen möglich. Voraussetzung ist, dass eine funktionsfähige Teilleistung vorliegt. 

Die technische Abnahme

Unter technischer Abnahme versteht man beispielsweise die Begehung des Werks mit dem Architekten oder Bauleiter. Diese sind nicht zur rechtlichen Abnahme befugt – es sei denn, sie wurden vom Auftraggeber ausdrücklich dazu ermächtigt. Die technische Abnahme ist daher zwar für den weiteren Bau nützlich, sie führt aber nicht zu den rechtsgeschäftlichen Abnahmewirkungen.  

Welche Folgen hat eine Abnahme?

An die Abnahme sind wesentliche Rechtsfolgen geknüpft:  

  • Fälligkeit des Werklohns: Ab Abnahme ist der Werklohn fällig und es können Verzugszinsen anfallen, wenn die Schlussrechnung nach Ablauf von 30 Tagen oder Erhalt einer Mahnung nicht beglichen wird.  

  • Beweislastumkehr bei Mängeln: Ab Abnahme muss der Auftraggeber beweisen, dass das Werk mangelhaft ist – vor der Abnahme muss der Auftragnehmer beweisen, dass es mangelfrei ist. 

  • Beginn der Gewährleistung: Ab Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche zu laufen. 

  • Übergang der Leistungsgefahr: Ab Abnahme geht die Gefahr der Verschlechterung oder des zufälligen Untergangs auf den Auftraggeber über – vor der Abnahme besteht eine Pflicht des Auftragnehmers zur Mangelbeseitigung oder Neuherstellung. 

  • Verlust von nicht vorbehaltenen Vertragsstrafen und Ansprüchen aufgrund erkennbarer Mängel (§ 640 Abs. 3 BGB): Daher sollten immer alle Mängel schriftlich festgehalten werden. Wichtig: Der Auftraggeber verliert nur die Ansprüche bezüglich der Mängel, die er vor der Abnahme tatsächlich kannte, da er sich nur diese Ansprüche vorbehalten konnte. 

Wie Sie sehen, spielt die Abnahme eine größere Rolle, als in der Praxis oft angenommen wird. Sie haben Fragen zu Ihren Verpflichtungen oder Ansprüchen im Rahmen der Abnahme eines Bauwerks? Dann finden Sie noch heute den passenden Anwalt für Baurecht und Architektenrecht auf anwalt.de.

(PBI)

Foto(s): (c)Adobe Stock/jat306

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