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Dauerstreit Arbeitszeugnis – wann drohen dem Arbeitgeber Zwangsgeld oder Zwangshaft?

  • 5 Minuten Lesezeit

Das Arbeitszeugnis sorgt als Dauerbrenner vor den deutschen Gerichten regelmäßig für viel Zündstoff. Grundsätzlich kann jeder Arbeitnehmer ein einfaches oder qualifiziertes Arbeitszeugnis verlangen. Eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln zeigt einmal mehr, dass es sich hierbei nicht um eine Lappalie, sondern um einen arbeitsvertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers handelt, den dieser gerichtlich durchsetzen kann. Im schlimmsten Fall drohen dem Arbeitgeber dann die Festsetzung eines Zwangsgeldes oder einer Zwangshaft, wenn er gar kein Zeugnis oder ein Zeugnis erstellt, das die formalen und inhaltlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt. 

Titulierter Anspruch auf Erstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses 

Das LAG Köln musste darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber seine Pflicht zur Zeugniserstellung erfüllt hat und ob ein formal mit dem Begriff „Zeugnis“ überschriebenes Schreiben ausreicht, um ein Zwangsgeld abzuwenden. In dem zugrundeliegenden Fall haben die Parteien eines Arbeitsverhältnisses im Gütetermin einer Kündigungsschutzklage einen Vergleich geschlossen, indem sich der Arbeitgeber unter anderem verpflichtete, der Arbeitnehmerin ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis zur erstellen. Obwohl die Arbeitnehmerin damit einen titulierten und somit einen im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Anspruch auf die Erstellung eines entsprechenden Zeugnisses hatte, erhielt sie keines. 

Durchsetzung des Zeugnisanspruchs im Zwangsvollstreckungsverfahren

Juristisch gesehen handelt es sich bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses um eine sog. nicht vertretbare Handlung. Die nicht vertretbare Handlung bezeichnet all diejenigen Ansprüche, bei denen der Schuldner zur Vornahme einer bestimmten Handlung verpflichtet ist, die nur er persönlich vornehmen kann (z. B. die Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers, die Pflicht einer Mutter, den leiblichen Vater eines nichtehelichen Kindes zu nennen, oder die Erstellung des Arbeitszeugnisses). Diese Ansprüche werden vollstreckt, indem das zuständige Prozessgericht – im Falle der Zeugniserstellung also das Arbeitsgericht – Beugemaßnahmen wie Zwangsgeld oder Zwangshaft androht und schließlich festsetzt, wenn die geschuldete Handlung nach wie vor nicht vorgenommen wird. 

Im vorliegenden Fall wandte sich die Arbeitnehmerin deshalb an das Arbeitsgericht, als sie kein Zeugnis erhielt, und beantragte ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Das Arbeitsgericht drohte dem Arbeitgeber, ein Zwangsgeld festzusetzen, und tat dies dann auch, denn die Arbeitnehmerin erhielt nach wie vor kein Arbeitszeugnis. Gegen diesen Festsetzungsbeschluss, der ein Zwangsgeld von 500 Euro oder ersatzweise fünf Tage Zwangshaft beinhaltete, legte der Arbeitgeber mit der Begründung die Arbeitnehmerin unter der bekannten Adresse postalisch nicht erreicht zu haben Beschwerde ein. 

Provokation statt Arbeitszeugnis

Während das Beschwerdeverfahren lief, erhielt die Arbeitnehmerin schließlich das folgende Arbeitszeugnis: 

Aktenzeichen 7 Ca 2005/16 oder 413/15T der Kanzlei L

Zeugnis

Fr. N H war bei uns als Gebäudereinigungskraft, speziell im Objekt A Arkaden, eingesetzt. Geschlechter bezogen war Frau H sehr beliebt.

Ihre Aufgaben hat Frau H nach Anweisungen sehr bemüht erledigt. Die Anstrengungen Ihrer Tätigkeit hat Fr. H sehr regelmäßig mit Schöpferpausen bedacht und Ihre Arbeitszeiten nach Ihren Anforderungen ausgeführt.

Wir wünschen Fr. H für die Zukunft alles Gute.“

Das Arbeitsgericht legte die Beschwerde schließlich dem LAG vor, da es der Ansicht war, der Arbeitgeber hätte mit diesem Schreiben seine Pflicht zur Zeugniserstellung nicht erfüllt. Das Schreiben stellte nach Ansicht der Arbeitsrichter kein Zeugnis dar, sondern eine bloße Provokation. 

Zeugnis muss den formalen und inhaltlichen Mindestanforderungen genügen 

Das LAG Köln teilte die Auffassung des Amtsgerichts. Es stellte zwar explizit fest, dass der Arbeitnehmer im Rahmen der Zwangsvollstreckung keinen bestimmten Inhalt seines Zeugnisses erzwingen könne, denn entscheidend für den Einwand der Erfüllung ist einzig und allein, ob der Arbeitgeber überhaupt ein Zeugnis erstellt hat. Für die Frage, ob der konkrete Inhalt den Anforderungen eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses entspricht, ist das Arbeitsgericht im sog. Erkenntnisverfahren zuständig. Grund dafür ist, dass der Anspruch auf Erstellung eines Zeugnisses ein anderer ist als der Anspruch auf Korrektur eines Zeugnisses. Deshalb ist es Aufgabe des Arbeitsgerichts, in einem neuen Verfahren zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer die Berichtigung seines erhaltenen Zeugnisses verlangen kann. Ein solcher Zeugnisberichtigungsanspruch besteht immer dann, wenn das Zeugnis unwahr ist oder den Arbeitnehmer z. B. durch Verwendung der geheimen Zeugnissprache in ein unvorteilhaftes Licht rückt. 

Mit der Erstellung eines Zeugnisses hat der Arbeitgeber seine arbeitsvertragliche Pflicht, die hier im Vergleich tituliert war, in der Regel erfüllt. Jedoch genügt es nach Ansicht des LAG Köln für die Erstellung eines Zeugnisses noch nicht, einem Schreiben schlicht den Titel „Zeugnis“ zu geben. Vielmehr müssen für die Erfüllung des Zeugnisanspruchs und die Abwendung des Zwangsgelds die Mindestanforderungen an die Form und den Inhalt eines Zeugnisses eingehalten werden. 

Polemisches Arbeitszeugnis ist kein Arbeitszeugnis 

Bei einem qualifizierten Arbeitszeugnis ist eine polemische, grob unsachliche und ironisch formulierte Leistungsbeurteilung genauso viel wert wie eine gänzlich fehlende Leistungsbeurteilung. Ein derartiges Zeugnis erfüllt deshalb die notwendigen Mindestanforderungen an ein Arbeitszeugnis nicht, weil sich der Arbeitnehmer mit seiner Vorlage im Bewerbungsprozess lächerlich macht.  

Dem vorliegenden Schreiben des Arbeitgebers haben die Arbeitsrichter nach Ansicht des LAG daher zu Recht die Eigenschaft eines Arbeitszeugnisses abgesprochen und es rechtsfehlerfrei als Provokation bezeichnet. Lediglich die Überschrift „Zeugnis“ sowie die Benennung des Namens und einer Tätigkeitsbeschreibung stellten in diesem Schreiben überhaupt einen Bezug zu einem Arbeitszeugnis her. Der komplette Rest stellt nach Ansicht der Richter des LAG Köln nichts anderes dar als eine Aneinanderreihung von diskreditierenden Äußerungen über die Arbeitnehmerin. Abgesehen davon, dass diese das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmerin verletzen, hat in einem Arbeitszeugnis das gerichtliche Aktenzeichen eines geführten Rechtsstreits gar nichts zu suchen und erst recht nicht im Fettdruck hervorgehoben zu sein. Damit aber noch nicht genug, denn auch die Ausführungen zur „geschlechterbezogenen“ Beliebtheit der Arbeitnehmerin oder den angeblichen „Schöpferpausen“ sind mit einem qualifizierten wohlwollenden Zeugnis nicht in Einklang zu bringen ebenso wie die vielen Orthografiefehler. 

Mit diesem Schreiben hat der Arbeitgeber daher den im Vergleich titulierten Zeugnisanspruch der Arbeitnehmerin nicht erfüllt, sodass seine Beschwerde gegen die Verhängung des Zwangsgelds ohne Erfolg blieb. 

(LAG Köln, Beschluss v. 14.02.2017, Az.: 12 Ta 17/17)

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