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Hartz-IV-Reform – nicht alles ist ab August einfacher

  • 7 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende – besser bekannt als Hartz IV – ist ab August vieles anders, aber nicht unbedingt einfacher. Dabei war gerade „Rechtsvereinfachung“ das Schlagwort der nun in Kraft getretenen Reform. Die wichtigsten Änderungen und ihre Auswirkungen stellt der folgende Rechtstipp vor.

Beratungsleistung betont

Das Zweite Sozialgesetzbuch (SGB II), das Hartz IV maßgeblich regelt, nennt nun die Beratung von Leistungsberechtigten als ausdrückliche Leistung. Beraten sollen die Jobcenter zu Selbsthilfeobliegenheiten und Mitwirkungspflichten, zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Auswahl der Leistungen im Rahmen des Eingliederungsprozesses. Für Betroffene bedeutet das eine Verbesserung mit Blick auf die danach ihnen gegenüber tatsächlich zu erbringende Beratung.

Eingliederung in Ausbildung ausgeweitet

Die Eingliederung in Ausbildung oder die Eingliederung in Arbeit ist nun unabhängig vom Alter des Leistungsberechtigten zu verfolgen. Zuvor galt das nur bei jungen Menschen unter 25 Jahren. Laut Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber erkannt, dass Arbeit auf Dauer ohne Berufsabschluss generell schwer zu erlangen ist. Fehlt ein solcher, sollen nun zudem vorrangig und unverzüglich Eingliederungsleistungen zur Ausbildung erbracht werden, andernfalls bei einem vorhandenen Berufsabschluss solche zur Eingliederung in Arbeit. Diese Vorgehensweise ist jedoch für die Jobcenter nicht verpflichtend.

Integration- und Sprachkurse verpflichtend

Leistungsberechtigte mit nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen kann die Agentur für Arbeit nun neben der Teilnahme an einem Integrations- auch zur Teilnahme an einem Sprachkurs zum Erlernen berufsbezogener Deutschkenntnisse verpflichten. Aktuellen Berichten zufolge ist jeder vierte Hartz-IV-Bezieher Ausländer. Diese Zahl wird aufgrund der Flüchtlingssituation steigen. Angesichts dessen ist es nun auch möglich, den Regelsatz zu kürzen, wenn sich ein Empfänger in einer Gemeinschaftsunterkunft befindet und er dort als Ausgleich Sachleistungen erhält. Den Betrag, um den der Regelsatz gekürzt ist, erhält dann wiederum direkt der Träger der Einrichtung.

Eingliederungsvereinbarung nur nach Potenzialanalyse

Bevor eine Eingliederungsvereinbarung getroffen wird, muss das Jobcenter mit dem Betroffenen persönliche Merkmale, berufliche Fähigkeiten und die Eignung feststellen (sog. Potenzialanalyse). Zu berücksichtigen ist auch, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird. Unter anderem regelt die Eingliederungsvereinbarung das Vorgehen bei Arbeitsunfähigkeit. Die bisherige Regelung im Gesetz entfällt.

Berücksichtigung von Einnahmen

Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Ausdrücklich als einmalige Einnahmen zählen nun auch entsprechende Nachzahlungen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden wie etwa verspätete Lohnzahlungen. Die Nachzahlung ist dabei auf sechs Monate zu verteilen, wenn der Leistungsanspruch durch ihre Berücksichtigung in einem Monat entfiele. Die Grundpauschale wird dabei jedoch entgegen der BSG-Rechtsprechung nicht berücksichtigt. Was dabei vom Einkommen abzusetzen ist, regelt § 11b SGB II, wie etwa auf das Einkommen entrichtete Steuern und Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung.

Geldwerte Einnahmen sind vorrangig Vermögen

Einnahmen sind geldwerte Einnahmen, zu denen insbesondere Sachleistungen gehören, nur noch dann, wenn sie im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Ansonsten werden geldwerte Einnahmen wie Vermögen behandelt.

Bedarfe für Bildung und Teilhabe

Neben dem Regelbedarf können Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene Leistungen für Bildung und Teilhabe z. B. für Schulausflüge erhalten. Diese Leistungen gibt es nun auch für Kinder in einer Kindertagespflege. Die Stichtagsregelung für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf wird gelockert. Leistungen gibt es nun auch bei einer Einschulung nach den bisherigen Stichtagen 1. August bzw. 1. Februar.

SGB-II-Leistungen für Auszubildende

Eine einheitliche Behandlung aller Auszubildenden bezüglich Hartz-IV-Leistungen gibt es weiterhin nicht. Antragsteller erhalten nun aber, solange noch über ihren BAföG-Antrag entschieden wird, weiter Hartz-IV-Leistungen. Bei einer Ablehnung gilt das jedoch nicht mehr. Leistungen für die Übernahme von Schulden für Unterkunft und Heizung werden im Übrigen nicht mehr übernommen. Studenten, die noch bei ihren Eltern wohnen, sind wie bisher von SGB-II-Leistungen generell ausgeschlossen.

BAföG und vergleichbare Leistungen sind Einnahmen

Als Einkommen zu berücksichtigen sind nun auch BAföG-Leistungen und vergleichbare Leistungen, Berufsausbildungsbeihilfe und zur Teilhabe am Arbeitsleben gezahlte Reisekosten. Der Grundfreibetrag beträgt jedoch nur noch 100 Euro und nicht mehr 20 Prozent des BAföG-Höchstbetrags, was auf den ersten Blick eine Verschlechterung bedeutet. Allerdings lässt der Grundfreibetrag auch die Angabe höherer Ausgaben zu.

Absetzbare Grundpauschale von 100 Euro

Auch von Einkommen aus Erwerbstätigkeit ist ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich nach § 11b Abs. 2 SGB II abzusetzen. Diese Grundpauschale wird nicht auf die SGB-II-Leistungen angerechnet. Höhere Beträge lassen sich bei entsprechendem Nachweis absetzen.

Überbrückungsgeld nur teilweise Einkommen

Das Überbrückungsgeld Strafgefangener ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie deren SGB-II-Bedarf für 28 Tage übersteigen. Alles darunter wird dagegen angerechnet.

Zusätzliche Förderung schwer zu erreichender junger Menschen

Junge Leistungsberechtigte unter 25 Jahren in schwieriger Situation erhalten zusätzliche Betreuungs- und Unterstützungsleistungen.

Verschärfte Sanktionen

Volljährige müssen ihnen oder Dritten gegenüber erbrachte Geld- und auch Sachleistungen ersetzen, wenn sich herausstellt, dass sie eine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Das droht nun auch, wenn die Bedürftigkeit entsprechend erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. Sachleistungen, auch wenn durch Gutschein erbracht, sind außerdem in Geld zu ersetzen.

Wer vorrangige Leistungen nicht beantragt, obwohl ihm das möglich wäre, riskiert zudem seine SGB-II-Leistung. Diese entfallen bei fehlender Mitwirkung. Dagegen eingelegte Widersprüche haben nun keine aufschiebende Wirkung mehr.

Zudem droht jetzt auch ein Bußgeld, wenn Angaben bei der Antragstellung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gemacht werden.

Folgen irrtümlicher Doppelleistungen

Haben verschiedene Leistungsträger irrtümlich Doppelleistungen erbracht, muss ein Hartz-IV-Empfänger diese dem Hartz-IV-Träger erstatten. Eventuell darauf angerechnetes Einkommen bekommt ein Empfänger dabei jedoch nicht zurück. Die daraus folgende unterschiedliche Behandlung – Rückzahlung an die Behörde, aber kein Rückzahlungsanspruch gegenüber der Behörde – erscheint ungerecht und wird vermutlich noch die Sozialgerichte beschäftigen.

Kosten für Unterkunft und Heizung

Bei den Kosten für Unterkunft und Heizung gibt es nun eine gemeinsame Obergrenze für die Beurteilung ihrer Angemessenheit. Miet- und Heizkosten sind danach nicht mehr getrennt zu betrachten, um die Verwaltung zu vereinfachen.

Wer in eine teurere Wohnung umzieht, erhält nur noch die Miete für die alte Wohnung, wenn das Jobcenter den Umzug für nicht erforderlich erachtet. Für die Zusicherung bezüglich der Aufwendungen für die neue Unterkunft ist nun das Jobcenter am neuen Wohnort und nicht mehr das am bisherigen Wohnort zuständig. Bei angemessenen Aufwendungen ist es dabei zur Zusicherung verpflichtet. Neben Aufwendungen für die Kaution lässt sich nun auch der Erwerb von Genossenschaftsanteilen als Bedarf anerkennen, wobei dieser als aufrechenbares Darlehen gewährt werden.

Rückzahlungen von Nebenkosten bzw. entsprechendes Guthaben werden nun nicht mehr angerechnet, wenn sie sich auf nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen.

Arbeitsagentur für Aufstocker zuständig

Wer Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat und dieses mit Hartz IV aufstockt, für den ist ab 2017 die Arbeitsagentur und nicht mehr das Jobcenter zuständig, wenn es um Eingliederungsleistungen und Arbeitsvermittlung geht.

Keine Erbenhaftung mehr

Erben von Hartz-IV-Empfängern mussten SGB-II-Leistungen ersetzen, soweit diese innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erbracht worden sind und 1700 Euro überstiegen. Diese Erbenhaftung ist nun gestrichen worden.

Leistungen im Sterbemonat bleiben erhalten, wenn eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, verstirbt und sich das eigentlich auf diese auswirkt.

Verlängerter Bewilligungszeitraum

Der Bewilligungszeitraum wird grundsätzlich von 6 Monaten auf 12 Monate ausgedehnt. Vorläufige Leistungen werden aber weiterhin nur 6 Monate lang bewilligt. Dasselbe gilt für unangemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

Mögliche Dauer von 1-Euro-Jobs ausgeweitet

Bislang war ein 1-Euro-Job für maximal 24 Monate in fünf Jahren zulässig. Nun kann eine Zuweisung für bis zu 12 weitere Monate erfolgen, sodass sich der Zeitraum auf 36 Monate erweitert.

Fälle vorläufiger Entscheidung

Ebenfalls ausdrücklich im SGB II geregelt sind Fälle, in denen Geld- und Sachleistungen nur vorläufig erfolgen. Das ist zum einen der Fall, wenn die Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs voraussichtlich längere Zeit beansprucht, wobei ein Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist. Zum anderen gibt es nur einen vorläufigen Anspruch, wenn dieser dem Grunde nach besteht, sich die Höhe des Anspruchs aber erst nach längerer Zeit ermitteln lässt. Wer beim Verfahren nicht ausreichend mitwirkt, kann die Leistungen vollständig verlieren.

Vorzeitige Leistungserbringung

Auf Antrag der leistungsberechtigten Person können durch Bewilligungsbescheid festgesetzte, zum nächsten Zahlungszeitpunkt fällige Leistungsansprüche vorzeitig erbracht werden. Die Höhe der vorzeitigen Leistung ist aber auf 100 Euro begrenzt und verringert den Anspruch im Folgemonat bzw. sofern das nicht möglich ist, im darauffolgenden Monat. Eine vorzeitige Leistung gibt es jedoch nicht, wenn der Anspruch voraussichtlich durch eine Aufrechnung verringert wird, er bereits in den vorangegangenen zwei Kalendermonaten in Anspruch genommen wurde oder eine Sanktion den Leistungsanspruch im Folgemonat verringert.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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