Insolvenzverschleppung – ein Überblick
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Inhaltsverzeichnis
- Antragspflicht § 15a InsO: Ab wann besteht die Pflicht für juristische Personen, einen Insolvenzantrag zu stellen?
- Persönliches Haftungsrisiko der Vertreter bei Insolvenzverschleppung
- Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung
- Wer kann sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?
- Sonderfall GmbH & Co KG
- Häufige Anzeigen bei Insolvenzverschleppung
- Welche Strafe droht bei Insolvenzverschleppung?
- Was tun bei einem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung?
Experten-Autorin dieses Themas
In Deutschland besteht die Pflicht für juristische Personen (z. B. für eine GmbH oder eine AG), einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald ein Insolvenzgrund vorliegt. Diese Antragspflicht ist in § 15a Abs. 1 InsO (Insolvenzordnung) geregelt. Wird die Stellung des Insolvenzantrags verpasst oder der Antrag gar nicht oder nicht richtig gestellt, liegt eine Insolvenzverschleppung vor.
Antragspflicht § 15a InsO: Ab wann besteht die Pflicht für juristische Personen, einen Insolvenzantrag zu stellen?
Sobald ein Insolvenzgrund vorliegt, müssen die Vertreter der juristischen Person ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag stellen. Ein Insolvenzgrund kann entweder die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung der juristischen Person sein.
Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO
Eine Person ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, z. B. wenn sie ihre Zahlungen eingestellt hat.
Überschuldung gem. § 19 InsO
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.
Frist zur Antragstellung
Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.
Persönliches Haftungsrisiko der Vertreter bei Insolvenzverschleppung
Neben dem Risiko der Strafbarkeit im Fall einer Insolvenzverschleppung besteht für das Vertretungsorgan der juristischen Person oder der Gesellschaft das Risiko, persönlich in die Haftung genommen zu werden. Der Geschäftsführer einer GmbH kann zivilrechtlich mit seinem persönlichen Vermögen für Zahlungen der Gesellschaft haftbar gemacht werden, die nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgt sind.
Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung
§ 15 Abs. 4 der Insolvenzordnung (InsO) stellt unter Strafe, wenn eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig stellt. Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Wichtig: Auch das fahrlässige Unterlassen der Antragsstellung führt zu einer Strafbarkeit. Die fahrlässige Insolvenzverschleppung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der Coronapandemie drohen auch für redliche Unternehmer aufgrund der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit enorme Strafbarkeitsrisiken bzgl. Insolvenzverschleppung. Die frühzeitige Beiziehung eines Anwalts bei drohender Zahlungsunfähigkeit ist daher ratsam.
Die Insolvenzverschleppung ist Teil des Wirtschaftsstrafrechts. Delikte, die in diesem Zusammenhang oftmals im Raum stehen, sind der Bankrott (§ 283 StGB), die Verletzung von Buchführungspflichten (§ 283b StGB), das Vorenthalten von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) oder die Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) und die Schuldnerbegünstigung (§ 283d StGB).
Wer kann sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen?
Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung umfasst Unternehmen, bei denen keine (natürliche) Person gegenüber Gläubigern mit ihrem Privatvermögen haftet, d. h., bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit.
Dies sind insbesondere:
- Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Aktiengesellschaften (AG)
- eingetragene Genossenschaften (eG)
- Europäische Aktiengesellschaften (SE)
- Auslandsgesellschaften (z.B. französische SARL oder britische Ltd.)
Strafbarkeit der Vertretungsorgane juristischer Personen
Von dem Straftatbestand sind nicht die juristischen Personen, d. h., die Unternehmen betroffen, sondern die Vertretungsorgane der Gesellschaften. Diese sind zur Antragsstellung verpflichtet und können sich ggf. einer Insolvenzverschleppung strafbar machen.
Dies sind insbesondere der Geschäftsführer (GmbH) oder die Mitglieder des Vorstands (AG, eG, SE).
Strafbarkeit von Privatpersonen und Einzelunternehmen
Privatpersonen und Einzelunternehmer sind von der Strafbarkeit einer Insolvenzverschleppung nicht erfasst. Trotzdem droht im Falle einer verspäteten Antragsstellung die zivilrechtliche Haftung.
Strafbarkeit faktischer Geschäftsführer
Nicht nur die vertretungsbefugten Organe juristischer Personen können sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen. Auch Personen, die nach außen hin als Geschäftsführer gerieren, d. h., sogenannte faktische Geschäftsführer sind, können sich auch wegen Insolvenzverschleppung strafbar machen (BGH, Urt. v. 18. Dezember 2014, Az. - 4 StR 323/14).
Sonderfall GmbH & Co KG
Personengesellschaften (z.B. die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GbR, oder die Kommanditgesellschaft, KG) sind grundsätzlich Gesellschaften, bei denen die Vertretungsorgane persönlich mit ihrem Vermögen haften. Der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung gilt für diese daher grundsätzlich nicht.
Es gibt jedoch die Konstellation einer Personengesellschaft ohne die persönliche Haftung natürlicher Personen, die GmbH & Co. KG. In diesem Fall ist die persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH, d.h. wiederum eine juristische Person und keine natürliche Person, die mit ihrem Privatvermögen haften muss. In diesem Fall besteht auch hier für die Vertreter eine Antragspflicht und die Möglichkeit, sich wegen Insolvenzverschleppung strafbar zu machen.
Häufige Anzeigen bei Insolvenzverschleppung
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung hat eine große praktische Bedeutung. Aufgrund der Mitteilungspflicht der Insolvenzgerichte müssen die Staatsanwaltschaften über jede gewerbliche Insolvenz informiert werden. Die Staatsanwaltschaften prüfen daher bei jedem dieser Fälle, ob ein Anfangsverdacht einer Insolvenzverschleppung vorliegt.
Welche Strafe droht bei Insolvenzverschleppung?
Das Strafmaß einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung liegt bei Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Im Fall einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung liegt das Strafmaß bei Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
Was tun bei einem Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung?
Wird gegen Sie ein Ermittlungsverfahren wegen Insolvenzverschleppung geführt, sollten Sie sich sofort an einen Anwalt für Strafrecht wenden. Dieser kann frühzeitig Akteneinsicht beantragen und mit den Behörden auf Augenhöhe kommunizieren.
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