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Mindestlohn: Sind Sonderzahlungen und Urlaubsgeld anrechenbar?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Seit dem 01.01.2015 haben fast alle Beschäftigten Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro, vgl. § 1 I, II Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (MiLoG). Was den Arbeitnehmer natürlich freut, ärgert seinen Chef – hat er doch höhere Lohnkosten. Aus diesem Grund versuchen viele Arbeitgeber, Zusatzzahlungen mit dem Mindestlohn zu verrechnen, um unter dem Strich nicht mehr zahlen zu müssen als vorher. Doch können Leistungszulagen, Sonderzahlungen oder das Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld überhaupt auf den Mindestlohn angerechnet werden?

Existenzprobleme wegen Mindestlohn?

Ein Arbeitgeber gewährte einem Beschäftigten, der verschiedene Tätigkeiten wie z. B. Löt- und Montagearbeiten durchführte, neben der Grundvergütung von 6,13 Euro/Stunde unter anderem auch eine Leistungszulage, sodass er brutto auf eine Vergütung von 6,44 Euro/Stunde kam. Ferner erhielt er eine Urlaubsvergütung in Höhe von 50 Prozent des Stundendurchschnittsverdienstes sowie eine Sonderzahlung am Jahresende. Kurz vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes kündigte er dem Mitarbeiter, bot ihm jedoch zeitgleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen an. Danach sollte der Angestellte zwar 8,50 Euro/Stunde verdienen – allerdings sollten die Leistungszulage, die Urlaubsvergütung sowie die Sonderzahlung wegfallen.

Der Angestellte nahm das Angebot unter Vorbehalt an, hielt die Änderungen der Arbeitsbedingungen jedoch für unwirksam. Die Vorgehensweise stelle eine Umgehung des Mindestlohngesetzes dar – schließlich habe er auch ohne die Änderungskündigung Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro/Stunde. Im Übrigen könnten Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Der Arbeitgeber erwiderte daraufhin, gegenüber sämtlichen Beschäftigten eine Änderungskündigung ausgesprochen zu haben, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern – schließlich würden aufgrund des höheren Mindestlohns erhebliche Mehrkosten für ihn anfallen. Der Streit endete vor Gericht.

Verstoß gegen das Mindestlohngesetz

Das Arbeitsgericht Berlin entschied, dass zwar die Leistungszulage, nicht jedoch das Urlaubsgeld sowie die Jahressonderzahlung auf den Mindestlohn anrechenbar ist.

Grundsätzlich hat nur Anspruch auf den Mindestlohn, wer lediglich eine Gesamtvergütung – bestehend aus dem Arbeitsentgelt inklusive der anrechenbaren Entgeltbestandteile – von unter 8,50 Euro/Stunde erhält. Im MiLoG existiert jedoch keine Regelung, welche Lohnbestandteile anrechenbar sind, weshalb das Gericht vorliegend davon ausging, dass der gesetzliche Mindestlohn nur diejenige Leistung des Angestellten vergüten soll, die dieser nach dem Arbeitsvertrag normalerweise erbringen muss. Damit sind auch nur die zusätzlichen Lohnbestandteile anrechenbar, die für die „Normalleistung“ gezahlt werden.

Leistungszulage

Wird die Leistungszulage für Leistungen bezahlt, die über die normale Tätigkeit hinausgehen, ist sie nicht auf den Mindestlohn anrechenbar. Wer also laut Arbeitsvertrag die Zulage nur bekommt, wenn er überobligatorische Leistungen erbringt bzw. Zielvorgaben erfüllt, kann diese dann neben dem Mindestlohn verlangen. Vorliegend hat der Arbeitgeber die Leistungszulage jedoch jeden Monat gezahlt, ohne sie von „quantitativen und qualitativen Kennziffern“ abhängig gemacht zu haben.

Die Zulage stellte aus diesem Grund eine Vergütung der „Normalleistung“ dar, war somit anrechenbar und erforderte keine Änderungskündigung. Doch selbst mit der Anrechnung der Leistungszulage lag die Gesamtvergütung von 6,44 Euro in jedem Fall noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn.

Urlaubsvergütung

Die Urlaubsvergütung stellte kein Urlaubsentgelt nach § 11 Bundesurlaubsgesetz dar – das ist Lohn, den man erhält, obwohl man nicht arbeitet. Es handelte sich dabei vielmehr um ein Urlaubsgeld, das zusätzlich zum Lohn gezahlt wird, abhängig von der Urlaubsgewährung ist und diverse Zusatzkosten, die einem während des Urlaubs entstehen, ausgleichen soll. Somit wird das Urlaubsgeld nicht für die normale, arbeitsvertraglich geschuldete Leistung gezahlt – es ist daher auch nicht auf den Mindestlohn anrechenbar.

Jahressonderzahlung/Weihnachtsgeld

Die Jahressonderzahlung bzw. das Weihnachtsgeld konnte ebenfalls nicht angerechnet werden – schließlich sollte auch damit nicht die ohnehin geschuldete Leistung des Mitarbeiters vergütet werden. Weihnachtsgeld wird zumeist unabhängig von tatsächlich geleisteter Arbeit gezahlt und ist von der Betriebszugehörigkeit abhängig – ferner soll hiermit die Betriebstreue der Angestellten belohnt und gefördert werden. Wer also z. B. ein halbes Jahr krankgeschrieben war, hat trotzdem Anspruch auf die Jahressonderzahlung.

Darüber hinaus führte das Gericht § 2 I Nr. 2 MiLoG an: Danach muss der Mindestlohn spätestens am Ende des Monats, „der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde“, gezahlt werden. Eine Einmalzahlung am Ende des Jahres wäre somit wortwörtlich überfällig und daher unzulässig. Auch eine Umlage der Sonderzahlung auf den monatlich zu zahlenden Lohn ist nicht erlaubt – dies würde sonst zu einer Umgehung bzw. Unterschreitung des Mindestlohnanspruchs führen.

Existenzbedrohung durch Mindestlohn?

Zwar ist es durchaus möglich, das Gehalt aller Beschäftigten in einem Unternehmen zu senken, wenn die Existenz des Unternehmens und damit auch die Arbeitsplätze der Beschäftigten tatsächlich gefährdet wären. Eine wirtschaftliche Notlage muss jedoch vom Unternehmen nachgewiesen werden. Vorliegend waren die Angaben des Arbeitgebers zu pauschal, um eine Bestandsgefährdung annehmen zu können. Damit wäre die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits aus betriebsbedingten Gründen gemäß § 1 II Kündigungsschutzgesetz unwirksam gewesen.

(ArbG Berlin, Urteil v. 04.03.2015, Az.: 54 Ca 14420/14)

(VOI)

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