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Eheprobleme bei Mietvertragsschluss: Eigenbedarfskündigung möglich?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Endlich hat man die perfekte Mietwohnung gefunden, der Vertrag ist unterschrieben und man hat es sich in den neuen vier Wänden bequem gemacht. Umso ärgerlicher ist es natürlich, wenn der Vermieter bereits nach kurzer Zeit wegen Eigenbedarfs wieder kündigt. Doch darf er das einfach oder ist die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter bereits zur Zeit des Vertragsschlusses wusste bzw. ahnte, dass er die Wohnung bald selbst benötigt?

Eigenbedarf – was ist das?

Eine Immobilie wird entweder zur Selbstnutzung oder als Kapitalanlage erworben. Wurde ein Objekt bislang vermietet und möchte der Eigentümer oder ein (Haushalts)Angehöriger, z. B. sein Kind, die Räumlichkeiten nunmehr jedoch selbst beziehen, muss er wegen Eigenbedarfs kündigen, vgl. § 573 II Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Wenn Sie wissen möchten, was in einem solchen Kündigungsschreiben stehen muss, lesen Sie unseren Rechtstipp „Eigenbedarf: Was muss ins Kündigungsschreiben?“.

Kündigungsrecht des Vermieters

Weil dem Vermieter die betreffende Wohnung gehört, hat er nach Art. 14 I Grundgesetz (GG) grundsätzlich das Recht, frei über sein Eigentum zu verfügen. Das deutsche Mietrecht ist jedoch eher mieterfreundlich ausgerichtet, sodass der Vermieter das Vertragsverhältnis nur aus bestimmten Gründen und unter bestimmten Voraussetzungen beenden kann.

Wann muss Eigenbedarf bestehen?

Macht der Vermieter Eigenbedarf geltend, so ist zu beachten, dass er diesen nicht nur zur Zeit der Kündigung selbst haben muss, sondern auch noch bei Ablauf der Kündigungsfrist – das ist der Zeitpunkt, an dem das Mietverhältnis endet. Fällt der Eigenbedarf zwischenzeitlich dagegen wieder weg, ist dem Mieter die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses anzubieten.

Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass der Vermieter zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht vorhatte bzw. ernsthaft erwogen hat, die Wohnung in naher Zukunft selbst zu nutzen –, selbst wenn der Eigenbedarf bereits vorhersehbar oder zumindest möglich gewesen sein sollte. Alles andere wäre rechtmissbräuchliches Verhalten und könnte den Mieter dazu berechtigen, der Eigenbedarfskündigung zu widersprechen.

Allerdings muss der Vermieter nicht „hellsehen“ können und alle Eventualitäten vor einer Wohnungsvermietung in Betracht ziehen. Schließlich können sich seine Lebensumstände – wie auch die des Mieters – jederzeit ändern, sei es z. B. durch Eheschließung, die Geburt eines Kindes oder plötzliche Arbeitslosigkeit. Mieter haben daher auch bei unbefristeten Verträgen keinen Anspruch darauf, dauerhaft in der Wohnung leben zu dürfen, ohne mit einer Eigenbedarfskündigung rechnen zu müssen. Ein weitergehender Mieterschutz ist jedoch möglich, indem im Mietvertrag ein Kündigungsausschluss für eine bestimmte Zeit vereinbart wird.

Aber: Wird die Eigenbedarfskündigung kurz nach Abschluss des Mietvertrags ausgesprochen, spricht viel dafür, dass der Eigenbedarf zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt war und eine Eigennutzung geplant oder ernsthaft erwogen worden ist.

Letztlich darf der Eigenbedarf nicht vorgetäuscht werden. Lesen Sie in unserem Rechtstipp „Vorgetäuschter Eigenbedarf: Anspruch auf Schadenersatz?“ mehr zu diesem Thema.

Mieter wehren sich gegen Eigenbedarfskündigung

Ein Ehepaar hatte seine Wohnung vermietet – und den Vertrag ca. 1½ Jahre später wieder gekündigt. Als Grund dafür führten die Eheleute Eigenbedarf an. Sie hätten sich nach länger bestehenden Differenzen getrennt und benötigten nun die Wohnung, um getrennt voneinander zu leben.

Die Mieter widersprachen der Kündigung. So hätten die Eheleute auf eine Eigenbedarfskündigung verzichtet, als sie den Mietern den Aufbau eines Pavillons erlaubten. Ferner würde ein Umzug eine unzumutbare Härte darstellen – denn ihr einjähriges Kind würde aus seinem gewohnten Umfeld gerissen, auch wenn es noch keinen Kindergarten besuche. Der Streit der Parteien endete vor Gericht. Letztlich sei die Kündigung unwirksam, denn die Eheleute hätten spätestens bei Mietvertragsschluss darüber informieren müssen, dass sie Eheprobleme haben und eine spätere Selbstnutzung möglich sei.

Müssen Vermieter über Eheprobleme aufklären?

Das Landgericht (LG) Dessau-Roßlau hielt die Eigenbedarfskündigung für wirksam.

Selbst wenn die Vermieter bereits bei Vertragsschluss Eheprobleme gehabt haben sollten, waren sie nicht dazu verpflichtet, die Mietinteressenten darüber aufzuklären. Eine Ehe ist grundsätzlich auf Dauer angelegt – es ist daher normal, wenn Eheleute versuchen, etwaige Differenzen aus der Welt zu schaffen und sich wieder zu versöhnen. Damit musste das Paar zur Zeit des Mietvertragsschlusses seine Ehe noch nicht als gescheitert betrachten und einen Eigenbedarf ernsthaft in Erwägung ziehen. Das gilt vor allem deshalb, weil die Eheleute nach Mietvertragsschluss noch ca. 1½ Jahre zusammenlebten, bevor sie ihren Mietern wegen Eigenbedarfs kündigten.

Im Übrigen durften die Mieter allein aufgrund der Genehmigung, einen Pavillon im Garten aufstellen zu dürfen, nicht darauf vertrauen, dass die Eheleute damit auf ihr Kündigungsrecht verzichteten. Ferner lag auch kein Fall unzumutbarer Härte nach § 574 BGB vor. Die Mieter hatten vielmehr genug Zeit, sich nach einer neuen Bleibe umzuschauen. Dabei ist es durchaus zumutbar, wenn das neue Heim sich nicht im bisherigen Wohngebiet befindet oder teurer bzw. kleiner ist. Allerdings konnte das Gericht vorliegend nicht erkennen, dass sich die Mieter angemessen um ein neues Zuhause bemüht hätten. Letztlich war ein Umzug auch nicht deshalb unzumutbar, weil die Mieter ein kleines Kind hatten. Das war nämlich erst ein Jahr alt und besuchte noch keinen Kindergarten – es hatte also noch keine feste Beziehung zu seinem Umfeld aufgebaut, aus dem es hätte gerissen werden können.

Lesen Sie zum Thema „unzumutbare Härte“ auch noch folgenden Rechtstipp: „Depression vor Eigenbedarf – wenn Vermieter zurücktreten müssen“.

Fazit: Vermieter dürfen ihre Mieter nicht einfach willkürlich „aus der Wohnung schmeißen“. Eigenbedarf kann in der Regel jedoch eine Mietvertragskündigung rechtfertigen. Voraussetzung ist aber insbesondere, dass der jeweilige Vermieter bei Mietvertragsabschluss eine Selbstnutzung der Immobilie nicht bereits ernsthaft in Erwägung gezogen hat und dass der Eigenbedarf bei Beendigung des Mietverhältnisses immer noch besteht.

(LG Dessau-Roßlau, Beschluss v. 07.12.2016, Az.: 5 T 275/16)

(VOI)

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