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Einstellung im Fall Ecclestone - Ausnahme oder Regel?

  • 5 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Für viel Diskussion sorgen die 100 Millionen Dollar, die Bernie Ecclestone nun binnen einer Woche an die Staatskasse gegen Einstellung seines Bestechungsverfahrens zahlen muss. Nicht gerade wenige haben wieder mal den Eindruck: Die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man. Gerade durch die detaillierten Medienberichte über Promi-Prozesse drängt sich das regelrecht auf. So war es bei Helmut Kohl 2001 in der Parteispenden-Affäre: Einstellung gegen 300.000 DM, und Josef Ackermann im Mannesmann-Prozess: Einstellung gegen 3,2 Millionen Euro. Von den mehr als 200.000 Verfahren, die jährlich aufgrund desselben § 153a Strafprozessordnung (StPO) wegen unterschiedlicher Delikte wie Diebstahl, Nötigung, Beleidigung, fahrlässiger Tötung, Fahrerflucht oder Trunkenheit im Straßenverkehr eingestellt werden, hört man hingegen nur wenig in den Massenmedien. Dabei ist die Einstellung die Regel, die Verurteilung die Ausnahme.

Kein „Deal“ mit dem Gericht

Fest steht: Um einen Deal handelt es sich in diesen Fällen nicht. Diese Verständigung zwischen Gericht und den Verfahrensbeteiligten hat mit § 257c StPO eine andere Grundlage. Und vor allem verlangt der Deal ein Geständnis. Dieses Einräumen der Tat setzt der mit Einstellung nach Erfüllung von Auflagen überschriebene § 153a StPO dagegen nicht voraus.

Einstellung ist kein Freispruch

Eine Einstellung nach § 153a StPO besagt daher nichts darüber, ob die Tat begangen wurde oder nicht. Betroffene gelten nicht als vorbestraft. Ein Eintrag ins Führungszeugnis oder Zentralregister entfällt. Andererseits erhalten Betroffene auch keinen Freispruch. Und es verbleiben Informationen in Datenbanken der Justiz. Denn eine weitere Verfolgung der Tat ist möglich, wenn sie sich später doch noch als Verbrechen herausstellt. Nur hinsichtlich der Strafverfolgung als Vergehen ist keine Verurteilung mehr möglich.

Bei Verbrechen ausgeschlossen

Ein Vergehen ist daher auch Voraussetzung für eine Einstellung nach § 153a StPO. Der maßgebliche Unterschied zwischen Vergehen und Verbrechen liegt dabei in der für eine Tat angedrohten Strafe. Bei Vergehen droht eine Mindestfreiheitsstrafe von unter einem Jahr oder Geldstrafe. Alle Taten, für die das Gesetz mindestens ein Jahr Freiheitsentzug vorsieht, wie etwa Raub, Mord aber auch Meineid, sind Verbrechen. Die Bestechung, wegen der Ecclestone angeklagt war, liegt im Strafmaß mit von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe darunter und ist somit ein Vergehen.

Nicht nur gegen Geldzahlung möglich

Des Weiteren verlangt § 153a StPO Auflagen und Weisungen, die das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung beseitigen können. Mögliche Auflage ist dabei nicht nur eine sich an den jeweiligen finanziellen Verhältnissen orientierende Geldzahlung. Die Vorschrift nennt daneben Leistungen zur Wiedergutmachung wie Schadensersatz und sonstige gemeinnützige Leistungen wie die Arbeit in einem Pflegeheim. Außerdem können Betroffene angewiesen werden, ihren Unterhaltspflichten nachzukommen, sich um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen oder bei Straßenverkehrsdelikten an einem Aufbauseminar teilzunehmen. Andere Auflagen und Weisungen sowie Kombinationen sind möglich. Da sie keine Strafe darstellen, lassen sie sich nicht erzwingen. Allerdings bestimmt die Staatsanwaltschaft eine Frist zur Erfüllung. Bis dahin ist die Einstellung nur vorläufig. Das heißt: Auflage oder Weisung nicht rechtzeitig erfüllt, und die Einstellung ist hinfällig. Das Verfahren geht weiter.

Die Schuld, also inwieweit die Tat jemandem persönlich vorzuwerfen wäre, darf sich maximal im mittleren Bereich bewegen. Kriterien sind unter anderem keine einschlägige Vorbelastung und ein nicht erheblicher Schaden. Die beschuldigte Person muss mit der Einstellung einverstanden sein. Sofern kein geringfügiges Vergehen vorliegt, muss ihr das zuständige Gericht außerdem zustimmen.

Entwicklung der Strafverfolgung

Die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung ist unmittelbar damit verknüpft, wie weit Strafverfolgung gehen soll und überhaupt kann. Lohnt sich die konsequente Aufklärung und Ahndung jedes Delikts bis zu einer tragfähigen Urteilsbegründung und Vollstreckung der Strafe bzw. bis ein Freispruch feststeht? Das ist zum einen eine Geldfrage. Das System der Strafverfolgung trägt sich bekanntermaßen nicht von allein. Steigende Ausgaben für Polizei, Gerichte, Staatsanwaltschaften und Gefängnisse wären notwendig. Zum anderen ist es auch eine Sinnfrage. Ist es gerade in Hinblick auf die Einstellung unter Auflagen strafrechtlich sinnvoll, wenn sich eine Geldstrafe, die in solchen Fällen die Regel ist, und die Auflage einer Geldzahlung finanziell für den Täter kaum unterscheiden? Der § 153a Strafprozessordnung ist schließlich für viele erstmals vor Gericht angeklagte Menschen eine Erleichterung. Statt eines zeit- und nervenraubenden Verfahrens können sie früher in ihren Alltag zurückkehren, entgehen einer Stigmatisierung und verringern das Risiko eines Arbeitsplatzverlusts. Das hat auch Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft.

Der Gesetzgeber hat sich entschieden, den Weg einer flexiblereren Strafverfolgung zu gehen. Anstelle eines alles oder nichts, eines Gerichtsverfahrens oder keines Verfahrens hat er vieles in den Bereich der Staatsanwaltschaft und das Ermittlungsverfahren vorverlagert. Soweit das als Entlastung der Justiz gedacht ist, muss er sich dabei den Vorwurf einer zunehmenden Kriminalisierung menschlichen Verhaltens gefallen lassen.

Gerichte und Staatsanwaltschaft, die an Recht und Gesetz gemäß Grundgesetz gebunden sind, könnte man allenfalls fehlerhafte Anwendung und insbesondere Willkür vorwerfen. Im Übrigen können sie und dürfen sie die gesetzlichen Möglichkeiten im Rahmen ihrer begrenzten Ressourcen gegenüber jedem angemessen ausschöpfen. 100 Mio. Dollar sind insofern ein Betrag, der klar aus der Masse der Verfahren heraussticht. Anzeichen für die Anwendung anderer Maßstäbe als in hunderten tagtäglich nach der gleichen Vorschrift eingestellten Verfahren gibt es jedoch zur Zeit keine. Insbesondere ist die Höhe des Geldbetrags kein Maßstab für die Schuld im Rahmen einer solchen Einstellung. Dieser Widerspruch scheint dabei für viele das größte Problem zu sein: Warum gilt jemand als unschuldig, wenn er eine solche Leistung erbringt? Das kann doch nicht stimmen. Gerade das steht aber nun einmal hinter der Unschuldsvermutung. Der Nachweis der persönlichen Schuld erfordert ein rechtsstaatliches Verfahren, an dessen Ende ein entsprechendes Urteil steht und führt wieder zu den anfänglichen Frage nach der Reichweite der Strafverfolgung. Die Schuld folgt dabei auch nicht zwangsläufig aus der Haftstrafe des wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verurteilten Bankiers Gribkowsky, da Bestechlichkeit nicht zwangsläufig eine Bestechung voraussetzt. Denn für die Bestrafung ist nach wie vor entscheidend, dass das Gericht die persönliche Schuld des Angeklagten und nicht die eines anderen nachweist. Nicht zuletzt hatte der im Prozess vernommene Ex-BayernLB-Vorstand auch erhebliche Zweifel an einer Bestechung durch Ecclestone hervorgerufen. Nach der bisherigen Berichterstattung stand so zuletzt auch ein Freispruch Ecclestones im Raum, was eher gegen ein angebliches Freikaufen spricht.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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