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Wie viele Überstunden sind erlaubt?

  • 4 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion
  • Es gibt keine gesetzliche Pflicht, Überstunden zu leisten.
  • Genauso wenig ist der Arbeitgeber verpflichtet, Überstunden zu vergüten.
  • Die zulässigen Arbeitsstunden pro Tag und Woche sind gesetzlich geregelt.
  • Diese Höchstwerte gelten inklusive Überstunden.

Medienberichten zufolge arbeiten die Deutschen aktuell so viel wie seit zehn Jahren nicht. 2,127 Milliarden Überstunden sollen in den letzten beiden Jahren geleistet worden sein. Das sind elf Prozent mehr als im Jahr 2016. Jeder Fünfte soll dabei mehr als zehn Überstunden pro Woche absolvieren.

Stehen wir vor einer Überstundenepidemie?

In der öffentlichen Diskussion sah so mancher bereits japanische Zustände auf Deutschland zukommen. In Japan sind zu viele Überstunden und zu wenig Urlaubstage nämlich bereits seit einem guten halben Jahrzehnt ein massives Problem. 

Nicht ohne Grund kennt man im Land der aufgehenden Sonne den Begriff „Karōshi“, der sich wörtlich als „Überarbeitungs-Tod“ übersetzen lässt. Doch ist es Arbeitgebern auch hierzulande erlaubt, beliebig viele Überstunden von ihren Mitarbeitern zu erwarten?

Sind Arbeitnehmer gesetzlich verpflichtet, Überstunden zu leisten?

Obwohl es auf den ersten Blick nicht zu der beachtlichen Überstundenzahl zu passen scheint: Eine gesetzliche Pflicht, Überstunden zu leisten, gibt es nicht. Maßgeblich ist vielmehr, was im Arbeitsvertrag steht. Denn hier darf der Arbeitgeber tatsächlich Klauseln aufnehmen, die den Arbeitnehmer dazu verpflichten, Mehrarbeit zu leisten. Nicht jede Klausel ist allerdings wirksam.

Eine weitere Ausnahme sind Notsituationen: Hier darf der Arbeitgeber direkt Überstunden anordnen und der Arbeitnehmer muss seiner Weisung Folge leisten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Umstände, die die Mehrarbeit erforderlich machen, unvorhersehbar sind. Und das ist nur in besonderen Ausnahmefällen gegeben, die sich nicht vorhersehen lassen, wie etwa ein Brand oder Unwetterschäden. Der Notfall muss die Existenz des Betriebs bedrohen. Das ist in der Realität allerdings sehr selten.

10 Stunden am Tag und 48 Arbeitsstunden pro Woche sind die Obergrenze

Eine spezielle Regelung, wie viele Überstunden maximal geleistet werden dürfen, sucht man auf dem ersten Blick vergeblich. Allerdings gibt es im Arbeitszeitgesetz strenge Regelungen, was die zulässige Zahl der Arbeitsstunden pro Tag und pro Woche betrifft. 8 Stunden am Tag sind als Richtwert und 10 Stunden sind als Höchstwert festgelegt. 

Die maximale Arbeitszeit pro Woche darf 48 Stunden nicht überschreiten. Das Arbeitszeitgesetz erlaubt bestimmte Abweichungen durch Tarifvertrag, Betriebs- oder Dienstvereinbarung. Außerdem sind Ausnahmen für bestimmte Branchen möglich. Ein Betriebsrat im Unternehmen hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Überstundenregelung.

Überstunden berechnen - das Arbeitszeitgesetz regelt nicht nur vertraglich festgelegte Arbeitsstunden

Diese Regelung gilt allerdings nicht einzig und allein für die regulären Arbeitsstunden. Sie schließt vielmehr die geleisteten Überstunden mit ein. Verlangt der Arbeitgeber beispielsweise zwei Überstunden pro Tag bei einer Fünftagewoche, verstößt er gegen das Arbeitszeitgesetz, weil sich so 50 geleistete Arbeitsstunden pro Woche ergeben. 

Die tägliche Arbeitszeit darf allerdings bis zu zehn Stunden betragen, wenn sie innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschreitet. Dann darf die tägliche Arbeitszeit ausnahmsweise bis zu 10 Stunden betragen und die Wochenarbeitszeit bis zu 60 Stunden.

Nach Feierabend haben Arbeitnehmer ein Recht auf mindestens 11 Stunden Erholung

Auch eine weitere Regelung im Arbeitszeitgesetz spricht eine deutliche Sprache: Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben. Wer seine Mitarbeiter etwa erst um 10 Uhr abends gehen lässt und dann darauf besteht, dass sie um 7 Uhr morgens wieder am Arbeitsplatz erscheinen, verstößt ebenso gegen das Arbeitszeitgesetz. 

Eine Verkürzung auf 10 Stunden ist in bestimmten Branchen zulässig. Das bestimmt § 5 Abs. 2 ArbZG (Arbeitzeitgesetz). Innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen muss durch die Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ein Ausgleich stattfinden. Ein Betriebsrat im Unternehmen hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Überstundenregelung.

Viele leitende Angestellte dürfen sich nicht auf das Arbeitszeitgesetz beziehen

Allerdings müssen sich Vorgesetzte damit arrangieren, dass für sie eine Ausnahme gilt. Für leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) sind aufgrund ihrer verantwortungsvollen Position die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes nicht anwendbar.  Ein solcher leitender Angestellter ist, wer gemäß Arbeitsvertrag und Position im Unternehmen die Berechtigung zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, Generalvollmacht oder Prokura besitzt.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sie rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Auch hier darf im Arbeitsvertrag kein Stundenpensum verlangt werden, von dem ausgegangen werden kann, dass es gesundheitsschädlich ist.

Arbeitgeber dürfen die Überstundenvergütung nicht pauschal ausschließen

Klauseln, die eine Vergütung von Überstunden von vorneherein ausschließen, wie etwa: „Mit der vorstehenden Vergütung sind erforderliche Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten“, sind in den meisten Fällen unzulässig. Verantwortlich dafür ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2010. 

Eine mögliche Ausnahme sind Besserverdiener mit einem Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze, sprich 6500 Euro Bruttomonatslohn in Westdeutschland und 5800 Euro Bruttomonatslohn in Ostdeutschland. Zu diesem Entschluss kam das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil im Jahr 2011.

Eigenmächtig geleistete Überstunden müssen Arbeitgeber nicht vergüten

Wer eine Vergütung für geleistete Überstunden verlangt – ohne dass es eine Regelung dazu im Arbeitsvertrag gibt –, muss belegen können, dass der Arbeitgeber die Mehrarbeit angeordnet hat. Er hat die sogenannte Beweispflicht. Wer keinen Beweis liefern kann oder eigenmächtig Überstunden macht, wird vor Gericht schlechte Chancen haben.

Arbeitnehmer haben die Beweispflicht, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet hat

So ging es einer Buchhalterin, die sich 276 Überstunden im Wert von über 3000 Euro auszahlen lassen wollte. Da sie die geforderten Beweise schuldig blieb, ging sie leer aus (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 05.11.2019, Az.: 5 Sa 73/19). Arbeitnehmer sollten sich daher die Anweisung, Überstunden leisten zu müssen, am besten schriftlich erteilen lassen und die geleisteten Überstunden genau erfassen.

(JSC)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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