Adhäsionsverfahren – zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend machen
- 5 Minuten Lesezeit
Experten-Autorin dieses Themas
Adhäsionsverfahren: Was steckt dahinter?
Das Adhäsionsverfahren ermöglicht Geschädigten von Straftaten, zivilrechtliche Ansprüche bereits im Strafverfahren geltend zu machen. Um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gerichtlich durchzusetzen, bedarf es deswegen keines weiteren zivilgerichtlichen Rechtsstreits. Für den Verletzten ein großer Vorteil, da er seine Forderungen deutlich schneller durchsetzen kann. Zudem wird ein weiterer Rechtsstreit vermieden, der weitere Zeit und Kosten in Anspruch nimmt. Auch ist die Belastung, die mit einem zusätzlichen Rechtsstreit einhergeht, nicht zu unterschätzen. Insofern bietet das Adhäsionsverfahren einen erheblichen Vorteil gegenüber der zivilgerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs.
Auch für den Angeklagten bringt das Adhäsionsverfahren einen entscheidenden Vorteil. Sofern hier ein Vergleich erzielt werden kann, wirkt sich dies erheblich strafmildernd aus. Es findet eine Strafrahmenverschiebung statt, da die Grundsätze des Täter-Opfer-Ausgleichs vorliegen.
Adhäsionsantrag: Voraussetzungen
Das Adhäsionsverfahren ist in den §§ 403–406c Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Gemäß § 403 StPO kann der Verletzte oder sein Erbe gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes. Das gleiche Recht steht auch anderen zu, die einen solchen Anspruch geltend machen.
Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist vererbbar, womit auch der Erbe des Geschädigten antragsberechtigt ist. Daneben kann auch der mittelbar Verletzte einen Adhäsionsantrag stellen, beispielsweise die Mutter eines getöteten Kindes.
Adhäsionsantrag
Den Adhäsionsantrag sollte man so früh wie möglich stellen, damit keine Verfahrensverzögerung eintritt. Empfehlenswert ist es, den Adhäsionsantrag zu stellen, nachdem Anklage erhoben wurde. Gemäß § 404 Abs. 1 S. 1 StPO kann der Adhäsionsantrag aber auch noch bis spätestens zu Beginn der Plädoyers gestellt werden. Nicht selten werden Adhäsionsanträge am ersten Tag der Hauptverhandlung gestellt. Selbst im Berufungsverfahren kann ein Adhäsionsantrag noch gestellt werden, grundsätzlich nicht jedoch im Revisionsverfahren.
Der Adhäsionsantrag kann nur einen vermögensrechtlichen Anspruch beinhalten, also Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch. Dieser darf aber auch noch nicht anderweitig bei Gericht geltend gemacht worden sein. Ist der Schadensersatzanspruch noch nicht bezifferbar, ist auch ein Feststellungsantrag möglich. Kein Adhäsionsantrag kann jedoch gegen Minderjährige oder verhandlungsunfähige Angeklagte gestellt werden.
Adhäsionsverfahren und Nebenklage
Im Gegensatz zur Nebenklage sind alle Delikte, bei denen den Opfern ein Schaden entsteht, geeignet für das Adhäsionsverfahren. Damit die Nebenklage zugelassen werden kann, muss es sich um ein sogenanntes nebenklagefähiges Delikt aus § 395 StPO handeln. Eine Kombination von Nebenklage und Adhäsionsverfahren ist unproblematisch möglich.
Zu berücksichtigen ist zwar, dass auch der Adhäsionskläger gewisse prozessuale Rechte hat, diese gehen jedoch nicht so weit wie die eines Nebenklägers. Beispielsweise kann der Adhäsionskläger nur Beweisanträge dahingehend stellen, was seinen Anspruch betrifft. Dagegen ist es ihm unter anderem nicht möglich, Anträge zu stellen wie beispielsweise die Wortprotokollierung, die insbesondere in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen relevant ist.
Achtung! Sofern für die Beiordnung eines Beistands der Nebenklage Prozesskostenhilfe bewilligt wird, gilt diese nicht automatisch für das Adhäsionsverfahren. Dazu muss separat Prozesskostenhilfe beim Gericht beantragt werden.
Vergleich
Ratsam ist es, im Adhäsionsverfahren eine Einigung zu erzielen. Dies kann sich im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs für den Angeklagten deutlich strafmildernd auswirken. Sofern der Angeklagte jedoch aufgrund seiner Haft nicht leistungsfähig ist, ist dies unbedingt in der Einigung anzugeben. Andernfalls droht eine Strafbarkeit wegen Betruges.
Es kann auch eine sogenannte Ehrenerklärung angestrebt werden, der Abschluss eines Vergleichs ist deswegen nicht auf vermögensrechtliche Gegenstände beschränkt. Die Einigung wird durch das Gericht protokolliert. Dies kann dann als Vollstreckungstitel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) genutzt werden.
Adhäsionsverfahren: Kosten
Der Verletzte kann Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren beantragen, sofern er aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage ist, die Kosten des Adhäsionsverfahrens aufzubringen. Daneben muss – genauso wie im zivilgerichtlichen Rechtsstreit – eine hinreichende Erfolgsaussicht gemäß § 114 ZPO bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn der Anspruch schlüssig dargelegt ist und die Beweismittel zur Verfügung stehen. Auch darf keine Mutwilligkeit vorliegen. Dies bedeutet, dass der Anspruch auch leichter durchsetzbar wäre oder ein vernünftiger durchschnittlicher Mensch den Anspruch nicht geltend machen würde. Ansonsten richten sich die Anwaltskosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und sind streitwertabhängig. Sofern eine Rechtschutzversicherung besteht, trägt diese oftmals auch die Kosten. Wird ein Vergleich erzielt, fällt neben der Verfahrensgebühr VV 4143 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auch noch die sogenannte Einigungsgebühr nach VV 1003.1 RVG an.
Der Angeklagte wird – sofern er durch einen Pflichtverteidiger vertreten ist – zunächst keine zusätzlichen Anwaltskosten zu tragen haben. Hintergrund ist, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auch die Vertretung im Adhäsionsverfahren umfasst. In der Regel wird jedoch im Falle einer Verurteilung der Angeklagte später auch die Kosten des Adhäsionsverfahrens zu tragen haben. Im Falle eines Freispruchs trägt der Verletzte die Kosten, genauso wie im zivilgerichtlichen Rechtsstreit.
Absehen von einer Entscheidung
Gemäß § 406 Abs. 1 S. 3–6 StPO kann das Gericht von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag in den folgenden Fällen absehen:
- Der Antrag ist unzulässig.
- Der Antrag ist unbegründet.
- Der Antrag ist für die Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet.
Gemäß § 406 Abs. 1 S. 5 StPO ist der Antrag insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller Anspruch auf ein Schmerzensgeld geltend macht, ist eine Ablehnung aus diesem Grund jedoch unzulässig.
Adhäsionsverfahren: Nachteile
Da die Strafgerichte nicht schwerpunktmäßig mit der Verhängung von Schmerzensgeldern befasst sind, ist eine Bezifferung des Schmerzensgeldes oft nicht so präzise möglich wie im zivilgerichtlichen Verfahren. Das kann dazu führen, dass ein zu geringer, aber auch ein zu hoher Betrag ausgeurteilt wird. Daneben wird in der Regel kein separates medizinisches Sachverständigengutachten zur Frage der Verletzungen eingeholt. Das Adhäsionsverfahren ist damit etwas oberflächlicher als ein zivilgerichtlicher Rechtsstreit.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Schmerzensgeldanspruch aus einer sogenannten deliktischen Handlung besteht. Dieser erhöht das Schmerzensgeld entsprechend.
Fazit
Das Adhäsionsverfahren bietet sowohl für Opfer als auch für Angeklagte Vorteile. Es lohnt sich, sich hierzu anwaltlich beraten zu lassen.
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Adhäsionsverfahren?
Rechtstipps zu "Adhäsionsverfahren" | Seite 4
-
10.07.2018 Rechtsanwalt Dr. Timo Westermann„… , das sich neben der Bestrafung des Täters auch in der Geltendmachung seiner finanziellen Entschädigung ausdrückt, im sog. Adhäsionsverfahren geltend machen. Das Adhäsionsverfahren ist, bildlich gesprochen …“ Weiterlesen
-
24.06.2018 Rechtsanwalt Dr. Walter Späth„… , ob z. B. ein sog. „Adhäsionsverfahren“ zielführend ist. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem zivilrechtliche Ansprüche kostengünstig auch im Strafverfahren geltend gemacht werden können …“ Weiterlesen
-
18.06.2018 SALEO Rechtsanwälte PartGmbB„… Sie Ansprüche nach dem Anfechtungsgesetz oder im strafrechtlichen Adhäsionsverfahren geltend gemacht werden, sofern der Schuldner Vermögenswerte verschoben oder sich Ihre Leistung etwa …“ Weiterlesen
-
25.04.2018 Rechtsanwalt Heiko Müller„… . Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Magdeburg wurden die Anlegergelder zweckwidrig verwendet. Ob die Anleger dieses dubiosen Kapitalanlagemodells in dem Adhäsionsverfahren tatsächlich …“ Weiterlesen
-
27.02.2018 Rechtsanwalt Benjamin Grunst„… zu. Nach der Hauptverhandlung kann der Nebenkläger nach § 401 StPO unabhängig von der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Das Adhäsionsverfahren – Schmerzensgeld im Strafprozess …“ Weiterlesen
-
31.01.2018 Rechtsanwalt Christian Kohlhaas„Mit dem Adhäsionsverfahren sind Nachteile und Chancen eng verknüpft. Hinter der kryptischen Bezeichnung verbirgt sich ein Verfahren, das Strafrecht und Zivilrecht zusammenführt. Der Verletzte …“ Weiterlesen
-
18.09.2017 Rechtsanwalt Dr. Walter Späth„… hier mit anderen Anwälten ein sog. kostengünstiges „Adhäsionsverfahren“ gefordert, d. h., die Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Strafverfahren, was jedoch vom LG Berlin damals abgelehnt wurde …“ Weiterlesen
-
30.08.2017 Rechtsanwalt Benjamin Grunst„… Schadensersatzansprüche durch ein Adhäsionsverfahren verbunden werden. Sollten Sie daran interessiert sein Ihre Rechte als Nebenkläger in diesem oder einem anderen Verfahren wahrzunehmen, stehe ich Ihnen gerne als Strafanwalt bundesweit beratend und prozessleitend zur Seite.“ Weiterlesen
-
Hilfe für Opfer einer Straftat u. deren Angehörige, Rechte der Opfer bei Gewalttat Opferanwalt hilft17.07.2017 Rechtsanwältin Strafverteidigerin Jacqueline Ahmadi„… und/oder Adhäsionsverfahrens geltend machen. Des Weiteren wird Ihr Anwalt ihre zivilrechtlichen Ansprüche bei Personen- und Sachschäden wie z. B. Schadensersatz, Schmerzensgeld, Haushaltsführungsschaden …“ Weiterlesen
-
12.06.2017 Rechtsanwältin Wannapa Ngamjaroensil„… können. Kooperiert der Unfallverursacher nicht, sollte eine Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Strafprozess – ähnlich dem deutschen Adhäsionsverfahren – erwogen werden. Die Aussicht …“ Weiterlesen
-
17.04.2017 Rechtsanwalt Marco Lott„… hier eine Kostentragung durch die Staatskasse in Betracht, oder die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH). Adhäsionsverfahren Ein Rechtsanwalt wird auch prüfen, ob ein Adhäsionsverfahren …“ Weiterlesen
-
24.11.2019 Rechtsanwalt Maximilian Strohmayer„Selbst vielen Juristen ist es weithin unbekannt: das sogenannte Adhäsionsverfahren. Dabei eröffnet dieses die Möglichkeit eines Geschädigten, im Strafprozess gegen den Schädiger zivilrechtliche …“ Weiterlesen
-
14.02.2018 Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa„… , sondern an das Opfer selbst. Adhäsionsverfahren Das Adhäsionsverfahren ist ein relativ neues Verfahren, das erst vor einigen Jahren in die StPO eingefügt wurde. Dieses Verfahren ermöglicht …“ Weiterlesen
-
13.12.2016 HSV Rechtsanwälte„… , im Rahmen des Strafverfahrens behilflich sein. Das Verfahren für ein Opfer innerhalb des Strafverfahrens, zivilrechtliche Ansprüche wie ein Schmerzensgeld zu erlangen, nennt sich Adhäsionsverfahren …“ Weiterlesen
-
19.11.2016 Rechtsanwälte Dr. Kahl + Dr. Koch + Metz„… Adhäsionsverfahren! Der bequemere Weg, sofern möglich, ist der die Verfolgung dieser Ansprüche im Strafverfahren. Dies geschieht dann durch das sogenannte Adhäsionsverfahren. Dieses Verfahren …“ Weiterlesen
-
15.09.2016 Rechtsanwalt Robin Schmid„… , was wiederum für die Strafzumessung von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus besteht bereits im Strafverfahren die Möglichkeit über ein sogenanntes Adhäsionsverfahren zivilrechtliche Schadensersatz …“ Weiterlesen
-
20.07.2016 KAP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH„… „Königsweg“ „Das in dem Schreiben dargestellte ‚Adhäsionsverfahren‘, also der Anschluss an die Strafverfahren ist zwar durchaus ein probates Mittel, um Ansprüche geltend zu machen, allerdings muss …“ Weiterlesen
-
07.07.2016 Rechtsanwalt Dr. Walter Späth„… der BWF-Stiftung begonnen. Das sog. „Adhäsionsverfahrens“, also die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren, wird aber wohl vom Gericht nicht zugelassen werden. Dr. Späth hierzu …“ Weiterlesen
-
20.06.2016 Rechtsanwalt Dr. Walter Späth„… . „Adhäsionsverfahrens“ ihre Ansprüche geltend zu machen. Sollten auch Sie Verluste mit der Anlage bei der BWF-Stiftung erlitten haben, können Sie sich gerne an Dr. Späth & Partner Rechtsanwälte wenden, Dr. Späth & Partner beraten Sie gerne.“ Weiterlesen
-
28.05.2016 Rechtsanwalt Dr. Walter Späth„… verfolgen und prüfen, ob Anleger nicht z.B. Ansprüche im sog. „Adhäsionsverfahren“ geltend machen können. Dr. Späth & Partner, Rechtsanwälte mbB sind auch bereits gegen die Vermittler der BWF Stiftung …“ Weiterlesen
-
26.05.2016 Rechtsanwältin Anne Patsch„… im Adhäsionsverfahren Gebrauch. Ganz anders als die Opfer und vermeintlichen Opfer von Sexualstraftaten. Dies entgegen aller Versuche des Gesetzgebers in den vergangenen Jahren wie zuletzt dem OpferrechtsreformG …“ Weiterlesen
-
03.05.2016 Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner„… junge Opfer die Option, nicht vor dem Beschuldigten auszusagen. Außerdem kann ein Rechtsanwalt bereits im Strafverfahren mithilfe eines sogenannten „Adhäsionsverfahrens“ Schadens …“ Weiterlesen
-
18.04.2016 Rechtsanwalt Dr. Sascha Böttner„… anzuschließen und einen Fachanwalt für Strafrecht als Nebenklagevertreter zu beauftragen, um „Waffengleichheit“ herzustellen. Auf diesem Wege können schon im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden.“ Weiterlesen
-
18.03.2016 Rechtsanwalt Gerhard Rahn„… : Der Gesetzgeber hat für solche Fälle die Möglichkeit geschaffen, Schmerzensgeld gleich im Strafprozess mit einzufordern, also ohne gesonderten, oftmals langwierigen Zivilrechtsprozess. „Adhäsionsverfahren“ nennt …“ Weiterlesen