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Die freie Arztwahl – ein Patientenrecht mit vielen Ausnahmen

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anwalt.de-Redaktion

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Sowohl Privatpatienten als auch Kassenpatienten haben grundsätzlich das Recht, sich selbst ihren Arzt des Vertrauens auszusuchen. Weil es aber nur selten eine Regel ohne Ausnahme gibt, gibt es in beiden Krankenversicherungen verschiedene Einschränkungen in Bezug auf die freie Arztwahl. Dazu kommen weitere wichtige Einschränkungen bei der Unfallversicherung und im Arbeitsrecht. Wann können sich Patienten also ihren Arzt vollkommen frei aussuchen und wann müssen sie bei der Auswahl des Arztes Einschränkungen hinnehmen oder sich gar einen bestimmten Arzt wie z. B. den Betriebsarzt vorschreiben lassen?

Freie Arztwahl in der privaten Krankenversicherung

Bei privat krankenversicherten Patienten ergeben sich Einschränkungen der freien Arztwahl aus ihren individuellen Versicherungsbedingungen. Solche Einschränkungen in den Versicherungsbedingungen sind aber nur in sehr engen Grenzen zulässig und deshalb sehr selten.

Die bekannteste Einschränkung der freien Arztwahl ergibt sich aus den Wartezeiten der privaten Krankenversicherung. Wartezeit bedeutet, dass der Versicherungsschutz der privaten Krankenversicherung nicht sofort mit Abschluss des Versicherungsvertrages beginnt, sondern erst nach Ablauf einer bestimmten Wartezeit. Die Wartezeit legt jede Versicherung selbst fest. Manche Versicherungen verzichten ganz drauf und einige unterscheiden zwischen der Allgemeinen Wartezeit, die meist drei Monate beträgt, und der besonderen Wartezeit, die meist acht Monate beträgt.

Nach Ablauf der Wartezeit können privat krankenversicherte Patienten den Arzt frei wählen und ihren gewählten Arzt auch jeder Zeit wechseln. Abhängig von den Versicherungsbedingungen haben sie bei notwendigen Behandlungen im Krankenhaus einen Anspruch auf Chefarztbehandlung.

Freie Arztwahl bei der gesetzlichen Krankenversicherung

Das Recht auf freie Arztwahl ist aber kein Privileg der Privatversicherten, sondern steht grundsätzlich auch jedem kassenversicherten Patienten zu. Eine Einschränkung der freien Arztwahl ergibt sich aber daraus, dass Ärzte ihre erbrachten Leistungen nur bei der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen können, wenn sie von dieser als Vertragsarzt zugelassen worden sind. Damit haben gesetzlich krankenversicherte Patienten grundsätzlich das Recht auf freie Arztwahl, ihre Wahlfreiheit beschränkt sich aber auf die Ärzte, die von der gesetzlichen Krankenkasse als Vertragsarzt zugelassen sind.

Wenn gesetzlich krankenversicherte Patienten ihren Arzt wechseln wollen, ist das deutlich schwieriger als in der privaten Krankenversicherung. Gesetzlich Krankenversicherte können ihren Arzt im laufenden Quartal nur in schwerwiegenden Fällen wechseln, wenn z. B. das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört ist.

Noch stärker eingeschränkt ist das Recht auf freie Arztwahl, wenn der Patient am Hausarztmodell oder an einer integrierten Versorgung teilnimmt. Das Hausarztmodell ist eine bestimmte freiwillige Form der medizinischen Versorgung, bei der Patienten finanzielle Vorteile dafür bekommen, dass sie immer zuerst ihren Hausarzt aufsuchen. Im konkreten Krankheitsfall kann sich der Patient deshalb nicht mehr für irgendeinen zugelassenen Vertragsarzt entscheiden, sondern muss immer zu seinem Hausarzt gehen. Der Hausarzt übernimmt dabei praktisch die Rolle eines Lotsen für die weitere Behandlung. Patienten, die am Hausarztmodell teilnehmen, können ihren Arzt auch nicht jedes Quartal wechseln, sondern sind verpflichtet, zumindest ein Jahr lang bei dem gewählten Hausarzt zu bleiben.

Auch im Krankenhaus ist das Recht auf freie Arztwahl in der Regel stark eingeschränkt. Gesetzlich Krankenversicherte haben in der Regel nur die Wahl, in welchem Krankenhaus sie sich behandeln lassen. Welcher Arzt sie dort aber behandelt, können sie nicht mehr entscheiden, denn sie müssen sich vom jeweils diensthabenden Arzt behandeln lassen.

Freie Arztwahl in Notfällen 

Diese Einschränkungen gelten aber nicht im Notfall. Wenn also z. B. nach einem Unfall kein Vertragsarzt der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Schnelle erreichbar ist, kann die Behandlung auch ein anderer Arzt übernehmen. Die gesetzliche Krankenversicherung muss die Kosten der Behandlung trotzdem übernehmen.

Das Gleiche gilt für die allgemeine Wartezeit der privaten Krankenversicherung. Bei medizinischen Notfallbehandlungen gilt auch sie nicht und die Kasse muss die entsprechende Behandlung übernehmen.

Freie Arztwahl im Arbeitsverhältnis

Das Recht auf freie Arztwahl ist ein zentrales Recht des Patienten. Deshalb kann auch der Arbeitgeber das Recht auf freie Arztwahl nicht einschränken. Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmern also keinen bestimmten Arzt vorschreiben. Nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt sind derartige Regelungen im Arbeitsvertrag unwirksam. Deshalb können Arbeitnehmer frei entscheiden, zu welchem Arzt sie im Krankheitsfall gehen. Der Arbeitgeber muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dieses Arztes akzeptieren und kann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit nur den medizinischen Dienst der Krankenkassen einschalten. 

Grundsätzlich steht Arbeitnehmern auch bei arbeitsmedizinischen Untersuchungen das Recht auf freie Arztwahl zu, solange die Gesundheitsprüfung ein besonders qualifizierter Arzt übernimmt. Arbeitnehmer müssen sich also nicht zwingend vom Betriebsarzt untersuchen lassen, sondern können sich frei entscheiden, bei welchem Arzt sie die arbeitsmedizinische Untersuchung durchführen lassen. Bei ihrer Arztwahl müssen sie aber darauf achten, dass es sich um einen Arbeitsmediziner oder einen Mediziner mit arbeitsmedizinischer Fachkunde handelt.

Aber Achtung: Wenn sich Arbeitnehmer für einen anderen Arzt entscheiden, muss der Arbeitgeber die Kosten für die Untersuchung nicht mehr übernehmen. Bei bestimmten Vorsorgeuntersuchungen und speziellen Eignungsuntersuchungen muss der Arbeitgeber das Ergebnis eines anderen Arztes nicht anerkennen und kann verlangen, dass die Untersuchung vom Betriebsarzt durchgeführt wird. So müssen z. B. Arbeitnehmer, die auf einer Werft arbeiten wollen, die Sehtauglichkeitseignung vom Betriebsarzt feststellen lassen. Auch Beamte sind nach dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz grundsätzlich verpflichtet, arbeitsmedizinische Untersuchungen beim Betriebsarzt durchführen zu lassen.

Zusammenfassend ist das Recht auf freie Arztwahl im Arbeitsrecht ebenfalls eingeschränkt. Wenn es um die Arbeitsunfähigkeit von Arbeitnehmern geht, hat der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die Arztwahl, aber bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen und speziellen Eignungsvoraussetzungen kann der Arbeitgeber unter Umständen die Untersuchung durch den Betriebsarzt verlangen.

Freie Arztwahl bei der Unfallversicherung

Einschränkungen der freien Arztwahl gibt es auch bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach einem Arbeitsunfall können Sie deshalb zunächst nicht selbst entscheiden, zu welchem Arzt Sie gehen wollen, sondern Sie müssen als Erstes einen Durchgangsarzt (D-Arzt) aufsuchen. Durchgangsärzte sind Ärzte mit einer speziellen Zulassung der Berufsgenossenschaft, die sich mit Unfallverletzungen besonders gut auskennen.

Der Durchgangsarzt macht nach seiner Untersuchung Vorschläge für eine optimale Behandlung der Unfallverletzung, indem er z. B. zu einer bestimmten Behandlung, zu einem bestimmten Facharzt oder Rehaklinik rät. Es besteht aber keine Verpflichtung, diesen Rat auch anzunehmen. Das Recht auf freie Arztwahl ist deshalb bei der gesetzlichen Unfallversicherung nur insoweit beschränkt, dass nach einem Unfall erst ein Durchgangsarzt aufgesucht werden muss, bevor man sich frei für einen anderen Arzt entscheiden kann.

Fazit: Zusammenfassend haben Patienten also grundsätzlich stets das Recht auf freie Arztwahl. Sie müssen aber zahlreiche Ausnahmen beachten, bei denen ihr Recht auf freie Arztwahl eingeschränkt ist.

(THE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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