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Diebstahl am Arbeitsplatz: Muss der Arbeitgeber haften?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Einen Großteil des Tages verbringen Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz – und mit ihren Kollegen. Daher ist es für den Betriebsfrieden wichtig, dass man sich versteht und einander vertraut. Leider sieht die Realität oftmals ganz anders aus. Verschwinden plötzlich Geldbeträge aus dem Portemonnaie, das man auf dem Schreibtisch hat liegen lassen, oder Wertgegenstände aus dem Rollcontainer, werden aus Kollegen schnell Tatverdächtige. Doch darf der Arbeitgeber dem Verdächtigen eine Falle stellen bzw. ihm auf Verdacht kündigen oder muss er gar selbst für entstandene Schäden haften?

Kontrolle der Mitarbeiter erlaubt?

Egal, ob es um das Unternehmensvermögen oder das Vermögen der Beschäftigten geht – der Arbeitgeber möchte natürlich Diebstähle in seinem Betrieb verhindern. Oft werden die Geschäftsräume daher mittels Videokamera überwacht. Das ist jedoch nicht ohne Weiteres zulässig, weil die Überwachung unter anderem die Persönlichkeitsrechte der Kunden bzw. Geschäftspartner sowie der Beschäftigten verletzt.

Um einen Langfinger in den eigenen Reihen ausfindig zu machen, darf eine heimliche Videoüberwachung daher bislang nur als ultima ratio, also als letztes Mittel, eingesetzt werden. Auch muss der Arbeitgeber bereits einen konkreten Tatverdacht haben, um vorübergehend eine Kamera installieren zu dürfen, vgl. § 32 I 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Eine dauerhafte heimliche und grundlose Videoüberwachung wäre dagegen unverhältnismäßig. Existiert ein Betriebsrat, steht diesem bei der Frage bzgl. der Installation von Kamera(s) gemäß § 87 I Nr. 6 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) ein Mitbestimmungsrecht zu.

Ist eine Diebesfalle zulässig?

Gerade bei wiederholten „Anschlägen“ auf das Firmen- bzw. Beschäftigtenvermögen kann der Arbeitgeber auch versuchen, den Gauner mittels eines Ehrlichkeitstests zu fangen. Zulässig sind hierbei z. B. Taschen- oder Spind-Kontrollen, in die der Verdächtige eingewilligt hat. Über diese Kontrollen kann der Betriebsrat übrigens nicht mitbestimmen – sofern keine technischen Einrichtungen dabei verwendet werden.

Oft stellt der Arbeitgeber aber auch eine sog. Diebesfalle. Wurde beispielsweise immer wieder Geld geklaut, wird auf einem Schein häufig eine chemische Substanz aufgetragen. Nimmt der verdächtigte Beschäftigte den Schein an sich, bleibt etwas von der Substanz an seiner Haut – was wiederum als Nachweis gilt, dass er der Täter war. Wurde der Schein lediglich markiert, bleibt dem Arbeitgeber nichts anderes übrig, als den Verdächtigen zu bitten, ihm sein Portemonnaie bzw. seinen Spind zu zeigen. Weigert der Beschäftigte sich, darf der Chef allerdings keinen Zwang anwenden – er muss dann im Zweifel die Polizei rufen oder kann eventuell eine Verdachtskündigung aussprechen.

Fristlose Kündigung auf Verdacht möglich?

Einem Arbeitnehmer darf fristlos gekündigt werden, wenn es dafür einen wichtigen Grund nach § 626 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gibt. Auch eine Verdachtskündigung kann somit zulässig sein – allerdings nur, wenn dem Arbeitgeber aufgrund des konkreten, schwerwiegenden Verdachts, dass der Beschäftigte eine Straftat oder eine sonstige schwere Pflichtverletzung begangen hat, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Die aufgrund einer durchgeführten Diebesfalle gewonnenen Erkenntnisse können ausreichen, um den dringenden Verdacht einer Täterschaft begründen. Gleiches gilt z. B., wenn ein gestohlener Gegenstand im Spind eines Beschäftigten gefunden wurde.

Der Arbeitgeber muss vor einer Kündigung allerdings alles ihm Mögliche versuchen, um den Sachverhalt aufzuklären. Auch muss er den Verdächtigen vor einer Kündigung anhören. Anderenfalls wird das angerufene Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklären.

Haftung des Arbeitgebers?

Arbeitgeber trifft regelmäßig eine sog. Fürsorgepflicht. Sie müssen ihre Beschäftigten also nicht nur vor gesundheitlichen Schäden bewahren, sondern auch deren Persönlichkeitsrechte sowie ihr Eigentum schützen. Wurde das Eigentum eines Beschäftigten beschädigt, haftet der Arbeitgeber aber nur, wenn er dafür verantwortlich zu machen ist. Das wäre z. B. der Fall, wenn ein Diebstahl nur deshalb möglich war, weil die Angestellten keine Möglichkeiten hatten, um ihre mitgebrachten Habseligkeiten sicher zu verschließen, etwa in einem Schrank, einem Spind oder einem Rollcontainer.

Außerdem spielen auch die mitgebrachten Sachen selbst eine wichtige Rolle. Die Fürsorgepflicht bezieht sich nämlich nur auf Gegenstände, die der Beschäftigte entweder unmittelbar oder mittelbar für seine Arbeit benötigt – z. B. eigenes Werkzeug – bzw. zwingend oder regelmäßig mit sich führt – z. B. Kleidung oder einen Geldbeutel. Sachen, die der Arbeitnehmer mit zur Arbeit bringt, obwohl er sie dafür nicht benötigt, oder die der Chef nicht genehmigt oder zur Kenntnis genommen hat, begründen dagegen keine Obhuts- und Verwahrungspflicht.

Diese Erfahrung musste kürzlich der Mitarbeiter eines Krankenhauses machen, der Schmuck und Uhren im Gesamtwert von ca. 20.000 Euro mit zur Arbeit nahm, um sie später in ein Schließfach bei seiner Bank zu sperren. Als ihm die Sachen aus dem Büro gestohlen wurden, verlangte er von seinem Arbeitgeber gerichtlich Schadenersatz. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm wies den Angestellten jedoch darauf hin, dass der Arbeitgeber nicht für alle mitgebrachten Sachen haften könne – vor allem wenn er nichts von ihnen weiß und sie zum Arbeitsverhältnis keinerlei Bezug aufweisen. Der Arbeitgeber müsse somit nicht haften (LAG Hamm, Kostenbeschluss v. 21.01.2016, Az.: 18 Sa 1409/15).

Fazit: Gelegenheit macht Diebe – man sollte daher keine wertvollen Gegenstände oder höheren Bargeldbeträge mit in die Arbeit nehmen bzw. die Sachen sicher wegschließen.

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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