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Sind Schadensersatzzahlungen steuerpflichtiges Einkommen?

  • 6 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Es kommt immer wieder vor, dass Arbeitgeber nicht nur verpflichtet sind, ihren Mitarbeitern den Lohn auszubezahlen, sondern auch Schadensersatzzahlungen leisten müssen. Steuerrechtlich stellt sich dabei die Frage, ob solche Zahlungen des Arbeitgebers zum steuerpflichtigen Einkommen zählen oder steuerfrei sind. Obwohl die Grundregeln für die steuerrechtliche Behandlung von Schadensersatzleistungen weitestgehend feststehen, musste in einem kürzlich entschiedenen Fall das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz klären, ob eine im Rahmen eines Vergleichs gewährte Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) versteuert werden muss. 

Schadensersatzansprüche im Arbeitsverhältnis 

Der Arbeitgeber kann aus unterschiedlichen Gründen verpflichtet sein, Schäden eines Arbeitnehmers zu ersetzen. Am bekanntesten sind dabei der Schadensersatzanspruch bei Vermögensgegenständen sowie der Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht. In ersterem Fall ist der Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, beschädigte Gegenstände des Arbeitnehmers zu ersetzen, die für diesen entweder unentbehrlich sind (z. B. Kleidung, Brille, Ausweispapiere) oder die er für dienstliche Zwecke einzusetzen hat. 

Die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach ihr ist der Arbeitgeber unter anderem verpflichtet, das Leben und die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu schützen. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, können Arbeitnehmer Schadensersatz wegen Verletzung einer vertraglichen Pflicht geltend machen. Dies kann z. B. bei Mobbing im Betrieb der Fall sein (mehr Informationen hierzu finden Sie in diesem Rechtstipp). Weiterhin macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig, wenn er rechtzeitig beantragten Urlaub nicht gewährt und dieser deshalb verfällt (mehr Informationen hierzu finden Sie in diesem Rechtstipp). Auch bei Verstößen gegen das AGG ist der Arbeitgeber zu unterschiedlichen Formen des Schadensersatzes verpflichtet. 

Schadensersatz nach dem AGG

Das AGG enthält ein Benachteiligungsverbot, das es Arbeitgebern verbietet, Arbeitnehmer oder Stellenbewerber aus bestimmten Gründen (z. B. Geschlecht, Alter, Rasse, Religion) unterschiedlich zu behandeln. Der Arbeitgeber darf deshalb etwa Urlaubsansprüche nicht nach dem Alter staffeln oder im Bewerbungsgespräch nach der Schwangerschaft fragen. Letzteres wird vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als Diskriminierung wegen des Geschlechts bewertet, weil typischerweise nur die Frau schwanger werden kann. 

Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot werden in § 15 AGG mit verschiedenen Schadensersatzansprüchen des Benachteiligten sanktioniert. Dabei unterscheidet man den materiellen Schadensersatzanspruch und den immateriellen Schadensersatzanspruch. 

Materieller Schadensersatzanspruch

Der materielle Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs.1 AGG umfasst den Ersatz aller Nachteile, die sich in Geld oder in geldwerten Gütern ausdrücken lassen und das Vermögen des Benachteiligten vermindern. Ersetzt werden muss der gesamte Schaden, der durch die Benachteiligung entstanden ist. Dabei handelt es sich vor allem um den entgangenen Verdienst. 

Immaterieller Schadensersatzanspruch

Neben dem Ersatz des materiellen Schadens kann der Benachteiligte nach § 15 Abs. 2 AGG auch eine Entschädigung für die mit der Diskriminierung verbundene Verletzung seines Persönlichkeitsrechts verlangen. Die Höhe dieser Entschädigung ist nach dem Gesetz nur sehr allgemein mit der Formulierung „angemessen“ beschrieben. 

Werden Stellenbewerber aufgrund eines Diskriminierungsmerkmals (Geschlecht, Alter, Religion etc.) nicht eingestellt, gibt es für den immateriellen Schadensersatzanspruch eine Obergrenze von maximal drei Monatsgehältern. Diese Obergrenze gilt aber nur bei der Einstellungsdiskriminierung. Bei allen anderen Diskriminierungen (z. B. Benachteiligung im laufenden Arbeitsverhältnis oder Benachteiligung bei einer Kündigung) entscheiden allein die Umstände des Einzelfalls, welche Entschädigung angemessen ist, ohne dass es eine summenmäßige Maximalgrenze gibt. 

Schadensersatz gehört nicht zum Arbeitslohn 

Steuerrechtlich werden alle Einnahmen, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, als Arbeitslohn eingeordnet, wenn der Arbeitnehmer die Zahlung im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung seiner individuellen Arbeitskraft erhält. Diese Anforderungen sind bei den meisten Schadensersatzzahlungen gerade nicht erfüllt, denn die Zahlungen werden in der Regel nicht für die Arbeit des Arbeitnehmers gezahlt, sondern aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung. Daher sind der Ersatz von Vermögensverlusten, von besonderen Aufwendungen (z. B. Arzt oder Krankenhauskosten) oder Schadensersatzleistungen wegen Verletzung der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht steuerfrei. Steuerpflichtig sind Schadensersatzleistungen jedoch dann, wenn sie den Verlust steuerbarer Einnahmen ersetzen. 

Bei Schadensersatzzahlungen wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot werden nach diesen Grundsätzen der materielle Schadensersatzanspruch und der immaterielle Schadensersatzanspruch steuerlich unterschiedlich behandelt. Während der materielle Schadensersatz als Lohnersatzleistung versteuert werden muss, handelt es sich bei dem immateriellen Schadensersatz um eine steuerfreie Schadensersatzleistung. Die Entschädigung für die Diskriminierung wird aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers gezahlt und ist mit der Zahlung eines Schmerzensgeldes vergleichbar. Entschädigungen nach § 15 Abs.2 AGG sind daher wie die anderen genannten Schadensersatzleistungen keine Einnahme aus dem Dienstverhältnis, sondern eine Kompensation für einen nicht bezifferbaren immateriellen Schaden und damit steuerfrei.  

Gerichtlicher Vergleich ändert an der Rechtsnatur der Zahlung nichts

In einem aktuellen Fall hat nun das FG Rheinland-Pfalz explizit klargestellt, dass es für diese Rechtsnatur der Zahlung keine Rolle spielt, ob gerichtlich tatsächlich festgestellt wird, dass ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG besteht oder die Parteien zur Vermeidung einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung die Zahlung einer entsprechenden Entschädigung im Wege eines Vergleichs vereinbaren. 

Diskriminierung wegen Behinderung streitig

In dem zugrundeliegenden Fall war einer Frau gekündigt worden, nachdem ihr aufgrund einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit ein Grad der Behinderung von 30 bescheinigt worden war. Der Arbeitgeber trug vor, dass die Frau dauerhaft nicht in der Lage wäre, ihre arbeitsvertragliche Verpflichtung zu erbringen und er keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz für sie habe, wodurch eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt wäre. Diese Kündigung akzeptierte die Arbeitnehmerin nicht. Sie zog mit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht. Im weiteren Verfahrensverlauf ergänzte sie ihre Klage und machte neben der Unwirksamkeit der Kündigung auch einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 2 AGG geltend, weil der Arbeitgeber sie aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert hätte. Der Arbeitgeber wiederum bestritt, die Dame aufgrund ihrer Behinderung entlassen und damit gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen zu haben. 

Der Rechtstreit endete damit, dass beide Parteien einen Vergleich schlossen, indem sie sich u. a. darauf einigten, dass die Frau nicht personenbedingt, sondern betriebsbedingt entlassen worden sei und eine Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro nach § 15 AGG erhalten würde. Da der Vergleich den genauen Absatz von § 15 AGG nicht angab, interpretierte das zuständige Finanzamt die Zahlung als materiellen Schadensersatz und verlangte eine entsprechende Versteuerung der 10.000 Euro. Die Arbeitnehmerin argumentierte hingegen, dass es sich um eine Entschädigung für die diskriminierende Kündigung handle, die nicht zu versteuern ist. Sie zog vor Gericht und erhielt recht. 

Gerichtliche Feststellung für die Steuerfreiheit nicht erforderlich 

Das Gericht stellte explizit klar, dass der Inhalt des geschlossenen Vergleichs gerade nicht darauf hindeute, dass die Arbeitnehmerin die 10.000 Euro als Ersatz für die kündigungsbedingten finanziellen Einbußen erhalten sollte, sondern vielmehr als Entschädigung im Sinne von § 15 Abs. 2 AGG gedacht war. 

Für die steuerrechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, dass es strittig war und blieb, ob der Arbeitgeber tatsächlich gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat. Für die Frage, ob die Entschädigung aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung nach § 15 Abs.2 AGG gezahlt wird, ist es damit nicht notwendig, dass einwandfrei geklärt wird, ob eine Diskriminierung tatsächlich stattgefunden hat, denn die Arbeitsvertragsparteien haben das Recht, die Ungewissheit über die Streitfrage im Wege eines Vergleichs zu beseitigen. Die Vereinbarung der Entschädigung erfolgte deshalb nicht zur Verschleierung einer Abfindung oder Ersatzleistung nach § 15 Abs. 1 AGG, sondern einzig und allein zur Beseitigung der Ungewissheit, ob der Arbeitgeber zur Zahlung von Schadensersatz nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet ist. Im Ergebnis reicht es für eine steuerfreie Schadensersatzzahlung somit aus, dass eine Benachteiligung nach dem AGG möglicherweise stattgefunden hat. 

Fazit: Sind Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, ihren Mitarbeitern bestimmte Schäden zu ersetzen, stellen diese Schadensersatzzahlungen in der Regel kein steuerpflichtiges Einkommen dar. Nach der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz gilt diese Regel auch dann, wenn der Arbeitgeber die Schadensersatzpflicht bestreitet, sich aber im Rahmen eines Vergleichs doch zu dessen Zahlung bereit erklärt. 

(FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 21.03.2017, Az.: 5 K 1594/14)

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