- Arbeitsrecht für Arbeitgeber - Arbeitgeber klagt auf Rückzahlung der Abfindung

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Sicherlich einer der außergewöhnlichsten Fälle vor dem Arbeitsgericht Berlin im Jahr 2023. Die Axel Springer SE will von ihrem ehemaligen Bild-Chefredakteur die Abfindung zurück. Es soll um 2,2 Millionen EUR gehen.

Bei Kress.de -Informationsdienst für die Medien- und Kommunikationsbranche - heißt es dazu wie folgt:

„Springer fordert von Ex-Bild-Chef …2,2 Millionen Euro. Dies wurde bei einem Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Berlin bekannt.“ Quelle: Kress.de, vom 12. Juni 2023.

Arbeitgeber: Vertragsverstöße können Rückzahlung der Abfindung rechtfertigen

Dazu Kress.de:

„…Springer hatte im April Klage gegen den Ex-Chefredakteur von Bild eingereicht…Im Kern soll er nach Ansicht Springers Konzern-Informationen nach außen gegeben haben, obwohl sie vereinbart hätten, dass“ dieser sie „mit seinem Abgang löscht“.

Kress.de: „Auf dieser Grundlage sei ihm die Abfindung - nach Gerichtsangaben sind es zwei Millionen Euro - ausgezahlt worden. Springer fordert die Summe zurück, sowie eine Vertragsstrafe in Höhe von laut Gericht fast 200 000 Euro.“

Rückzahlung einer Abfindung kann wegen arglistiger Täuschung des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer gerechtfertigt sein

In Deutschlands Chef-Etagen ist die Rückzahlung der Abfindung ein Thema. Rechtliche Anspruchsgrundlage ist im Besonderen die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung durch den Arbeitnehmer; geregelt in § 123 BGB.

Der Gesetzestext der Vorschrift des § 123 Abs. 1 BGB heißt wie folgt:

„Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.“

Wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber durch arglistige Täuschung dazu bringt, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, kann der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch eine bewusste Täuschung dazu gebracht hat, den Vertrag abzuschließen. Die Täuschung muss arglistig sein und der Arbeitgeber muss sich aufgrund dieser Täuschung in einem Irrtum befunden haben.

Auch Arbeitnehmer können einen Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung durch den Arbeitgeber anfechten: 

„Drohung“ ist aber nicht gleich – „Drohung“ im Sinne der Vorschrift des § 123 Abs. 1 BGB“. Vielmehr muss die Drohung durch den Arbeitgeber - widerrechtlich - sein.

Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ist beispielsweise das „Drohen“ mit einer Strafanzeige oder das „Drohen“ mit einer fristlosen Kündigung in Bezug auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages widerrechtlich, mit der Folge, dass der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag erfolgreich bei Gericht anfechten könnte?

Dazu aktuell: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 128/21 – Urteil vom 14.10.2021:

„…Entgegen der Ansicht der Berufung hat der Kläger den Aufhebungsvertrag nicht wirksam wegen widerrechtlicher Drohung gem. § 123 Abs. 1 Alt. 2 BGB angefochten.

Dabei kann unterstellt werden, dass die Beklagte dem Kläger im Gespräch am 20. Oktober 2020 mit einer fristlosen Kündigung und der Erstattung einer Strafanzeige gedroht hat. Die Beklagte hat zwar eine Drohung bestritten, jedoch ausgeführt, sie habe dem Kläger „die verschiedenen Alternativen“ (Aufhebungsvertrag, Strafanzeige, fristlose Kündigung) aufgezeigt. Eine Drohung muss nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, sondern kann auch versteckt, zB durch eine Warnung oder einen Hinweis auf nachteilige Folgen, oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen (vgl. BGH 29.07.2021 – III ZR 179/20 – Rn. 45 mwN). Drohung ist dabei das Inaussichtstellen eines künftigen Übels. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können (vgl. etwa BAG 21.04.2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 52 mwN). Das Aufzeigen „verschiedener Alternativen“ kann eine Drohung sein.“

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Das „Drohen“ mit einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber muss nicht zwangsläufig - widerrechtlich - im Sinne der Vorschrift des § 123 Abs. 1 BGB sein

Das Landesarbeitsgericht stellt wie folgt klar:

„Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist nicht widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sich die angekündigte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte (vgl. BAG 21.04.2016 – 8 AZR 474/14 – Rn. 54 mwN). Die Drohung mit einer Strafanzeige ist rechtmäßig, wenn das Begehren des Drohenden mit der in Betracht kommenden Straftat in einem inneren Zusammenhang steht. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn das Arbeitsverhältnis durch die Straftat, auf die sich die angedrohte Strafanzeige bezieht, konkret berührt wird. Auch insoweit ist letztlich maßgeblich, ob ein verständiger Arbeitgeber eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen durfte (vgl. BAG 30.01.1986 – 2 AZR 196/85 – Rn. 27 ff)“

Anfechtungsgrund: Arbeitgeber verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verhandelns gemäß § 214 Abs. 2 BGB

Dazu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 5 Sa 128/21 – Urteil vom 14.10.2021:

„…Das Gebot fairen Verhandelns ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrages erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (vgl. BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34 mwN). Soweit der Kläger hierzu anführt, die Beklagte habe ihm keine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt, vermag dies eine Verletzung des Gebots fairen Verhandelns nicht zu begründen.

Eine rechtlich zu missbilligende Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ist noch nicht gegeben, nur weil der eine Auflösungsvereinbarung anstrebende Arbeitgeber dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit noch ein Rücktritts- oder Widerrufsrecht einräumt; auch eine Ankündigung des Unterbreitens einer Aufhebungsvereinbarung ist nicht erforderlich (vgl. BAG 07.02.2019 – 6 AZR 75/18 – Rn. 34). Der Arbeitgeber ist auch nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er vor Vertragsabschluss einen Rechtsbeistand hinzuziehen könne.“

In diesem Zusammenhang ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Februar 2022 – 6 AZR 333/21 – Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Mai 2021 – 18 Sa 1124/20:

Das Gebot des fairen Verhandelns 

In der Pressemitteilung des BAG heißt es wie folgt: https://www.bundesarbeitsgericht.de/presse/aufhebungsvertrag-gebot-fairen-verhandelns/

„Ein Aufhebungsvertrag kann unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen sein. Ob das der Fall ist, ist anhand der Gesamtumstände der konkreten Verhandlungssituation im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Allein der Umstand, dass der Arbeitgeber den Abschluss eines Aufhebungsvertrags von der sofortigen Annahme seines Angebots abhängig macht, stellt für sich genommen keine Pflichtverletzung gemäß § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB dar, auch wenn dies dazu führt, dass dem Arbeitnehmer weder eine Bedenkzeit verbleibt noch der Arbeitnehmer erbetenen Rechtsrat einholen kann.“

Bundesarbeitsgericht: „Auch wenn der von der Klägerin geschilderte Gesprächsverlauf zu ihren Gunsten unterstellt wird, fehlt es an der Widerrechtlichkeit der behaupteten Drohung. Ein verständiger Arbeitgeber durfte im vorliegenden Fall sowohl die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung als auch die Erstattung einer Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen. Ebenso ist das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage der vom Senat in der Entscheidung vom 7. Februar 2019 (- 6 AZR 75/18 -) entwickelten Maßstäbe unter Berücksichtigung des in der Revisionsinstanz nur eingeschränkten Prüfungsumfangs zutreffend zu dem Schluss gekommen, dass die Beklagte nicht unfair verhandelt und dadurch gegen ihre Pflichten aus § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. Die Entscheidungsfreiheit der Klägerin wurde nicht dadurch verletzt, dass die Beklagte den Aufhebungsvertrag entsprechend § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur sofortigen Annahme unterbreitet hat und die Klägerin über die Annahme deswegen sofort entscheiden musste“; - so das Bundesarbeitsgericht feststellend.

Einräumung einer Bedenkzeit für den Arbeitnehmer bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages kann in besonderen Fällen zwingend geboten sein

Dazu Arbeitsgericht Heilbronn Urteil vom 18.05.2022 - 2 Ca 60/22; Fundstelle: openJur 2022, 12213

Das Gericht wie folgt herausstellend:

„1. In besonderen Fallkonstellationen kann der Arbeitgeber gehalten sein, dem Arbeitnehmer nach der Unterbreitung eines Aufhebungsvertrages eine Bedenkzeit einzuräumen, um nicht gegen das Gebot des fairen Verhandelns zu verstoßen. Mit der Einräumung einer solchen Bedenkzeit korreliert auch eine entsprechende Hinweispflicht des Arbeitgebers. Dies gilt insbesondere bei erkennbaren psychischen Schwächen des Arbeitnehmers.

2. Die bei der Aufnahme von Vertragsverhandlungen gemäß §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB bestehenden Nebenpflichten werden durch die fortwirkenden Rücksichtnahmepflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis gemäß § 241 Abs. 2 BGB maßgeblich beeinflusst.“

Rechtsanwalt Helmut Naujoks vertritt seit 25 Jahren ausschließlich die rechtlichen Interessen der Arbeitgeber. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.


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