Berufskrankheit: Wie werden Betroffene entschädigt?
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Experten-Autor dieses Themas
Beruflich bedingte Krankheiten gibt es schon seit vielen Jahrhunderten. Bereits um 1700 verfasste der italienische Arzt Bernardino Ramazzini die erste wissenschaftliche Abhandlung über Berufskrankheiten. Doch erst im 20. Jahrhundert setzte sich das Anerkennen von beruflich bedingten Erkrankungen erstmals durch. Heute gilt als Berufskrankheit eine Krankheit, die in der beruflichen Arbeit eines Versicherten begründet ist und als solche formal anerkannt wurde.
Berufskrankheiten-Verordnung (BKV)
„Berufskrankheit“ ist ein Rechtsbegriff, der in der deutschen Berufskrankheiten-Verordnung der Bundesregierung genau definiert ist. In der BKV werden grundsätzlich alle anerkannten Berufskrankheiten Deutschlands aufgeführt. Als Berufskrankheit anerkannt werden grundsätzlich nur die Krankheiten, die in dieser Verordnung (BKV) Anlage 1 festgestellt sind. Die BKV besteht derzeit aus sieben (früher acht) Paragrafen und zwei Anlagen. Ermächtigungsgrundlage der BKV ist § 9 des Siebten Buches, Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Liste der Berufskrankheiten
Die Liste der Berufskrankheiten umfasst jene Krankheiten, die durch besondere Einwirkungen durch die berufliche Tätigkeit verursacht wurden und denen Versicherte in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt waren (dazu § 9 Absatz 1 SGB VII). Die Liste umfasst derzeit 82 anerkannte Krankheitsbilder. Dazu zählen:
- Krankheiten, die durch chemische Einwirkungen (wie zum Beispiel Gase, Lösungsmittel, Metalloxide) verursacht wurden
- Krankheiten, die durch physikalische Einwirkungen (wie Druckluft, Lärm, Tragen schwerer Lasten) verursacht wurden
- Krankheiten, die durch Infektionserreger oder Parasiten (wie Infektionskrankheiten, sofern der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Labor tätig ist und der Infektionsgefahr besonders ausgesetzt war – dies schließt auch eine Erkrankung durch Covid-19 ein) verursacht wurden
- Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells und der Eierstöcke (zum Beispiel durch Quarzstaub, Asbest, Nickel)
- Hautkrankheiten (beispielsweise ausgelöst durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthracen, UV-Strahlung)
- Krankheiten sonstiger Ursache (Augenzittern der Bergleute)
Zum 1. August 2021 trat die Fünfte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung in Kraft, der der Bundesrat am 29. Juni 2021 zugestimmt hat. Darin gab es unter anderem zwei wichtige Neuerungen. Hüftgelenksarthrose (Koxarthrose) und Lungenkrebs wurden in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen:
„Koxarthrose durch Lastenhandhabung mit einer kumulativen Dosis von mindestens 9 500 Tonnen während des Arbeitslebens gehandhabter Lasten mit einem Lastgewicht von mindestens 20 kg, die mindestens zehnmal pro Tag gehandhabt wurden.“
„Lungenkrebs nach langjähriger und intensiver Passivrauchexposition am Arbeitsplatz bei Versicherten, die selbst nie oder maximal bis zu 400 Zigarettenäquivalente aktiv geraucht haben.“*
*Quelle: „Bundesgesetzblatt im Internet“, 2021 Teil I Nr. 38, S. 2245.
Seit 01.01.2021 ist es bei sehr vielen Berufskrankheiten für die Anerkennung als Berufskrankheit nicht mehr notwendig, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit dauerhaft unterlassen müssen (der sogenannte Unterlassungszwang). Dazu zählen insbesondere Berufskrankheiten wie Hauterkrankungen, Erkrankungen der Lenden- und Halswirbelsäule und Erkrankungen der Atemwege.
Die Liste der Berufskrankheiten wird regelmäßig an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem medizinischen Bereich angepasst. Dafür ist der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) zuständig. Eine rechtsverbindliche Feststellung einer Berufskrankheit bei einem Versicherten ist jedoch die Aufgabe der Unfallversicherungsträger. Die Berufskrankheitenliste enthält sämtliche als Berufskrankheit anerkannten Krankheiten. Arbeitgeber, Ärzte und der Versicherte selbst sind verpflichtet, einen Verdacht auf eine Berufskrankheit eines Versicherten unverzüglich dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle mitzuteilen (gemäß Siebtes Buch, Sozialgesetzbuch, §§ 193, 202).
Anerkennung einer Berufskrankheit
Die Unfallversicherungsträger prüfen, ob eine Berufskrankheit vorliegt. Geprüft wird dabei, ob
beim Versicherten eine der in der Berufskrankheitenliste aufgeführte Erkrankung vorliegt;
gesundheitsschädliche Einwirkungen am Arbeitsplatz die Krankheit hervorgerufen haben;
zwischen der Tätigkeit am Arbeitsplatz, den Einwirkungen und der Entstehung der Krankheit ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Zu diesem Verfahren werden die Kranken- und die Arbeitsvorgeschichte des Versicherten ermittelt. Ein unabhängiges Sachverständigengutachten wird eingeholt und manchmal auch der Arbeitsplatz besichtigt, um die Belastungen am Arbeitsplatz zu ermitteln.
Die Anerkennung der Berufskrankheit bringt dem Versicherten gleich mehrere Vorteile: Er erhält eine Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung unabhängig von der wirtschaftlichen Existenz des Arbeitgebers. Die Entschädigung wird auch dann gezahlt, wenn ein sehr großes Zeitfenster zwischen den ersten Symptomen und der Anerkennung durch die Unfallversicherung liegt (den Arbeitgeber gibt es nach ein paar Jahren manchmal nicht mehr). Das gibt Versicherten Rechtssicherheit.
Vor der abschließenden Entscheidung, ob eine Entschädigung durch Berufskrankheit infrage kommt und die Krankheit also als Berufskrankheit anerkannt wird, werden die zuständigen Gewerbeärzte (Fachärzte für Arbeitsmedizin) als Vertreter der staatlichen Arbeitsschutzbehörden beteiligt.
Anerkannte Berufskrankheit: Leistungen der gesetzlichen Versicherung
Wenn Versicherte an einer anerkannten Berufskrankheit leiden, haben sie Anspruch auf Entschädigung durch Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII und SGB IX). Der Umfang der Leistungen hängt sehr stark von der Schwere der Krankheit ab. Liegt zum Beispiel eine anerkannte, aber vergleichsweise leichte Lärmschwerhörigkeit vor, können die Versicherten oftmals trotzdem weiterarbeiten. Sie erhalten dann beispielsweise ein Hörgerät und werden darüber aufgeklärt, wie sie sich besser am Arbeitsplatz schützen können. Sollte durch eine sehr starke Beeinträchtigung der Beruf aufgegeben werden müssen, werden etwa die Kosten für eine Umschulung durch die gesetzliche Unfallversicherung übernommen.
Zu den allgemeinen Leistungen zählt beispielsweise:
medizinische Rehabilitation zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
ergänzende Leistungen wie Betriebs- und Haushaltshilfe, Kinderbetreuungskosten
Pflegeleistungen
Abfindungen und Leistungen an Hinterbliebene
Renten
Wann erhält man eine Rente bei Berufskrankheit?
Ist die Erwerbsfähigkeit des Versicherten dauerhaft gemindert, erhält er eine monatliche Rente. Die Erwerbsminderung muss dabei jedoch mindestens 20 Prozent betragen. Allerdings hat der Grundsatz „Reha vor Rente“ bei der Beurteilung oberste Priorität. Nicht jede Berufskrankheit ist automatisch mit einer Rente verbunden.
Erst wenn alle anderen Maßnahmen der Rehabilitation keine Besserung bringen und der Versicherte länger als 26 Wochen wegen seiner Berufskrankheit in seiner Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, wird ihm eine Verletztenrente gezahlt. Ist der Versicherte vollständig erwerbsunfähig, beträgt die Verletztenrente ca. zwei Drittel des letzten Gehalts.
Berufskrankheit: Ist eine Abfindung möglich?
Anders als bei einer monatlichen Rente sind Abfindungen einmalige Geldzahlungen. Es kann unter Umständen die Auszahlung einer Rente in eine Abfindung umgewandelt werden. So kann zum Beispiel die Abfindung als vorläufige Entschädigung von der Unfallversicherung gezahlt werden, wenn erwartet wird, dass die Folgen der Berufskrankheit höchstens für einen Zeitraum von drei Jahren anhalten. Die Höhe der Abfindung entspricht der des erwarteten Rentenaufwandes. Nach Ablauf der drei Jahre muss gegebenenfalls geprüft werden, ob eine vollständige Genesung des Versicherten vorliegt oder weiterhin eine Rentenzahlung in Betracht kommt. Dies sollte dem Unfallversicherungsträger mitgeteilt werden. Er wird dann prüfen, ob ein Rentenanspruch weiterhin besteht, und die Rente gegebenenfalls weiterzahlen.
Besteht die Erwerbsminderung durch die Berufskrankheit dauerhaft, kann ebenfalls ein Antrag auf Abfindung bei der Unfallversicherung gestellt werden. Hier ist die Voraussetzung, dass die Folgen der Berufskrankheit so gravierend sind, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten zukünftig voraussichtlich nicht mehr wesentlich verbessern wird. Beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit weniger als 40 Prozent, erfolgt eine endgültige Abfindung. Beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit mehr als 40 Prozent, kann die Rente bis zur Hälfte abgefunden werden. Die andere Hälfte der Rente wird weiterhin monatlich ausgezahlt. Dies ist für einen Zeitraum von zehn Jahren möglich. Nach Ablauf der zehn Jahre wird dann wieder die gesamte Rente monatlich ausgezahlt.
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01.03.2023 Rechtsanwalt Marc Traphan„… wegen Krankheit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit, während Quarantäne sowie während des Erholungsurlaubs nicht fristgemäß kündigen." Dieses Verbot wurde aber im Juni 1990 abgeschafft. Kündigung wegen …“ Weiterlesen
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