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Arbeitsverhältnis bei Insolvenz beendet?

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Eine Unternehmensinsolvenz bedeutet Hoffen und Bangen. Das spüren seit dem Insolvenzantrag im Juli derzeit 5330 Mitarbeiter der Baumarktkette Praktiker. Für ihren Verkauf möglichst im Ganzen gab es, wie jetzt bekannt wurde, kein Angebot. Nun soll in allen Märkten der Ausverkauf starten. Für einzelne, dann leer stehende Standorte soll es zumindest Interessenten geben. Einer großen Anzahl von Beschäftigten droht jedoch die Arbeitslosigkeit. Was ändert das Insolvenzrecht dabei an der Beendigung von Arbeitsverhältnissen?

Insolvenzverwalter wird Arbeitgeber

Die Arbeitgeberstellung übernimmt in den meisten Insolvenzfällen ein Insolvenzverwalter, sofern ihm vom Insolvenzgericht auch die Befugnis zur Unternehmensführung übertragen wurde. Dementsprechend bestimmt der Verwalter nun über die Zukunft des Unternehmens.

Arbeitsverhältnis nicht automatisch beendet

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für sich allein beendet kein Arbeitsverhältnis. Für die Beendigung ist auch hier eine Kündigung notwendig. Das Kündigungsrecht hat aufgrund seiner Stellung nunmehr der Insolvenzverwalter. Kündigungen drohen besonders dann, wenn ein Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb einstellt. Er ist dazu verpflichtet, wenn er feststellt, dass eine Fortführung betriebswirtschaftlich keinen Sinn mehr macht.

Kündigungsfrist auf drei Monate verkürzt

Durch das Insolvenzrecht verkürzt sich die Kündigungsfrist auf maximal drei Monate zum Monatsende. Das betrifft zum einen all jene, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben und der deshalb vorzeitig endet. Des Weiteren sind alle Beschäftigten betroffen, die aufgrund von Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebszugehörigkeit eine längere Kündigungsfrist haben. Letzteres liegt ab einer Beschäftigungszeit von zehn Jahren vor. Ab dieser Länge gilt eine gesetzliche Kündigungsfrist von vier Monaten. Kürzere Kündigungsfristen bleiben hingegen bestehen.

Wegen eines vorzeitig beendeten Arbeitsverhältnisses besteht ein Anspruch auf Schadensersatz. Dieser stellt allerdings nur eine nachrangige Insolvenzforderung dar, weshalb die Chancen auf dessen Erfüllung relativ gering sind.

Auf der anderen Seite gelten Kündigungsfristen auch für Kündigungen durch Arbeitnehmer selbst. Der Insolvenzverwalter kann und wird von deren Einhaltung jedoch in der Regel absehen. Das gilt insbesondere, wenn ein Beschäftigter eine andere Stelle gefunden hat, die er sofort antreten könnte.

Vorheriger Kündigungsschutz bleibt bestehen

Ein bereits vor der Insolvenzverfahrenseröffnung existierender Kündigungsschutz bleibt bestehen. Deshalb muss im Falle betriebsbedingter Kündigungen trotz der Insolvenz eine Sozialauswahl erfolgen. Soziale Gesichtspunkte dafür sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung. Ein bestehender Betriebsrat ist anzuhören. Im Übrigen lässt die Insolvenz auch einen Sonderkündigungsschutz unberührt. Dieser gilt insbesondere für Schwerbehinderte, Betriebsratsmitglieder, Schwangere und Auszubildende.

Kündigungsschutzklage: nur drei Wochen Zeit ab Kündigung

Die Überprüfung der rechtmäßigen Kündigung ist mittels Kündigungsschutzklage möglich. Betroffene müssen diese innerhalb von drei Wochen nach Kenntnis von der Kündigung beim Arbeitsgericht erheben. Andernfalls ist die Kündigung wirksam. Das heißt, selbst wenn diese fehlerhaft war, ist eine Klage später nicht mehr möglich. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage kann auch eine Abfindung erstritten werden. Denn ein Recht auf Abfindung allein aufgrund der Kündigung gibt es nicht.

Interessenausgleich erleichtert Kündigungen

Mit dem Interessenausgleich existiert in § 125 Insolvenzordnung (InsO) allerdings eine auch ohne Insolvenz mögliche Vereinfachung der Sozialauswahl. Der Interessenausgleich ist dabei allerdings an die Bedingung einer geplanten Betriebsänderung geknüpft. Ein zulässiger Grund dafür ist laut § 111 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) jedoch die Einschränkung und Stilllegung ganzer Betriebe oder wesentlicher Betriebsteile. Eine Folge, die bei einer Insolvenz nicht selten droht.

Der Interessenausgleich findet dabei normalerweise zwischen Arbeitgeber bzw. nunmehr Insolvenzverwalter und Betriebsrat statt. Für vereinfachte Entlassungen ist es erforderlich, dass beide einen Interessenausgleich zusammen mit einer Namensliste von zu kündigenden Mitarbeitern erarbeiten. Infolgedessen beschränkt sich eine gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl nur noch auf grobe Fehler. Einen solchen stellt etwa die fehlende oder unausgewogene Bewertung der nur noch zu berücksichtigenden Auswahlkriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten dar. Weitere Folge des Interessenausgleiches: Ein betroffener Arbeitnehmer und nicht mehr der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Kündigung nicht dringend betrieblich, sondern aus anderen Gründen bedingt war.

Eine Möglichkeit, diese Folgen herbeizuführen, hat ein Insolvenzverwalter allerdings auch auf folgende Weise: Besteht kein Betriebsrat, verweigert dieser Verhandlungen trotz schriftlicher Aufforderung oder scheitern sie drei Wochen nach Verhandlungsbeginn aus anderen Gründen, dann kann der Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht die Feststellung von Entlassungen beantragen. Bei den betroffenen Mitarbeiter sind allerdings die Voraussetzungen wie bei einem Interessenausgleich einzuhalten. Das heißt: dringende betriebliche Erfordernisse und soziale Rechtfertigung müssen gegeben sein.

Vorgehensweise bei Massenentlassungen einzuhalten

Bei einer Vielzahl gleichzeitiger Entlassungen, wie sie insbesondere bei einer Insolvenz drohen, müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe besondere Vorgaben einhalten. Diese Pflichten treffen auch einen Insolvenzverwalter. Zum einen ist eine Stellungnahme des Betriebsrats erforderlich. Zum anderen gehört hierzu die Anzeige solcher Massenentlassungen gegenüber dem Landesarbeitsamt. Fehler hierbei können dazu führen, dass die Entlassungen unwirksam sind. Im Übrigen sind sie von der Zustimmung des Landesarbeitsamts abhängig.

Einen Rechtstipp zu den Folgen falscher Anzeigen bei Massenentlassungen finden sie hier.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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