Rechtsunwirksam von Anfang an: Die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften
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In diesem Ratgeber geht es um die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften. Sie erfahren insbesondere anhand von Praxisbeispielen, wann ein Rechtsgeschäft als nichtig gilt, welche Auswirkungen dies hat und was Sie tun können, um die Nichtigkeit zu vermeiden.
Was bedeutet Nichtigkeit?
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es derart schwerwiegende Mängel aufweist, dass es von Anfang an keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet. Auch ein Verwaltungsakt kann nichtig sein. Nichtigkeit von Rechtsgeschäften oder Verwaltungsakten bedeutet, dass diese keine rechtlichen Wirkungen entfalten und keine bindenden Rechte oder Pflichten für die Beteiligten entstehen. Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führt dazu, dass es rechtlich so behandelt wird, als ob es niemals abgeschlossen worden wäre. Diese Nichtigkeit hat eine rückwirkende Wirkung für die Vergangenheit, was auch als „ex tunc“-Wirkung bezeichnet wird.
Die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts oder Vertrages kann aus verschiedenen Gründen eintreten, beispielsweise wegen eines Formmangels, eines Verstoßes gegen gesetzliche Verbote oder wegen Sittenwidrigkeit. Die genauen Voraussetzungen für die Nichtigkeit variieren je nach Rechtsgebiet. Im Zivilrecht sind zahlreiche Gründe, die zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führen, im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) genannt.
Praxisbeispiele: Diese Gründe führen zur Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts
Mangelnde Geschäftsfähigkeit (§ 105 BGB): Nach § 105 BGB ist die Willenserklärung einer geschäftsunfähigen Person nichtig.
Geheimer Vorbehalt (§ 116 BGB): Wenn jemand einem anderen gegenüber eine Willenserklärung abgibt, sich dabei aber insgeheim vorbehält, dass er das Erklärte gar nicht will, und der Erklärungsempfänger diesen Vorbehalt auch kennt, ist die Willenserklärung nach § 116 BGB nichtig.
Scheingeschäft (§ 117 BGB): Nach § 117 BGB ist eine Willenserklärung nichtig, wenn sie nur zum Schein abgegeben wird und der Erklärungsempfänger damit einverstanden ist.
Scherzgeschäft (§ 118 BGB): Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abgegeben wird in der Annahme, dass der andere erkennt, dass die Willenserklärung nicht ernst gemeint (also ein Scherz) ist, ist gemäß § 118 BGB nichtig.
Formmangel (§ 125 BGB): Für viele Rechtsgeschäfte ist die Einhaltung einer bestimmten Form gesetzlich vorgeschrieben. So sind beispielsweise Kaufverträge über Immobilien nur wirksam, wenn sie notariell beurkundet sind. Ein mündlicher Kaufvertrag über eine Immobilie ist von Anfang an unwirksam. Nach § 125 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt.
Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB): Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
Wucher und Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB): Nach § 138 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Das heißt, wenn jemand die Zwangslage, Unerfahrenheit, das mangelnde Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche einer anderen Person ausnutzt und sich oder einem Dritten Vermögensvorteile zusichert oder gewährt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen.
Es ist zu beachten, dass diese Beispiele lediglich zur Veranschaulichung dienen und dass die genaue Feststellung der Nichtigkeit in jedem Einzelfall anhand der individuellen Umstände von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden sollte.
Konsequenzen der Nichtigkeit
Wenn ein Vertrag, Rechtsgeschäft oder Verwaltungsakt für nichtig erklärt wird, hat dies verschiedene rechtliche Konsequenzen. In erster Linie wird ein nichtiges Rechtsgeschäft oder ein nichtiger Verwaltungsakt rückwirkend als unwirksam betrachtet. Ein geschlossener Vertrag ist bei Nichtigkeit von Anfang an ungültig.
Wenn bereits Leistungen erbracht wurden, müssen im Falle der Nichtigkeit eines Vertrags grundsätzlich die bereits erbrachten Leistungen zurückgewährt werden. Dies bedeutet, dass die Parteien in den Zustand vor dem Vertragsabschluss versetzt werden müssen.
Neben möglichen Herausgabeansprüchen können unter bestimmten Voraussetzungen auch Ansprüche auf Schadensersatz in Betracht kommen. Wenn eine Partei infolge der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts bzw. Vertrages einen Schaden erlitten hat, kann sie unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz haben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch den nichtigen Vertrag Kosten entstanden sind.
So vermeiden Sie die Nichtigkeit
Um die Nichtigkeit einer Willenserklärung, eines Rechtsgeschäfts oder Vertrages zu vermeiden, sollten Sie sich vor der Abgabe von Willenserklärungen und vor einem Vertragsschluss gut informieren, ob beispielsweise bestimmte Formvorschriften beachtet oder besondere gesetzliche Bestimmungen eingehalten werden müssen. Beispielsweise gibt es zahlreiche Fälle, in denen per Gesetz zwingend die Schriftform beachtet werden muss. Schriftform bedeutet, dass die Willenserklärung schriftlich abgefasst und von Hand unterschrieben werden muss.
Ein Beispiel für eine Willenserklärung, die gesetzlich der Schriftform (§ 126 BGB) unterliegt, ist die Beendigung eines Arbeitsvertrages durch Kündigung. Wenn Sie nicht sicher sind, ob und welche Formvorschriften zu beachten sind oder welche Rechtsgeschäfte gegen gesetzliche Verbote verstoßen, sollten Sie Verträge und Rechtsgeschäfte von einem Rechtsanwalt prüfen lassen, um potenzielle Nichtigkeitsgründe zu identifizieren und zu vermeiden.
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit: Das ist der Unterschied
Anfechtbarkeit bezieht sich auf die Möglichkeit, ein Rechtsgeschäft aufgrund bestimmter Mängel anzufechten. Ein anfechtbares Rechtsgeschäft ist zunächst wirksam, bleibt aber durch den Anfechtungsprozess anfällig für eine nachträgliche Aufhebung. Eine Partei, die einen Anfechtungsgrund hat, kann das Rechtsgeschäft anfechten und dessen Ungültigkeit geltend machen. Typische Fälle, in denen eine Anfechtung eines Rechtsgeschäfts vorkommen kann, sind:
Irrtum: Wenn eine Partei aufgrund eines Irrtums eine Willenserklärung abgibt, der Irrtum aber erheblich und unverschuldet ist, kann sie das Recht haben, das Rechtsgeschäft anzufechten.
Täuschung: Wenn eine Partei durch arglistige Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung verleitet wird, kann sie die Anfechtung des Rechtsgeschäfts geltend machen.
Drohung: Wenn eine Partei durch widerrechtliche Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung gezwungen wird, kann sie das Recht haben, das Rechtsgeschäft anzufechten.
Widerrechtliche Einflussnahme: Wenn eine Partei aufgrund widerrechtlicher Einflussnahme, wie beispielsweise Nötigung oder Zwang, eine Willenserklärung abgibt, kann sie die Anfechtung des Rechtsgeschäfts verlangen.
Geschäftsunfähigkeit: Wenn eine geschäftsunfähige Person ein Rechtsgeschäft abschließt, kann dieses Rechtsgeschäft von gesetzlichen Vertretern oder bestimmten anderen Personen angefochten werden.
Die Anfechtung muss innerhalb bestimmter gesetzlicher Fristen erfolgen. Wird das Rechtsgeschäft erfolgreich angefochten, wird es rückwirkend beseitigt („ex tunc“-Wirkung). Eine Ausnahme besteht jedoch bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen, wie beispielsweise Arbeitsverträgen. In diesen Fällen kommt es zu einer Nichtigkeit “ex-nunc”. Das bedeutet, dass das Rechtsgeschäft ab dem Zeitpunkt der Anfechtung als ungültig betrachtet wird, während alle vorherigen Rechtsfolgen unberührt bleiben können.
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Rechtstipps zu "Nichtigkeit"
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26.07.2024 Rechtsanwalt Alexander Gottstein LL.B.„Kaufvertrag durch Abrede zur Steuerhinterziehung nicht nichtig – BGH V ZR 115/22 Trotz einer sog. Schwarzgeldabrede muss ein Kaufvertrag über eine Immobilie nicht unwirksam sein. Das hat der BGH …“ Weiterlesen
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25.07.2024 Rechtsanwalt Christian Grotz„… in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausschließt, einen Sportwettenvertrag als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt …“ Weiterlesen
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25.07.2024 Rechtsanwalt Stefan C. Grunow LL.M.„… die ohne die hierfür nach dem nationalen Recht erforderliche Erlaubnis angeboten wurden, als nichtig zu betrachten, wenn der Anbieter in Deutschland eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten …“ Weiterlesen
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25.07.2024 Rechtsanwalt Thomas Schopf„… Recht entgegen steht, nachdem die Verträge mit den Sportwetten-Anbietern nichtig sind, weil diese keine Lizenz hatten. Was ist jetzt zu erwarten, nachdem der BGH die Entscheidung im Bezug auf Tipico …“ Weiterlesen
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25.07.2024 Rechtsanwältin Stefanie Burkardt LL.B.„… Möglichkeiten für Verbraucher Kunden solcher Online-Coaching-Programme stehen im Falle eines bereits von Anfang an nichtigen Vertrages bereicherungsrechtliche Ansprüche zu, um geleistete Zahlungen einzufordern …“ Weiterlesen
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25.07.2024 Rechtsanwalt Martin Wehrmann„… wenn meine Vermutung stimmt, dass hier ein Betrug abläuft, sind diese Vertragsdokumente ohnehin nichtig. Vorsicht also, wenn diese Plattform mit irgendwelchen "Forderungen" auf Sie zukommt, die angeblich in einem Vertrag begründet seien.“ Weiterlesen
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23.07.2024 Rechtsanwalt Max Baumeister„… die Leistungen des Klägers ohne Rechtsgrund erfolgt. Denn der zwischen den Parteien zustande gekommene Vertrag war gemäß § 134 BGB nichtig, da er gegen § 4 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstieß. Somit muss …“ Weiterlesen
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22.07.2024 Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung„Eine Online-Coaching-Anbieterin muss 16.000 Euro zurückzahlen. Das zuständige Landgericht hat den Online-Coaching-Vertrag für nichtig erklärt, weil er gegen die Vorschriften …“ Weiterlesen
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20.07.2024 Rechtsanwalt Ali Okal„… ist aus Sicht des Gerichts möglich, da es sich letztendlich um Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung handelt. Hier greift § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB wegen der Nichtigkeit des Vertrags …“ Weiterlesen
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18.07.2024 Rechtsanwältin Christina Bender„… werden. Wucherzinsen werden in Deutschland durch § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt, der Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, für nichtig erklärt. Laut diesem Paragraphen …“ Weiterlesen
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16.07.2024 Rechtsanwalt Vladislav Dimitrov„… der Verbraucher gestärkt. Demnach ist das monatliche Einzahlungslimit ein Verbotsgesetz iSd § 134 BGB, so dass sich bei einem Verstoß gegen diese Regelung die Nichtigkeit der Glücksspielverträge …“ Weiterlesen
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16.07.2024 Rechtsanwalt Jobst Ehrentraut„… und ohne die Einhaltung der Regelungen zum Spielerschutz gegen § 4 Abs. 1, Abs. 4 und Abs. 5 des Glücksspielstaatsvertrags 2012 (GlüStV 2012) verstößt. Dieser Verstoß führte zur Nichtigkeit …“ Weiterlesen
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16.07.2024 Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung„Weil die mit der Beklagten geschlossenen Glücksspielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Glücksspielstaatsvertrag nichtig waren, erhielt ein Verbraucher rund 7.700 Euro von der Tipico Co. Limited …“ Weiterlesen
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15.07.2024 Rechtsanwalt Julian Tietze„… und schließen Verträge, die faktisch nichtig sind. Deutsche Anleger können Verluste seit dem 1. Januar 2020 vollständig zurückfordern, wenn die Plattform ohne BaFin-Lizenz aktiv war. Erfolgreiche …“ Weiterlesen
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15.07.2024 Rechtsanwalt Jens Reime„… durch einige Gerichtsentscheidungen bestätigt wurde. Er fordert die Zahlungen zurück, welche die bc connect GmbH an die Anleger auf nichtige Verträge hin geleistet hat. I. Anleger sind Opfer Dabei muss jedoch …“ Weiterlesen
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12.07.2024 Rechtsanwalt Kemal Eser„… auch die Nichtigkeit des Vertrages wegen Verstoß gegen AGB-Recht geltend gemacht wurde. Die Maklerin erkannte ihre aussichtslose Rechtsposition und verzichtete im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichs …“ Weiterlesen
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11.07.2024 Rechtsanwalt Max Baumeister„… Spielvertrag wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB nichtig war. Das bedeutet, der Anbieter muss die Spielverluste des Spielers zurückzahlen. »Der Glücksspielstaatsvertrag …“ Weiterlesen
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10.07.2024 Rechtsanwalt István Cocron B. A.„… und sind Online-Sportwetten in Deutschland verboten. Das bedeutet, dass die Verträge nichtig sind und die Veranstalter daher keinen rechtlichen Anspruch auf die Einsätze der Spieler haben. Die Spieler …“ Weiterlesen
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08.07.2024 Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung„… GlüStV 2012 nichtig. Die Erlaubnis der maltesischen Behörden sei nicht ausreichend, da es keine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung der Lizenzen in der EU gebe. Weiterhin wurde der Einwand …“ Weiterlesen
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08.07.2024 Rechtsanwalt Hansjörg Looser„… ein und ist darum nichtig. „Der BGH hat nun mit seiner Entscheidung vom 28.11.2023 deutlich gemacht, dass eine Schenkungsauflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand …“ Weiterlesen
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08.07.2024 Rechtsanwalt Julian Tietze„… , zurückfordern. Dies kann schnell eine erhebliche Summe ausmachen und Ihnen finanzielle Entlastung bringen. "Sittenwidrige Zinsen führen zur Nichtigkeit des gesamten Darlehensvertrags. Die gezahlten Beträge …“ Weiterlesen
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07.07.2024 Rechtsanwalt David Werner Vieira„… nach sich. Die Klägerin forderte Schadensregulierung, die Beklagte zahlte nicht... und das zu Recht, wie das LG Kiel entschieden hat. LG Kiel: Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung nichtig …“ Weiterlesen
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05.07.2024 Rechtsanwalt Wolfgang Herfurtner„… zur Nichtigkeit des Vertrags. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Zweck und Bedeutung von AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei …“ Weiterlesen
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05.07.2024 Rechtsanwalt Cornelius Vetter„… tatsächlich zugehen. Erteilt das Integrationsamt keine Zustimmung zur Kündigung, hat dies eine Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB zur Folge. Wenn Sie im Zusammenhang mit einem (bevorstehenden …“ Weiterlesen