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Arbeitsschutz vernachlässigt - Arbeitgeber haften

  • 5 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Weniger Arbeitssicherheit für mehr Profit: Besonders drastisch zeigt das der tödliche Arbeitsunfall eines Auszubildenden. Dem Landgericht (LG) Osnabrück zufolge starb der junge Mann, weil die Geschäftsleitung Sicherheitsvorrichtungen an einer Maschine abbauen ließ, damit diese weniger Ausschuss produzierte. Zwei Geschäftsführer, der Produktionsleiter, ein Instandhalter und ein Mitarbeiter der Gewerbeaufsicht erhielten deshalb Haft- sowie Geldstrafen. Ein dritter Geschäftsführer muss ein Bußgeld zahlen.

Sicherheitsvorrichtung bewusst aus Kostengründen entfernt

Der Betrieb, in dem sich der Unfall ereignete, veredelt Glas für den Gebäude- und Schiffsbau. Zum Einsatz kommen dabei unter anderem CNC-gesteuerte Kantenschleifmaschinen. Diese verfügen normalerweise über Lichtschranken, die, sobald jemand in den Gefahrenbereich gerät, die Maschinen abschalten.

Eine solche Notabschaltung bedeutet aber auch jedes Mal, dass das gerade bearbeitete Werkstück unbrauchbar wird. Aus Kostengründen sollen die Maschinen daher Zeugen zufolge bereits seit 2006 auf Anordnung der Geschäftsleitung ohne die herstellerseits vorgesehene Sicherheitsvorrichtung im Unternehmen gelaufen sein. Im Juli 2010 wurde ein 19-jähriger Lehrling an Kopf und Schultern in einer der Maschinen eingequetscht und starb später an den Verletzungen. Dem LG Osnabrück zufolge hätte eine vorhandene Sicherheitsvorrichtung den tödlichen Arbeitsunfall mit Sicherheit verhindert. Nun fiel dessen Urteil in der Berufung.

Fahrlässige Tötung, verletzte Aufsichtspflicht und versuchte Strafvereitelung

Wegen fahrlässiger Tötung erhielten die beiden Firmenchefs je sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung verbunden mit einer Geldauflage von 100.000 Euro. Ein weiterer Geschäftsführer muss 10.000 Euro Bußgeld zahlen. Denn er hatte als Mitbetriebsinhaber seine Aufsichtspflicht verletzt. Eine Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung erhält voraussichtlich auch der Produktionsleiter. Er hatte den Azubi alleine an der Maschine arbeiten lassen, obwohl er von der Gefahr wusste. Bei einem für die Instandhaltung der Maschine zuständigen Mitarbeiter steht sie mit 3600 Euro bereits fest. Er soll die Vorrichtung ausgebaut haben. Nicht zuletzt muss ein Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes 9000 Euro zahlen. Er hatte versucht, die wahren Hintergründe zu vertuschen. Weil er falsche Angaben gegenüber der Polizei und der Berufsgenossenschaft gemacht hatte, wurde er wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt. Gegen das Urteil der Berufungsinstanz ist noch Revision möglich (LG Osnabrück, Urteil v. 20.09.2013, Az.: 10 KLs 16/13, nicht rechtskräftig).

Arbeitgeber muss Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewährleisten

Zahlreiche Verordnungen regeln detailliert den Arbeitsschutz, darunter, um nur einige zu nennen, die Arbeitsstättenverordnung, Baustellenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, die Gefahrstoffverordnung, Lastenhandhabungsverordnung und Bildschirmarbeitsverordnung. Ihre gemeinsame Grundlage bildet das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Daneben existieren weitere Gesetze. So etwa das Arbeitssicherheitsgesetz, das unter anderem die Aufgaben der mit Arbeitssicherheit betrauten Mitarbeiter wie Betriebsärzten und anderer Fachkräfte regelt.

Wesentliche Grundlage für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten ist jedoch das Arbeitsschutzgesetz. Der Arbeitsschutz ist dabei Teil der Organisations- und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Demnach ist vorrangig der Arbeitgeber verantwortlich, erforderliche Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen. Konkret heißt das, er muss seine Beschäftigten ausreichend und angemessen anweisen. Dazu gehört insbesondere bei Veränderungen – z. B. bei Neueinstellungen, neuen Aufgaben für Beschäftigte und neuen Arbeitsmitteln und Technologien im Betrieb –, betroffene Mitarbeiter jedes Mal im Vorfeld zu unterweisen. Das gilt insbesondere auch bei Arbeitern, die aufgrund von Zeitarbeit in einem Betrieb tätig sind. Wer diese Unterweisungen dabei nicht versteht, darf laut Gesetz nicht an der betreffenden Stelle eingesetzt werden.

Außerdem ist fortwährend von ihm darauf zu achten, dass die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet ist. Nicht zuletzt muss der Arbeitgeber die Kosten von Arbeitsschutzmaßnahmen tragen, nicht die Beschäftigten. Arbeitgeber können mit Arbeitnehmern zudem keinen Verzicht auf Arbeitsschutz etwa durch Arbeitsvertrag vor einem Schadensfall vereinbaren.

All das bedeutet jedoch nicht, dass Arbeitnehmer und Angestellte vollkommen frei von jeglicher Eigenverantwortung sind, was den Arbeitsschutz betrifft. Denn sie haben laut ArbSchG nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge zu tragen. Das geht sogar so weit, dass sie auch für die Sicherheit und Gesundheit der Personen sorgen müssen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind.

Arbeitgeber bleiben bei übertragenen Arbeitsschutzaufgaben weiter verantwortlich

Ist der Arbeitgeber eine juristische Person – z. B. in Form einer GmbH –, so treffen die Pflichten je nach Gesellschaftsform den Vorstand, Geschäftsführer oder vertretungsberechtigte Gesellschafter. Arbeitgeber können entsprechende Arbeitsschutzpflichten auch auf weitere Personen übertragen. So kann etwa den Leiter eines Betriebs oder eines Unternehmens eine besondere Verantwortung treffen. Auch die Übertragung auf eine andere geeignete, zuverlässige und fachkundige Person ist möglich, sofern dies schriftlich, also mit eigenhändiger Unterschrift des Arbeitgebers, erfolgt. Ein Kriterium dafür kann statt einer speziellen Ausbildung auch eine langjährige Berufserfahrung sein. Fehler und unzuverlässiges Verhalten in der Vergangenheit schließen eine Übertragbarkeit jedoch aus. Eine fehlerhafte Auswahl geht zulasten des Arbeitgebers.

Abgesehen davon gilt: In all diesen Fällen wird ein Arbeitgeber nicht von seiner eigenen Verantwortung befreit. Fortan ist er jedoch vorrangig zur Überwachung derjenigen verpflichtet, an den er entsprechende Aufgaben delegiert hat. Die weiteren verantwortlichen Personen werden nur zusätzlich neben ihm verantwortlich für Fehler. Im vorliegenden Fall waren das insbesondere der Betriebsleiter und der für die Instandhaltung der Maschinen zuständige Mitarbeiter.

Wichtig zu wissen ist dabei noch, dass die Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz keine Rücksicht auf persönliche Umstände eines Arbeitgebers nehmen. Lediglich bei der Verantwortung für dahingehend begangene Ordnungswidrigkeiten, Straftaten und Pflichtverletzungen kommt es auf eine eventuelle Kenntnis an und ob es einem Arbeitgeber bzw. der verantwortlichen Person überhaupt möglich und zumutbar war, den Arbeitsschutz zu gewährleisten.

Fehler können dabei insbesondere personelle Konsequenzen haben. Sie stellen möglicherweise einen Grund für eine Kündigung dar. Zudem ist ein Rückgriff von Sozialversicherungsträgern im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit durchaus denkbar.

Staatliche Behörden haben über Einhaltung zu wachen

Auch den Staat treffen Verpflichtungen. Er soll nicht erst mittels Strafe reagieren, wenn es zu spät ist, sondern präventiv über die Einhaltung der Vorschriften wachen. Die zuständige Aufsichtsbehörde über den Arbeitsschutz ist dabei in der Regel abhängig vom jeweiligen Bundesamt das Gewerbeaufsichtsamt, Landesgewerbeamt bzw. Landesamt für Arbeitsschutz. Daneben führt auch die Berufsgenossenschaft Kontrollen durch. Beide Stellen stehen regelmäßig in Kontakt. Bei Besuchen ist ein Betriebsrat im Übrigen hinzuzuziehen und über deren Inhalte zu informieren.

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben muss ein Arbeitgeber Mitarbeitern von Aufsichtsbehörde und Berufsgenossenschaft den Zutritt zu Betrieben sowie Einblicke gewähren und auf Nachfrage Auskunft erteilen. Auch eine Dokumentation ist nachzuweisen. Darin sind auch Betriebsunfälle, bei denen ein Mitarbeiter getötet, tödliche Verletzungen erleidet oder für mehr als drei Tage völlig oder teilweise arbeits- oder dienstunfähig wird, zu dokumentieren.

Bei Verstößen drohen Bußgelder und Zwangsanordnungen bis hin zu Stilllegungen von Betrieben. Zusammen mit Trägern der Unfallversicherung werden die Stellen aber auch beratend tätig. Aufgrund dieser Funktionen kam es im Übrigen zur Beteiligung des Mitarbeiters der Gewerbeaufsicht im genannten Fall.

(GUE)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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