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Privatinsolvenz – Antrag, Ablauf und Voraussetzungen

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Privatinsolvenz – Antrag, Ablauf und Voraussetzungen

Wenn eine Mahnung nach der anderen ins Haus flattert und der Schuldenberg so groß ist, dass nicht mal mehr die Miete bezahlt werden kann, gibt es oft nur noch eine Lösung – die Privatinsolvenz. 

Die wichtigsten Fakten 

  • Mit einer Privatinsolvenz befreit man sich entweder teilweise oder vollständig von seinen Schulden. 

  • Eine Privatinsolvenz können nur Privatpersonen (Verbraucher) oder ehemalige Selbstständige beantragen. 

  • Bevor das Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, muss ein außergerichtlicher Einigungsversuch und das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren gescheitert sein. 

  • Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wird ein Insolvenzverwalter bestellt, der die Vermögensmasse des Schuldners an die Gläubiger verteilt. 

  • Der Schuldner unterliegt bestimmten Pflichten um nach 6 Jahren eine Restschuldbefreiung genehmigt zu bekommen. 

So gehen Sie vor 

  • Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre Schulden und Gläubiger. 

  • Lassen Sie sich von einem Schuldnerberater oder einem Anwalt umfassend beraten. 

  • Versuchen Sie eine außergerichtliche Einigung mit Ihren Gläubigern zu erwirken. 

  • Beachten Sie Ihre Pflichten während der Wohlverhaltensperiode. 

Was ist eine Privatinsolvenz? 

Als Privatinsolvenz oder Verbraucherinsolvenz bezeichnet man ein Insolvenzverfahren von natürlichen Personen nach besonderen Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO). Das Besondere an diesem speziellen Insolvenzverfahren ist die Möglichkeit der Restschuldbefreiung, die zu dem Ergebnis führt, dass Schulden gelöscht werden, obwohl sie nicht vollständig beglichen worden sind. Dadurch eröffnet die Privatinsolvenz nach einer Phase mit erheblichen Einschränkungen die Chance auf einen finanziellen Neuanfang. 

Ziel der Privatinsolvenz ist es, sich nach drei, fünf oder höchstens sechs Jahren von allen Schulden zu befreien und sich finanziell vollständig zu erholen. Außerdem wird durch die Privatinsolvenz ein sofortiger Pfändungsschutz sichergestellt, das heißt Sie können alle Briefe Ihrer Gläubiger ignorieren und auch der Gerichtsvollzieher darf nicht mehr pfänden. 

Dabei ist es grundsätzlich egal, wie hoch die Schulden sind oder wie viele Gläubiger es gibt. Der Schuldner gibt einen Teil seines Einkommens und den Großteil seines Vermögens ab. Der abzugebende Anteil des Einkommens wird auch „pfändbarer“ Teil genannt, dessen Höhe sich nach der Pfändungstabelle richtet. Abgegeben wird das Geld an den Insolvenzverwalter, der bezahlt damit zunächst die Kosten des Verfahrens und begleicht im zweiten Schritt Schulden bei den Gläubigern. 

Wichtig zu wissen: Manche Schulden wie z. B. Schadensersatzansprüche, Geldstrafen und Unterhaltspflichten bleiben trotz Privatinsolvenz bestehen. 

Welche Besonderheiten gelten bei der Privatinsolvenz? 

Bei der Privatinsolvenz gibt es einige Besonderheiten, die bei der „normalen“ Regelinsolvenz nicht gelten. Neben der bereits erwähnten Möglichkeit auf Restschuldbefreiung sind dies vor allem die vorgeschaltete außergerichtliche Schuldenbereinigung und der Zwang, vorgegebene Formulare zu verwenden. 

Notwendigkeit eines außergerichtlichen Einigungsversuchs 

Im Gegensatz zur Regelinsolvenz setzt die Privatinsolvenz zwingend die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs voraus. Gescheitert ist dieser notwendige Einigungsversuch jedoch schon dann, wenn nur ein einziger Gläubiger dem Vorschlag nicht zustimmt. Das Scheitern muss aber von einem Rechtsanwalt oder einer anerkannten Schuldenberatungsstelle bescheinigt werden. 

Formularpflicht  

Für den Eröffnungsantrag gibt es amtliche Vordrucke, die zwingend verwendet werden müssen. Dieser Formularzwang besteht nur bei der Privatinsolvenz und wurde von einigen Insolvenzgerichten zeitweise sehr streng gehandhabt. So lehnten manche Gerichte Insolvenzanträge ab, für die zwar die offiziellen Dokumente verwendet wurden, bei denen der technische Druckvorgang aber bestimmte farbliche Streifen verschwinden ließ. 

Wer kann eine Privatinsolvenz beantragen? 

Um Schulden loszuwerden, können Sie nicht einfach ein Insolvenzverfahren beantragen. Sie müssen hierfür folgende Voraussetzungen erfüllen: 

VoraussetzungBeschreibung
ZahlungsunfähigkeitSie müssen zahlungsunfähig oder überschuldet sein. Was viele nicht wissen: Eine Insolvenz kann auch präventiv eingeleitet werden, also dann, wenn eine drohende Zahlungsunfähigkeit besteht.
VerbraucherSie müssen Verbraucher sein. Dazu zählen alle Privatleute, die keine selbstständige Arbeit ausüben. Ärzte mit eigener Praxis, Anwälte mit eigener Kanzlei oder selbstständige Unternehmer können also normalerweise die Möglichkeit einer Privatinsolvenz nicht nutzen und müssen ein sogenanntes Regelinsolvenzverfahren beantragen.
Ausnahme ehemalige SelbstständigeHat man als ehemaliger Selbstständiger weniger als 19 Gläubiger und bestehen keinerlei Forderungen aus Sozialversicherungen, Arbeitnehmerverhältnissen oder der Lohnsteuer, kann man trotzdem Privatinsolvenz anmelden. Bei Privatpersonen, die nicht Selbstständig tätig waren oder sind, ist die Gläubigeranzahl egal.

Wann sollte man eine Privatinsolvenz beantragen? 

Eine Privatinsolvenz ist eine gute Möglichkeit, um sich aus der Schuldenspirale zu befreien. Wann der richtige Zeitpunkt dafür ist, entscheiden Sie als Schuldner selbst. Es gibt jedoch Warnsignale, die darauf hinweisen, dass Sie aktiv werden sollten. 

Stellen Sie sich Fragen wie: 

  • Ist es völlig aussichtslos angehäufte Schulden zu begleichen? 

  • Können Sie bereits getroffene Rückzahlungsvereinbarungen mit Gläubigern gar nicht halten? 

Auch wenn die Mahnbescheide häufiger werden, Inkassobüros auf Sie zukommen, Gläubiger immer wieder anrufen und der Gerichtsvollzieher schon an die Tür klopft, ist die Situation außer Kontrolle geraten. 

Wenn Sie die Kosten Ihres täglichen Lebens nicht mehr begleichen können, sollten Sie sich Hilfe suchen. Als erste Anlaufstelle empfiehlt sich eine Schuldnerberatungsstelle oder Sie wenden sich an einen Anwalt. 

Wie läuft das Privatinsolvenzverfahren ab? 

Das Privatinsolvenzverfahren besteht normalerweise aus vier Schritten. 

  • dem außergerichtlichen Einigungsversuch 

  • dem gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren 

  • der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 

  • dem Restschuldbefreiungsverfahren mit Wohlverhaltensperiode 

Was muss ich tun um einen Antrag auf Privatinsolvenz stellen zu können? 

Um einen Antrag auf Privatinsolvenz stellen zu können, müssen Sie zuerst mit Ihren Gläubigern verhandeln.  

Dafür muss ein außergerichtlicher Einigungsversuch stattfinden. Ohne diesen Einigungsversuch mit den Gläubigern kann man in Deutschland keinen Antrag auf Privatinsolvenz stellen. Dies ist gesetzlich geregelt und eine zwingende Voraussetzung. 

Im Rahmen des Einigungsversuchs werden Ihre gesamten Schulden sowie die Vermögensverhältnisse aufgelistet und ein sogenannter Schuldenregulierungsplan erstellt. Den Schuldenregulierungsplan können Sie auch selbst erstellen, jedoch ist es ratsam einen Schuldnerberater in die Gestaltung mit einzubeziehen. 

Zudem enthält der Plan Vergleichsvorschläge, also z. B. Vereinbarungen über Ratenzahlungen, Einmalzahlungen oder sogar einen Erlass bestimmter Schulden. Anschließend wird der Plan allen Gläubigern vorgelegt. Stimmen diese dem Schuldenregulierungsplan zu, ist der außergerichtliche Einigungsversuch geglückt und das Verfahren somit beendet. Wird der Plan abgelehnt wird die gerichtliche Schuldenbereinigung eingeleitet. 

Was passiert, wenn der außergerichtliche Einigungsversuch scheitert? 

Verläuft der außergerichtliche Einigungsversuch erfolglos, kann der Schuldner beim zuständigen Gericht einen Antrag auf die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahren einreichen. Dabei hat der Schuldner einige Dinge vorzulegen: 

  • Offiziellen Antrag auf Restschuldbefreiung 

  • Genaue Vermögensübersicht
    Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs 

  • Liste der Gläubiger 

  • Schuldenbereinigungsplan 

Liegen alle erforderlichen Dokumente vor, startet das Gericht einen erneuten Einigungsversuch mit den Gläubigern. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn nur wenige Gläubiger den bereits vorgelegten Schuldenregulierungsplan abgelehnt haben. 

Hat das Gericht hier Erfolg, wird der Insolvenzantrag zurückgezogen. Bleibt jedoch auch das gerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren erfolglos, schließt sich nun die Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens an. 

Wann wird das Insolvenzverfahren eröffnet? 

Sind alle Einigungsversuche mit Ihren Gläubigern fehlgeschlagen, wird das Insolvenzverfahren eröffnet

Der genaue Termin wird Ihnen durch einen Beschluss des Gerichts mitgeteilt. Voraussetzung für das sogenannte vereinfachte Insolvenzverfahren ist eine Deckung der anfallenden Gerichts- und Insolvenzverwalterkosten. Normalerweise belaufen sich die Gerichtskosten auf ca. 1.700 € bis 2.500 €. Diese umfassen die Kosten des Insolvenzgerichts und des Insolvenzverwalters. Erfüllt der Schuldner diese Voraussetzung, setzt das Gericht einen Treuhänder (Insolvenzverwalter) ein, der die Interessen des Schuldners gegenüber den Gläubigern vertritt. 

Der Schuldner gibt den pfändbaren Teil seines Einkommens an den Insolvenzverwalter ab, der wiederum verteilt die vorhandene Vermögensmasse an die Gläubiger. 

Zudem stellt der Schuldner in dieser Phase des Insolvenzverfahrens auch einen Antrag auf Erlass der Restschulden.  

Was versteht man unter einer Restschuldbefreiung? 

Die Wohlverhaltensperiode beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dauert bis zu 6 Jahre. Die Dauer der Vermögensaufteilung, normalerweise 6 bis 12 Monate, wird angerechnet. 

Ziel der Wohlverhaltensperiode ist es, die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen und so viele Schulden wie möglich abzubauen. 

Sie unterliegen während dieser Phase bestimmten Pflichten um zu beweisen, dass Sie das Verfahren unterstützen: 

  • Angemessene Tätigkeit ausüben 

  • Pfändbaren Teil des Einkommens an Insolvenzverwalter abgeben 

  • Bei Arbeitslosigkeit Bemühungen zum Erlangen einer angemessenen Tätigkeit nachweisen 

  • Fällt ein Erbe an, muss die Hälfte des Betrags an den Insolvenzverwalter abgegeben werden 

  • Wechsel von Wohnsitz und Arbeitsplatz dem Insolvenzgericht und Insolvenzverwalter mitteilen 

  • Keine eigenmächtigen Zahlungen tätigen 

  • Auskunft über alle Vermögenswerte offenlegen 

Erfüllt der Schuldner seine Pflichten und liegt kein Versagungsgrund vor, kann dem Schuldner die Restschuldbefreiung erteilt werden. 

Diese sorgt dafür, dass der Schuldner nach Ablauf der 6 Jahre, ohne Schulden aus dem Insolvenzverfahren austritt. 

Wichtig zu wissen: Ausgenommen hiervon sind Geldstrafen oder Forderungen, die sich aus unerlaubten Handlungen ergeben, sowie Unterhaltszahlungen. 

Welche Schulden sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen? 

Die Restschuldbefreiung befreit den redlichen Schuldner nur von fast all seinen Verbindlichkeiten. Einige wenige Forderungen gegen ihn bleiben aber auch nach der Restschuldbefreiung noch bestehen. Deshalb wird er auch nach erfolgreichem Durchlaufen der Privatinsolvenz und der Wohlverhaltensperiode nicht von noch offenen Unterhaltsforderungen, Steuerschulden und Schadensersatzforderungen aufgrund einer unerlaubten Handlung befreit. 

Welche Anträge sind bei der Privatinsolvenz zu stellen? 

Gerade wenn das Insolvenzverfahren nur wegen der Option auf Restschuldbefreiung durchlaufen wird, sind mehrere Anträge und Erklärungen notwendig. So muss man mindestens einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einen Restschuldbefreiungsantrag stellen. Nur wenn beide Anträge gestellt wurden, hat man die Chance auf die bezweckte Restschuldbefreiung. 

Dem Eröffnungsantrag müssen verschiedene Erklärungen und Bescheinigungen beigelegt werden. Hierzu gehören z. B. die Bescheinigung, dass die außergerichtliche Einigung gescheitert ist, ein Schuldenbereinigungsplan, eine Vermögensübersicht und ein Gläubigerverzeichnis. Dem Antrag auf Restschuldbefreiung muss eine Abtretungserklärung angefügt werden, in der der Schuldner erklärt, sein pfändbares Arbeitseinkommen für die Dauer von sechs Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abzugeben. 

Die notwendigen Formulare und Unterlagen müssen sorgfältig ausgefüllt und zusammengestellt werden, denn bei falschen Angaben droht die Versagung der Restschuldbefreiung. Fehlen notwendige Bescheinigungen oder Erklärungen, müssen diese auf Hinweis des Insolvenzgerichts innerhalb eines Monats nachgereicht werden. Versäumt der Schuldner diese Frist, gilt sein Antrag auf Privatinsolvenz als zurückgenommen. 

Fazit: Die Privatinsolvenz ist ein speziell für natürliche Personen entwickeltes Insolvenzverfahren, das fast immer nur als Mittel zum Zweck mit dem Ziel der Restschuldbefreiung betrieben wird. Um diese Restschuldbefreiung zu bekommen, muss man aber einiges beachten und die Spielregeln in der Privatinsolvenz bzw. der Wohlverhaltensphase kennen und streng befolgen. 

(THE)

Foto(s): ©Pixabay/Tumisu

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