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Rettungsgasse – jeder kann sie plötzlich brauchen

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion
  • Alle Verkehrsteilnehmer sind dazu verpflichtet, eine Rettungsgasse zu bilden – und das nicht nur bei Staus, sondern auch bereits bei stockendem Verkehr. 
  • Sie sollte stets zwischen dem linken und den übrigen Fahrstreifen entstehen. Der Standstreifen ist freizuhalten. 
  • Mitte Oktober 2017 erhöhte der Gesetzgeber das Bußgeld bei nicht gebildeter Rettungsgasse um das Zehnfache. 
  • Das Nichtbilden einer Rettungsgasse kostet demnach 200 Euro. Es kommen noch 2 Punkte im Fahreignungsregister in Flensburg hinzu.

Bei der Rettung entscheidet jede einzelne Minute über Leben und Tod

Wie wichtig eine Rettungsgasse ist, zeigte sich bei einem tödlichen Unfall auf der Autobahn A6 nahe Heilbronn Mitte Juli 2019. Für einen Autofahrer kam an der Unfallstelle jede Hilfe zu spät, da zuvor Dutzende Verkehrsteilnehmer die Rettungskräfte und Polizisten behinderten, indem sie keine Rettungsgasse bildeten. Es kam sogar zu Beleidigungen gegenüber den Polizeibeamten. Insgesamt 67 Autofahrer konnten angezeigt und mit einem Bußgeld belegt werden, die Gesamtsumme beläuft sich dabei auf rund 9000 Euro. 

Wenden, Rückwärtsfahren, Geisterfahren strafbar

Zahlreiche Berichte über Rettungsgassen zeigen, dass dieser Vorfall kein trauriger Einzelfall ist. Und einige Autofahrer riskieren, nur weil sie nicht warten können, sogar bewusst das Leben anderer. Da wird Rettungsfahrzeugen in der Rettungsgasse nachgefahren, auf der Autobahn rückwärtsgefahren oder gewendet, um über die Rettungsgasse eine Ausfahrt zu erreichen.

Das Wenden, Rückwärtsfahren oder Fahren entgegen der Fahrtrichtung zählt zu den sogenannten sieben Todsünden des § 315c Strafgesetzbuchs (StGB). Grob verkehrswidrig – also in besonders schwerer Weise – und rücksichtlos – also eigennützig bzw. gleichgültig gegenüber anderen – stellt solches Verhalten eine Straftat dar, wenn das andere Verkehrsteilnehmer bzw. deren Sachen gefährdet. Die Folge: Statt eines Bußgelds droht Fahrern, die im Stau nicht warten können, eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe sowie der Führerscheinentzug von bis zu fünf Jahren. Auch ohne Straftat drohen 3 Punkte und ein empfindliches Bußgeld. Diese Punkte wiegen seit Mai 2014 um einiges schwerer. Statt ab 18 Punkten ist bereits ab 8 Punkten der Führerscheinentzug möglich.

Sofern die Behörden das Wenden oder Rückwärtsfahren auf der Autobahn oder Schnellstraße als Ordnungswidrigkeit einstufen, drohen ein Bußgeld von 200 Euro, 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot. Bei einer Gefährdung sind es 240 Euro; kommt es zu einem Unfall, sind es 290 Euro. In Zusammenhang mit weiteren Verstößen kann das noch weiter geahndet werden.

Höhere Bußgelder auch ohne Rettungsgassenpflicht

Bei anderen Rettungsgassenverstößen waren die Bußgelder vergleichsweise milde. Mit einer drastischen Erhöhung im Oktober 2017 versucht der Gesetzgeber, das Verhalten auf Deutschlands Straßen zu verbessern:

  • Statt 20 Euro müssen Verkehrsteilnehmer nun 200 Euro zahlen, wenn sie bei stockendem Verkehr auf einer Autobahn oder Außerortstraße keine Rettungsgasse bilden. Hinzu kommen 2 Punkte in Flensburg. (Tatbestandsnummer 111600, 50 Bußgeldkatalog)
  • Wer zudem Einsatzkräfte behindert, muss mit 240 Euro Bußgeld, ebenfalls 2 Punkten und zusätzlich 1 Monat Fahrverbot rechnen. (Tatbestandsnummer 111601, 50.1 Bußgeldkatalog)
  • Bei einer Gefährdung oder gar einem Sachschaden sieht der Bußgeldkatalog nochmals höhere Bußgelder von 280 Euro bzw. 320 Euro vor. (Tatbestandsnummern 111602 und 111603, 50.2. und 50.3 Bußgeldkatalog)

Für eine Behinderung reicht es aus, dass sich ein Einsatzfahrzeug nicht so bewegen kann, wie es ihm bei richtig gebildeter Rettungsgasse möglich wäre.

Bußgelder gelten künftig auch ohne Rettungsgassenpflicht, wenn Einsatzfahrzeuge mit Blinklicht und Einsatzhorn behindert werden.

  • 240 Euro, 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot, wenn ihnen nicht sofort freie Bahn geschaffen wird. (Tatbestandsnummer 138600, 135 Bußgeldkatalog)
  • 280 Euro, 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot bei einer zusätzlichen Gefährdung des Einsatzfahrzeuges. (Tatbestandsnummer 138601, 135.1 Bußgeldkatalog)
  • 320 Euro, 2 Punkte und 1 Monat Fahrverbot, wenn es zu einem Unfall kommt. (Tatbestandsnummer 138602, 135.2 Bußgeldkatalog)

Alle Verstöße stellen mit Blick auf eine Fahrerlaubnis auf Probe (FaP) einen schwerwiegenden A-Verstoß dar. Das bedeutet: Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Probezeit um zwei Jahre verlängern und die Teilnahme an einem Aufbauseminar anordnen. Folgt ein weiterer Verstoß, kann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) drohen.

Beinahe-Unfall reicht für Gefährdung

Für eine Gefährdung ist kein Zusammenstoß erforderlich. Ein Schaden muss nur sehr wahrscheinlich gewesen sein. So gefährdet jemand beispielsweise Einsatzkräfte, wenn er vor einem Rettungsfahrzeug ausschert und es einen Unfall nur durch eine Vollbremsung verhindert. Vollkommen ausreichend ist, dass es nur beinahe zu einem Unfall gekommen ist. Auch wenn es gerade noch einmal gut gegangen ist, kann ein Bußgeld wegen Gefährdung drohen.

Rettungsgasse immer zwischen linker Spur und der Spur daneben

Eine Rettungsgasse zu bilden, sobald und solange der Verkehr stockt, ist für jeden Verkehrsteilnehmer verpflichtend. Schließlich kann jeder selbst plötzlich in Not geraten und ist froh, wenn Hilfe da ist. 

Wer sich unsicher ist, wo er Platz für die Rettungskräfte lassen muss, dem hilft ein Blick auf die Oberfläche seiner rechten Hand. Der Daumen stellt die äußerste linke Spur dar. Die anderen Finger stehen für die daneben liegenden Spuren. Die Rettungsgasse liegt dann bei egal wie vielen Spuren immer zwischen Daumen und Zeigefinger.

Blick nach Österreich: deutlich höhere Strafen

Österreich verhängt deutlich höhere Bußgelder beim Nichtbilden einer Rettungsgasse als in der Bundesrepublik. Weigern sich Verkehrsteilnehmer, eine Rettungsgasse zu bilden, droht ein Bußgeld von bis zu 726 Euro. Werden sogar Rettungskräfte an ihrem Einsatz gehindert, kann sich die Geldstrafe auf bis zu 2180 Euro belaufen. 

Seit 1. September 2019 gilt das verbotene Befahren einer Rettungsgasse sogar als sogenanntes Vormerkdelikt. Das heißt, diejenigen, die eine Rettungsgasse für Eigenzwecke nutzen und die Rettungskräfte behindern, können somit härter bestraft werden, beispielsweise in Form eines Führerscheinentzugs.

Neben Deutschland und Österreich gilt auch in weiteren europäischen Ländern wie in der Schweiz, in Ungarn, Slowenien und Tschechien die Verpflichtung, eine Rettungsgasse zu bilden. In Italien, Kroatien sowie in der Slowakei existiert hingegen keine solche Regelung.

(GUE/KKA)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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