Sonderbedarf, Mehrbedarf & Co. – wichtige Fakten zum Kindesunterhalt
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Bei Trennung, Scheidung oder wenn Eltern von Haus aus nicht zusammenleben, ist der Kindesunterhalt ein häufiges Streitthema – denn zum Kindesunterhalt gibt es etliche Fragen: Wer muss überhaupt Unterhalt zahlen, wem steht der Unterhalt zu, wie hoch ist der Unterhaltsanspruch, was ist mit dem monatlichen Unterhalt alles abgegolten und was muss zusätzlich bezahlt werden?
Nach dem Familienrecht gilt grundsätzlich, dass sowohl die Mutter als auch der Vater unterhaltspflichtig sind. Beide Elternteile schulden ihrem Kind daher Unterhalt. Während der Elternteil, bei dem das Kind lebt, seiner Unterhaltsverpflichtung mit dem Naturalunterhalt nachkommt, indem er oder sie sich um Kost und Logis kümmert, schuldet der andere Elternteil einen bestimmten Geldbetrag als Barunterhalt.
Düsseldorfer Tabelle: Leitfaden für die Höhe des Unterhalts
Bei Kindern wird der Unterhalt grundsätzlich nach der Düsseldorfer Tabelle berechnet. Diese Tabelle gibt den monatlichen Betrag für den Kindesunterhalt an, der einerseits nach dem Kindesalter und anderseits nach dem Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen gestaffelt ist. Insgesamt enthält die Düsseldorfer Tabelle zehn Einkommensstufen und vier Altersstufen.
Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz, sondern lediglich eine allgemeine Richtschnur für die Berechnung des individuellen Unterhaltsanspruchs. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) hat diesen Maßstab 1962 einführt. Seitdem legen die Gerichte die Düsseldorfer Tabelle der Unterhaltsberechnung zugrunde, wobei die Tabelle in regelmäßigen Abständen aktualisiert wird.
Grundsätzliche Berechnung des Kindesunterhalts
Die Düsseldorfer Tabelle enthält bundesweit anerkannte Leitlinien für den Unterhaltsbedarf von unterhaltsberechtigten Kindern, auf deren Basis die konkrete Höhe des zu zahlenden Unterhalts berechnet wird. Man kann der Düsseldorfer Tabelle daher keinen fixen Zahlbetrag entnehmen, sondern muss diesen individuell berechnen.
Zunächst muss das Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten ermittelt werden, denn das unterhaltsrechtliche Nettoeinkommen stimmt nicht mit dem Nettoeinkommen des Lohn- und Gehaltszettels überein, weil berufsbedingte Aufwendungen abgezogen werden dürfen. Bei entsprechenden Hinweisen wird generell eine Pauschale von 5 Prozent des Nettoeinkommens bzw. werden mindestens 50 Euro bis maximal 150 Euro angesetzt. Höhere Aufwendungen sind nachzuweisen. Voraussetzung ist, dass sie sich objektiv von den privaten Lebenshaltungskosten abgrenzen lassen. Abgezogen werden können auch berücksichtigungsfähige Schulden. Die Ermittlung erfolgt im Einzelfall. Ein Beispiel sind Kosten für die Kreditrückzahlung nach dem Erwerb einer selbst genutzten Immobilie.
Mit dem ermittelten Nettobedarf kann man der Düsseldorfer Tabelle den monatlichen Unterhaltsbedarf entsprechend des Alters des oder der Kinder entnehmen. Die Tabelle geht jedoch von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Bei mehr Unterhaltsberechtigten wird eine Anpassung vorgenommen.
Von dem Unterhaltsbetrag ist zudem noch das hälftige Kindergeld abzuziehen. Das Kindergeld wird grundsätzlich vollständig an den Elternteil überwiesen, bei dem das oder die Kinder leben. Unterhaltsrechtlich wird das Kindergeld aber jedem Elternteil jeweils zur Hälfte angerechnet, sodass der Anteil von dem Unterhaltsbetrag der Düsseldorfer Tabelle abzuziehen ist.
Zu guter Letzt ist bei der Unterhaltsberechnung noch der Selbstbehalt zu berücksichtigen. Dem Unterhaltsverpflichteten Elternteil steht für den Eigenbedarf ein bestimmter Betrag x zu, damit diesem ein gewisses Existenzminium für den eigenen Lebensunterhalt bleibt.
Mehrbedarf und Sonderbedarf als weitere Kosten
Nicht alle Kosten, die für das Kind anfallen, lassen sich mit den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle abdecken. Daher kann es sein, dass getrennt lebende Elternteile nicht nur den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle zahlen müssen, sondern weitere Kosten zu tragen haben. Diese zusätzlichen Kosten werden dann auf beide Elternteile verteilt, wobei ihre jeweilige Leistungsfähigkeit den Ausschlag für die Aufteilung gibt. Dabei dürfen beide Eltern von ihrem Einkommen den notwendigen Eigenbedarf abziehen. Dieser sogenannte Selbstbehalt beträgt bei einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 960 Euro und bei einem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1.160 Euro. Die zusätzlichen Kosten werden dann im Verhältnis zu den übrig bleibenden finanziellen Mitteln verteilt. Verbleiben dem Vater z. B. 1500 Euro und der Mutter 100 Euro, werden die Kosten im Verhältnis von 15 zu 1 auf beide Elternteile verteilt. Terminologisch unterscheidet man bei den zusätzlichen Kosten zwischen dem Mehrbedarf und dem Sonderbedarf.
Zusätzlich zu zahlender Sonderbedarf
Der Sonderbedarf ist dadurch gekennzeichnet, dass einmalig außergewöhnlich hohe Kosten anfallen, die nicht vorauszusehen waren. Der Sonderbedarf kann daher typsicherweise nicht vom üblichen monatlichen Unterhalt gedeckt werden und durch sein überraschendes Anfallen auch nicht angespart werden. Beispiele für von der Rechtsprechung anerkannte Sonderbedarfe sind etwa Umzugskosten, Prozesskosten, die Säuglingserstausstattung, Nachhilfekosten oder Arztkosten, die von der Krankenkasse nicht übernommen werden.
Zusätzlich zu zahlender Mehrbedarf
Der Mehrbedarf kennzeichnet sich dagegen dadurch, dass er nicht nur einmal anfällt, sondern regelmäßig. Beim Mehrbedarf fallen daher über einen längeren Zeitraum Kosten an, die die üblichen Aufwendungen übersteigen und daher nicht vom laufenden Unterhalt gedeckt sind. Teilweise höchstrichterlich anerkannte Beispiele für Mehrbedarf sind Kosten für Kindergarten und Kinderhort, regelmäßige Nachhilfe oder der Besuch einer Privatschule.
Was ist mit dem Unterhalt abgedeckt?
Getrennt lebende Eltern müssen also für ihre Kinder Unterhalt zahlen, der auf Grundlage der Düsseldorfer Tabelle berechnet wird. Mit diesen Unterhaltskosten sind die regelmäßigen Lebenshaltungskosten der Kinder abgedeckt. Unter Umständen kann es aber sein, dass zusätzlich zum normalen Unterhalt die Kosten für bestimmte Aufwendungen anteilig übernommen werden müssen. Was genau als Sonderbedarf oder Mehrbedarf gilt und was unter den gewöhnlichen Unterhalt fällt, wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beurteilt. Kleidung, Möbel, Lernmittel, Musikinstrumente, Brillenkosten, Familienfeiern und Sportverein gelten bei den meisten Gerichten weder als Mehrbedarf noch als Sonderbedarf, sondern sind mit dem monatlichen Unterhalt abgegolten. Klassenfahrten, Schüleraustausch und Kommunion ordnen die meisten Gerichte nur in Ausnahmefällen als Sonderbedarf ein, da sie nicht unvorhersehbar sind.
Ob eine Kostenposition als zusätzlich zu bezahlender Sonder- oder Mehrbedarf eingestuft wird, ist also sehr stark vom Einzelfall und Gericht abhängig. Daher sollte man sich – auch im Interesse der Kinder – gut überlegen, ob man wegen einer Klassenfahrt, einer Urlaubsreise oder Nachhilfestunden wirklich vor Gericht ziehen will oder nicht doch lieber eine gütliche Einigung findet.
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Rechtstipps zu "Sonderbedarf" | Seite 3
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10.02.2017 Rechtsanwalt Frank Baranowski„… ), den Pflegevorsorgeunterhalt (§ 1578 Abs. 2 BGB) und den Sonderbedarf (§§ 1585b BGB, 1613 Abs. 2 BGB). Die vorgenannten Bestandteile sind im laufenden Elementarunterhalt nicht enthalten. Es handelt es sich um …“ Weiterlesen
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21.03.2014 Rechtsanwältin und Scheidungsanwalt Dr. Alexandra Kasten„… ein Internat oder eine Privatschule zählen. Das gleiche gilt für unregelmäßige hohe Zusatzkosten (Sonderbedarf), wie z. B. für eine Klassenfahrt. Die Übersicht über den Kindesunterhalt ist aufgrund des umfangreichen Themas nicht abschließend, sondern stellt lediglich einige Aspekte dar. Dr. jur. Alexandra Kasten“ Weiterlesen
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04.03.2014 anwalt.de-Redaktion„… die Behandlungskosten nicht als unterhaltsrechtlicher Sonderbedarf zu ersetzen. Das wäre nur bei ausnahmsweise anfallenden Kosten von erheblicher Höhe der Fall. Ein Mehrbedarf scheidet ebenso …“ Weiterlesen
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15.11.2013 Rechtsanwältin Oleksandra Cofala„… und ist deshalb dem Elternunterhalt nach § 1603 Abs. 1 BGB entzogen. III. Zum Notgroschen des Unterhaltsschuldners: Ferner ist dem Unterhaltsschuldner ein sog. Notgroschen für Fälle plötzlich auftretenden Sonderbedarf zu belassen …“ Weiterlesen
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04.11.2013 Rechtsanwältin Bettina Bachinger„Ich nehme die Entscheidung des BGH vom 10.07.2013, Az.: XII ZB 298/10 zum Anlass, um auf die gesetzliche Regelung zum unterhaltsrechtlichen Mehr- und Sonderbedarf einzugehen. Mit der Zahlung …“ Weiterlesen
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05.04.2013 Dr. Sonntag Rechtsanwälte„… hinaus gehende Kosten können entweder Sonderbedarf oder Mehrbedarf sein. Kindergartenkosten sind Mehrbedarf. Sonderbedarf sind Kosten, die überraschend und der Höhe nach nicht abschätzbar sind. Kosten …“ Weiterlesen
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11.01.2013 Rechtsanwalt Robin Schmid„… ) von dem Unterhaltsverpflichteten geltend gemacht werden. Zunächst ist dabei zwischen Mehrbedarf und Sonderbedarf zu unterscheiden: Als Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs (§ 1610 II BGB …“ Weiterlesen
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11.10.2012 Rechtsanwalt Philipp Adam„… wenig in Betracht wie ein Darlehen zur Deckung eines einmaligen Sonderbedarfs (§ 24 Abs. 1 SGB II). Das Gericht hat in diesem Fall jedoch nicht entschieden, wie die Situation zu beurteilen ist, wenn Ziel der Klassenfahrt ein Land wäre, in dem zur Einreise ein Kinderreisepass Pflicht ist.“ Weiterlesen
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10.04.2012 Pia Löffler, anwalt.de-Redaktion„… nicht - wie verlangt - pauschal mit 1.800 Euro je Jahr ansetzen, so der BGH. Das sei „Sonderbedarf", über den im Einzelfall entschieden werden müsse. „Eine feste Zeitspanne zur Erneuerung bestimmter …“ Weiterlesen
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09.11.2011 Rechtsanwalt Holger Barth„… die ASV (entgegen dem Motto aus den Eckpunkten des BMG zum Versorgungsgesetz „wer kann, der darf") wirklich den Rahmen der Bedarfsplanung (Problem auch für externe Bewerber wegen eines Sonderbedarfs), noch …“ Weiterlesen
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22.07.2011 Rechtsanwalt Alik Lasse Burke„… besteht nunmehr die Möglichkeit den individuelle Bedarf abweichend von dem Regelbedarf festzulegen. Inwieweit davon in der Praxis die Sonderleistungen bei sog. „Härtefällen", d.h. für laufende, unabweisbare Sonderbedarfe nach dem Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 umfasst sind, bleibt abzuwarten.“ Weiterlesen
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21.07.2011 Rechtsanwalt Alik Lasse Burke„… die Erstausstattung einer Wohnung, die Erstausstattung mit Bekleidung und Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen gewährt. e. Sonderbedarfe …“ Weiterlesen
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20.07.2011 Rechtsanwalt Alik Lasse Burke„… ) - Einmalsonderleistungen (§ 24 Abs. 3 SGB II / Erstausstattung / Therapeutische Geräte), - Sonderleistungen bei sog. „Härtefällen", d.h. für laufenden, unabweisbare Sonderbedarfe (§ 21 Abs. 6 SGB II; s …“ Weiterlesen
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20.06.2011 Rechtsanwalt Mathias Henke„… , dass er außerordentliche Belastungen zu tragen hat (beispielsweise Sonderbedarf wegen Schwerbehinderung oder chronischer Krankheit). III. Anwendungsbereiche Die gestiegenen Pfändungsfreigrenzen der Pfändungstabelle …“ Weiterlesen
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23.03.2011 Miriam Heilig, anwalt.de-Redaktion„… werden können. Allerdings wurde den Eltern der Sonderbedarfsfreiheitsbetrag gemäß § 33a Abs. 2 Satz 1 gewährt. Demnach können Eltern für den Sonderbedarf ihres volljährigen Kindes …“ Weiterlesen
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07.10.2010 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… ) . Auch dieser hatte in seinen Urteilen die Aufwendungen für Schulbücher nicht als „unabwendbaren Sonderbedarf" eingestuft, sondern ihn als laufende und planbare Aufwendungen eingestuft. Anders stellt sich die Sachlage bei Klassenfahrten dar, die im Rahmen der Sozialleistungen als Sonderbedarf anerkannt werden.“ Weiterlesen
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13.09.2010 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… geschuldeten Bedarf nicht, während das SGB XII sogar Wert darauf legt, dass Sonderbedarf aus dem Heranwachsen von Kindern mit berücksichtigt werden muss und Einzelfallentscheidungen dazu möglich macht …“ Weiterlesen
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28.06.2010 Rechtsanwalt Holger Barth„… einer Psychologischen Psychotherapeutin, die in der Kleinstadt Schopfheim im Landkreis Lörrach wegen Sonderbedarfs für psychoanalytische Psychotherapie zugelassen werden wollte. Der im Widerspruchsverfahren …“ Weiterlesen
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28.05.2010 Rechtsanwalt Holger Barth„… hier allein auf Basis einer Zulassung wegen Sonderbedarfs, weshalb es nicht einmal auf andere fachinternistische Schwerpunkte ausweichen könne. Im Ergebnis misst die 18. Kammer auch der Anfechtungsklage …“ Weiterlesen
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11.02.2010 Esther Wellhöfer, anwalt.de-Redaktion„… aus Artikel 1 und Artikel 20 GG begründet, um so eine verfassungswidrige Regelungslücke zu schließen. Damit haben ab sofort die Betroffenen einen Anspruch bei einem länger bestehenden atypischen Sonderbedarf …“ Weiterlesen
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26.10.2009 Rechtsanwalt Dr. Dr. Seyed Shahram Iranbomy„… , das Kinderfahrrad, die Waschmaschine etc. Tatsächlich gibt es keine Sonderbedarfe im SGB II und es fehlt eine Öffnungsklausel wie in § 28 I SGB XII, wonach es möglich ist, den individuellen Bedarf im Einzelfall …“ Weiterlesen
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19.06.2009 Rechtsanwalt Holger Barth„… Sonderbedarfs (bei Subspezialisierung) gemäß § 24 Buchst. b) Bedarfsplanungsplanungs-Richtlinien-Ärzte neu zugelassener Kollege, berechtigt ist, den Zulassungsbescheid anzufechten. Die entgegenstehende …“ Weiterlesen
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20.07.2007 Rechtsanwalt Simon-Peter Heinzel„1. Für eine Klassenfahrt und für Nachhilfeunterricht entstehende Kosten sind regelmäßig kein Sonderbedarf, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sie unvorhersehbar …“ Weiterlesen