Verdachtskündigung – Untreue: Risiko über fremdes Vermögen verursacht

  • 6 Minuten Lesezeit

„Erfolgreiche außerordentliche Verdachtskündigung wegen des Verdachts der Untreue, basierend auf den Vorwurf, der Kläger - kaufmännischer Leiter und Prokurist - habe im Rahmen der Ausschreibung vom Busverkehren unauskömmliche Angebote mitunterzeichnet und sei dadurch unverantwortliche Risiken für das Vermögen der Beklagten, eines Unternehmens des öffentlichen Personenverkehrs, eingegangen.“ so lautet der amtliche Leitsatz des LAG Hessen, Urteil vom 09.06.2009 - 12 Sa 942/06; Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Hessen: „Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung. Die Beklagte ist ein Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs mit 196 Mitarbeitern….In den Jahren 2003 bis 2005 nahm die B an 15 Ausschreibungen für die Vergabe von Busverkehren teil. In fünf Fällen gelang es ihr, durch Unterbieten der Konkurrenz die Ausschreibung zu gewinnen…Im Rahmen der Vorbereitung des Angebots für den Verkehr in G hielt der Kläger in einem internen Vermerk fest, dass bei einem Angebot zu einem km-Preis von 1,60 die bislang kalkulierten Personal- und Kraftstoffkosten zu einem Verlust führen würden (Bl. 855 d. A.). Das Angebot wurde jedoch, mit unterzeichnet vom Kläger, mit diesen Konditionen abgegeben…Die neue Geschäftsführung gelangte am 13.09.2005 zu der Einschätzung, dass die neugewonnenen Verkehre Verluste einbrachten, und das nicht nur für das Jahr 2005, sondern auch für die weiteren Jahre. Für das Jahr 2005 sah sie statt des vom Kläger prognostizierten Gewinns von 291.000,00 einen Verlust in der Größenordnung zwischen 0,9 und 1,7 Millionen auf sich zukommen…Angesichts der drohenden Verluste aus den neu gewonnenen Verkehren musste das Jahresergebnis der Beklagten und der B für die Jahre 2004 und 2005 später korrigiert werden…Für das Jahr 2005 ergab sich ein Fehlbetrag von fast 7,0 Mio., entstanden durch einen Verlust aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von über 1,7 Mio. und einer Drohverlustrückstellung von fast 5,26 Mio. Nach Vorliegen des Prüfberichts vom 20.10.2005 hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 27.10.2005 zu dem Verdacht der Untreue an.“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitsgericht weist Kündigungsschutzklage zurück

LAG Köln: „Das Arbeitsgericht T hat mit Urteil vom 11.05.2006 (Az.: 2 Ca 609/05) die Kündigung für wirksam gehalten und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die fristlose Kündigung ein wichtiger Grund in Gestalt des Verdachts der Untreue gegeben sei. Den Kläger treffe in seiner Position als kaufmännischer Leiter und Prokurist eine Vermögensbetreuungspflicht, die bei der Kalkulation der fünf neuen Verkehre verletzt worden sei. Die Annahme wird auf die Feststellungen in dem Wirtschaftsprüfungsbericht vom 20.10.2005 gestützt. Indizien wie die weitaus höheren tatsächlichen Preise für die erworbenen Busse oder für Treibstoff begründeten auch den dringenden Verdacht, dass er die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und die Gefährdung des Vermögens der Beklagten billigend in Kauf genommen habe.“ Quelle: Beck-online.de

LAG Köln erachtet die Kündigung ebenfalls als wirksam

LAG Köln: „Die von der Beklagten am 19.11.2005 ausgesprochene fristlose außerordentliche Verdachtskündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 und 2 BGB (wortgleich § 54 Abs. 1 und 2 BAT) wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Zeitpunkt ihres Zugangs beendet. Für die Kündigung ist ein wichtiger Grund in Gestalt des Verdachts der schuldhaften Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten gegeben, indem der Kläger in verantwortlicher Position an der Erstellung nicht kostendeckender Angebote mitgewirkt und die ihm obliegenden Kontrollpflichten vor Unterzeichnung der Angebote für die Teilnahme an Ausschreibungen für fünf Busverkehre nicht ausgeübt, sondern die erkennbar nicht auskömmlichen Angebote mit unterzeichnet hat (§ 626 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hat den Kläger vor Ausspruch der Kündigung dazu hinreichend angehört.“ Quelle: Beck-online.de

Schwerwiegender Verdacht einer strafbaren Handlung rechtfertigt fristlose Kündigung

LAG Köln: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schwerwiegenden Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dabei können den Verdacht stärkende oder entkräftende Tatsachen bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorgetragen werden. Sie sind grundsätzlich zu berücksichtigen, sofern sie - wenn auch unerkannt bereits vor Zugang der Kündigung vorlagen; denn Kündigungsgrund bei der Verdachtskündigung ist die verdachtsbedingte Beeinträchtigung der Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers, wobei sich der Verdacht aus objektiv bei Zugang der Kündigung vorliegenden (Indiz-)Tatsachen ergeben muss.“ Quelle: Beck-online.de

Vorwurf der Untreue rechtfertigt Verdachtskündigung

LAG Köln: „ Vorliegend hat die Beklagte ihre Kündigung ausdrücklich mit dem Verdacht der vorsätzlichen Begehung einer strafbaren Handlung, und zwar der Untreue gemäß § 266 StGB in Gestalt der mehrfachen Verletzung der dem obliegenden Vermögensbetreuungspflicht gestützt. Dieser Vorwurf ist ohne Frage als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung an sich geeignet. Gleichzeitig ist in diesem Grund auch der Vorwurf einer schwerwiegenden Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten enthalten, der unabhängig davon, ob die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt sind, in derselben Weise als wichtiger Grund geeignet ist; denn für die kündigungsrechtliche Wertung kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Bewertung an, sondern darauf, ob durch eine Handlung des Arbeitnehmers das dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Vertrauensverhältnis in einer Weise gestört ist, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist.“ Quelle: Beck-online.de

Kläger hat durch Unterzeichnung der Angebote Risiken für den Arbeitgeber mitbegründet

LAG Köln: „Nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien in Verbindung mit den gutachterlichen Feststellungen des vom Gericht eingesetzten Sachverständigen R liegen in hinreichendem Umfang objektive Tatsachen vor, die den starken Verdacht begründen, dass der Kläger im Rahmen der Erstellung von Angeboten im Rahmen der Ausschreibung neuer Verkehre gegen die ihm aufgrund seiner Position in beiden Unternehmen, seiner Erfahrung und seiner Sachkunde in gesteigerter Weise obliegenden Pflichten zur Überwachung und zur Kontrolle der einzureichenden Angebote in schwerwiegender Weise verstoßen und des Weiteren durch die Unterzeichnung der Angebote für die Beklagte unverantwortliche Risiken mitbegründet und dabei den Eintritt eines Schadens bei der Beklagten billigend in Kauf genommen hat.“ Quelle: Beck-online.de

Gericht bejaht gravierenden Verdacht einer Vermögensgefährdung

LAG Köln: „Es besteht ein durch objektive Tatsachen begründeter gravierender Verdacht, dass der Kläger durch die Mitunterzeichnung der Angebote für die Verkehre G, F, H und I sowohl die ihm durch die Prokura übertragene Befugnis, über das Vermögen der Beklagten zu verfügen, durch Eingehen unverantwortlicher Risiken missbräuchlich überschritten (§ 266 StGB, 1. Alternative) als auch die ihm aufgrund seines arbeitsvertraglichen Aufgabenbereichs (kaufmännische Leitung, Revision) obliegenden Vermögensbetreuungspflichten verletzt (§ 266 StGB, 2 Alternative) hat. Aufgrund der Feststellungen in dem von dem Sachverständigern R erstellten Gutachten ist davon auszugehen, dass die unstreitige Vorgabe des Geschäftsherrn, die Angebote auf jeden Fall kostendeckend zu kalkulieren, bei den vier Angeboten für die Verkehre G, F, H und I missachtet wurde und die Verlustgefahr bei allen Angeboten deutlich höher war als die Gewinnaussicht.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Helmut Naujoks

Beiträge zum Thema