Arbeitsverweigerung: Keine Arbeitsverweigerung bei Nichtvorlage einer „Gesundschreibung”

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„Die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers endet im Grundsatz am letzten Tag der in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung attestierten Periode. Der Arbeitgeber darf nach Ablauf der Periode die Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitskraft ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht von der Vorlage einer „Gesundschreibung” abhängig machen. Bei Ablehnung des Arbeitskraftangebots trägt er dann das Risiko der Entgeltfortzahlung bei objektiv vorhandener Leistungsfähigkeit; kündigungsrechtlich kann er sich in der Regel nicht auf den Gesichtspunkt der „Arbeitsverweigerung” berufen, wenn der Arbeitnehmer die geforderte „Gesundschreibung” nicht oder verspätet beibringt.“ so das LAG Berlin, Urteil vom 10. 5. 2001 - 10 Sa 2695/00 (ArbG Berlin Urteil 24. 10. 2000 80 Ca 7983/00; Quelle: Beck-online.de

Was ist passiert?

LAG Berlin: „Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier von dem Bekl., der eine Hausverwaltung betreibt, gegenüber der als Sekretärin seit 1983 beschäftigten Kl. ausgesprochenen Kündigungen, und zwar einer Kündigung vom 31. 5. 2000 zum 30. 11. 2000 sowie einer fristlosen Kündigung vom 23. 6. 2000. Vorangegangen war dem, dass die Kl. nach einer längeren Arbeitsunfähigkeitsperiode seit Juni 1999 am 1. 3. 2000 eine stufenweise Wiedereingliederung in die Arbeitstätigkeit begehrt hatte, was der Bekl. abgelehnt hatte. Dieser stellte im Mai 2000 einen Antrag bei der Hauptfürsorgestelle auf Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung und sprach nach Zustimmungserteilung am 31. 5. 2000 eine solche auch aus. Am 5. 6. 2000 bot die Kl. ihre Arbeitskraft an, deren Annahme der Bekl. ablehnte und eine Bescheinigung über die Arbeitsfähigkeit der Kl. begehrte. Mit Schreiben vom 6. 6. 2000, 7. 6. 2000 und 13. 6. 2000 forderte der Bekl. die Kl. erneut zur Vorlage einer Arbeitsfähigkeitsbescheinigung bzw. zum Erscheinen am Arbeitsplatz auf und erteilte Abmahnungen, auf die schließlich am 23. 6. 2000 eine fristlose Kündigung erfolgte.“ Quelle: Beck-online.de

Erstinstanzlich wurde die Kündigungsschutzklage abgewiesen; in der zweiten Instanz verlor der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess

LAG Berlin wie folgt klarstellend: „Es ist im Grundsatz davon auszugehen, dass eine „beharrliche Arbeitsverweigerung” einen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung darstellen kann. Ein solches Verhalten ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeit zuweist, die dieser nach Art, Ort und Zeit schuldet, dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht nicht zusteht, der Arbeitnehmer diese Weisungen nicht ausführt und die Nichtausführung eine Beharrlichkeit des Arbeitnehmers erkennen lässt.“ Quelle: Beck-online.de

Arbeitsrecht für Arbeitgeber: Es gibt keine – absoluten Kündigungsgründe -; es kommt stets auf den Einzelfall an

LAG Berlin: „Dabei ist davon auszugehen, dass auch in Fällen der „Arbeitsverweigerung” zu beachten ist, dass es absolute Kündigungsgründe nicht gibt und dass die Wirksamkeit einer dieserhalb ausgesprochenen Kündigung jeweils auf den Einzelfall bezogen zu prüfen ist. Unter Beachtung und in Anwendung dieser Grundsätze war nach Auffassung des BerGer. im Streitfall von einer „beharrlichen Arbeitsverweigerung” der Kl. letztlich nicht auszugehen. Allerdings war festzustellen, dass die Kl., die ab dem 5. 6. 2000 nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben war, ihre Arbeitsleistung nach dem 5. 6. 2000 tatsächlich jedenfalls bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung am 23. 6. 2000 nicht mehr angeboten und auch nicht erbracht hatte, obwohl der Bekl. sie diesbezüglich „abgemahnt” hatte.“ Quelle: Beck-online.de

„Eine insofern möglicherweise vorliegende Verletzung der Arbeitspflicht stellte sich indes nicht als beharrliche schuldhafte Verweigerung der Erbringung der Arbeitsleistung dar.“ So das LAG Berlin. 

LAG Berlin: „Denn für diese Umstände war das Verhalten des Bekl. seinerseits mitursächlich. Die Kl. hat am 5. 6. 2000 in Person und damit tatsächlich ihre Arbeitsleistung angeboten. Dieses Arbeitskraftangebot hat der Bekl. nicht angenommen. Der Bekl. hat die Annahme des Arbeitskraftangebots der Kl. mit dem Hinweis abgelehnt, die Kl. müsse zunächst ein Attest über ihre „Arbeitsfähigkeit” beibringen. Er hat diese Position mit seinem Schreiben vom 6. 6. 2000 ausdrücklich bekräftigt und erklärt, dass er sich „erst mit Vorlage einer solchen Arbeitsfähigkeitsbescheinigung” in der Lage sehe, die Kl. weiter zu beschäftigen. Eine solche „Gesundschreibung” ist jedoch weder entgeltfortzahlungsrechtlich noch sonst sozialrechtlich vorgesehen; eine entsprechende Bescheinigung ist auch ärztlicherseits nicht ohne weiteres üblich und für den Arbeitnehmer leicht zu erhalten. Im Grundsatz ist dabei davon auszugehen, dass eine Arbeitsunfähigkeitsperiode befristet bescheinigt wird und mit dem letzten Tag endet, der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als solcher angegeben ist. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände steht dann fest, dass am Folgetage der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Der Arbeitgeber darf dann das Arbeitskraftangebot eines leistungsbereiten Arbeitnehmers nicht mit der Maßgabe zurückweisen, dieser müsse eine „Gesundschreibung” beibringen.“ Quelle: Beck-online.de

Forderung des Arbeitgebers nach einer „Gesundschreibung“ ergibt sich nicht aus der „Fürsorgepflicht“ 

LAG Berlin: „Hierzu bedürfte es vielmehr einer besonderen Rechtsgrundlage. Diese liegt jedenfalls nicht ohne weiteres in dem pauschalen Hinweis auf eine arbeitgeberseitige „Fürsorgepflicht”, deren Inhalt ohnehin unbestimmt und deren Reichweite ausfüllungsbedürftig ist. Der Arbeitgeber hat es nicht in der Hand, selbst zu bestimmen, wann er die geschuldete Arbeitsleistung annehmen und zur Entgeltzahlung verpflichtet sein soll. Maßgeblich ist vielmehr der Umstand der objektiven Leistungsfähigkeit. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände kann es im Einzelfall dazu kommen, dass die Arbeitsfähigkeit näher belegt werden müsste. Der Umstand alleine einer vorangegangenen längeren Arbeitsunfähigkeit begründet dies für sich genommen regelmäßig nicht. Mithin durfte der Bekl. die Annahme der Arbeitsleistung der Kl. nicht von der Vorlage einer solchen arbeitsrechtlich nicht ohne weiteres vorgesehenen „Bescheinigung” abhängig machen.“ Quelle: Beck-online.de

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie zu den Rechten und Pflichten des Betriebsrats gemäß Betriebsverfassungsgesetz.


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